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Claus Christian Malzahns vorläufige Bilanz der Einheit »Deutschland 2.0«
Auf dem Buchrücken findet sich folgendes Testimonial: „Ein typischer Malzahn: erfrischend frech und klarsichtig. Wenn ich in diesem Jahr nur ein Buch zur Lage unserer deutschen Nation lesen dürfte – dann dieses.“ Man kann von Gabor Steingart, dem diese Zeilen zugeschrieben ist, halten, was man will. Bei der Einschätzung des neuen Buches von Claus Christian Malzahn hat er völlig recht. „Deutschland 2.0“ ist ein meinungsstarkes Buch, das quer zum konservativen Hurrapatriotismus und zur linken Einheitsnörgelei liegt. Ein Buch, das dem Unausweichlichen des Einigungsprozesses nachgeht und den Enttäuschungen Raum gibt. Das Sympathische an diesem Buch: Claus Christian Malzahn muss nicht erneut den Kommunismus besiegen, um dennoch zu zeigen, dass die DDR ein bankrotter Unrechtsstaat war. Intellektuell, moralisch, politisch und finanziell war der Arbeiter- und Bauernstaat 1989 erledigt. Heute zeichnen etliche Politiker der Linken das Bild einer zwar nicht ganz so reichen, aber irgendwie kuscheligen DDR. Arm, aber gerecht. Dass dieses Bild meist unreflektiert in den Medien aufgegriffen wird, ist ein intellektueller Skandal eines Berufsstands, der sich durch Recherche, Redlichkeit und Reflexion auszeichnen sollte. Dass dieses Bild in der Gesellschaft weiten Raum eingenommen hat, ist politischen Fehlern und gesellschaftlichen Enttäuschen geschuldet. Aber wie hätte man Fehler und Enttäuschungen vermeiden sollen angesichts einer beispiellosen politischen Aufgabe wie des Einigungsprozesses? Vor allem vor dem Hintergrund, dass die tatsächliche ökonomische Situation in der DDR völlig falsch eingeschätzt wurde. Malzahn erwähnt, dass ein Factbook des CIA im Jahre 1987 vermerkte, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der DDR hundert Dollar über dem in der Bundesrepublik liege. So viel zur Arbeit des CIAs. Claus Christian Malzahn schafft es, die vielen widersprechenden Einschätzungen zusammenzubringen. Er schafft dies, weil seine vielen Wege durch die DDR, die BRD, durch Ost- und Westdeutschland ihn vieles haben erleben lassen. Seine journalistischen Erfahrungen mit dem Leben im Osten Deutschlands beginnen nicht nach dem Fall der Mauer. Er kannte die Protagonisten der ostdeutschen Freiheitsbewegung schon vor 1989 und berichtete in der taz über sie, bevor sie auch im Westen bekannt wurden. Dass Malzahn, dessen Neuköllner Wohnung direkt an der Mauer stand, ihren Fall dann in den USA erlebte, wo er gerade für einige Zeit bei einer Tageszeitung in Milwaukee arbeitete, ist einer der Ironien, zu der nur das Leben fähig ist. Malzahns Buch ist ein schlankes, aber dichtes Werk. Vier Kapitel umfasst es: Freiheit; Mythen, Fehler, Irrtümer; Glück, Geld, Erfolg sowie Einsichten, Aussichten. Das erste Kapitel hätte der intellektuelle Soundtrack der Bewerbung Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten sein können. Malzahn schreibt über diesen politischen Wert, wie es eigentlich nur die können, die ihn für lange Zeit vermissen mussten. So wie etwa ein Joachim Gauck. Die Freiheit von, die Freiheit zu, die Freiheit als Verantwortung der Erwachsenen. Dieser Wert ist kein einfacher. Schon gar nicht für die Deutschen, die sich historisch gesehen ganz wohl in obrigkeitshörigen Staatsgebilden gefühlt haben und fühlen. Malzahn verliert sich nicht in philosophischen Diskursen, sondern stellt den Lebenslauf von Thorsten Schilling vor. Einer, der es im Sommer 1989 satt hatte, der die politische und intellektuelle Enge der DDR nicht länger aushielt. Im Juli 1989 reiste er aus, wohnte in Kreuzberg nur zwei Kilometer Luftlinie von seiner alten Wohnung in Friedrichshain entfernt und doch lebte er auf einmal in einer anderen Welt. Eine Welt, die ihn überforderte. Eine Welt, die er mit dem, was er gelernt hatte, nicht begreifen konnte. Ein Welt, die ihm zusetzte, die ihn anzog und abstieß. Mit Thorsten Schilling erleben wir erneut die Fremdheit der beiden deutschen Staaten, erleben wir konkret, was Freiheit heißt, wie anstrengend sie ist, wie herausfordernd sie ist. Freiheit ist nicht bequem. Und doch ist sie die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Schön, dass Malzahn uns dies uns wieder einmal und dazu noch so konkret vor Augen führt. Ein weiteres Plus dieses Buches: Malzahn vergleicht die Verhältnisse und Entwicklungen in Ostdeutschland der 90er Jahre mit denen seiner Nachbarn. Vor allem Polen. Dadurch wird deutlich, auf welch hohem Niveau wir Deutschen, und dies zielt dann doch auf die Ostdeutschen und vor allem auf ihre selbsternannten Interessensvertreter, jammern. Wer heute durch Polen reist, wird ein dynamisches Land entdecken, das die Wunden des Krieges und der kommunistischen Herrschaft noch nicht in Gänze überdecken kann. Aber die Leistungen jenseits der Oder sind beeindruckend. Und die Polen haben dies aus eigener Kraft und später dank westeuropäischer Unterstützung geschafft. Der untergegangenen Volksrepublik Polen stand jedenfalls kein bundesrepublikanischer Bruder zur Seite. Eins noch: Überraschend gut kommt Helmut Kohl weg. Vielleicht mag diese Einschätzung mit dessen 80. Geburtstag und seinem offensichtlichen körperlichen Verfall zu tun haben. Malzahn verweist aber auch auf dessen realen Stärken. Und so schreibt Malzahn über Kohl: Es war „ein Glück, dass wir ihn hatten. Er war ein schlechter Redner, aber auf internationalem Parkett offenbar ein guter Gesprächspartner, der seinem jeweiligen Gegenüber Vertrauen einflößte. Das war in der Politik schon immer ein knappes Gut und ist in unruhigen Zeiten wie dem Zusammenbruch eines Weltreichs so entscheidend wie Wasser in der Wüste.“ Den Titel „Kanzler der Einheit“ trage er zu Recht, die entscheidenden Gespräche über die Vereinigung Deutschlands hatten im Frühjahr 1990 die Präsidenten George Bush und Michail Gorbatschow geführt. Thomas Schilling, Bärbel Bohley, Helmut Kohl, Rudolf Seiters, George Bush, Michail Gorbatschow, Papst Johannes Paul II.: Sie haben 1989/90 möglich gemacht. Und viele, viele mehr. Eine Botschaft der Ereignisse von vor 20 Jahren zieht Claus Christian Malzahn. Oder sagen wir vielmehr, es ist eine Aufforderung an die Bevölkerung in Deutschland, egal ob aus West- oder Ostdeutschland, egal ob mit deutschem Pass oder ohne: „Wir müssen klären, wie wir leben wollen – und wie nicht. Immer wieder, nicht nur alle zwanzig Jahre.“
Ein schmales, aber lesenswertes Buch. |
Claus
Christian Malzahn |
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