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Irmtraud Wojak legt die Biographie des Generalstaatsanwalts und Hauptanklägers der Auschwitz-Prozesse Fritz Bauer vor. Von Peter H. Gogolin Zu den „heiligen Irrtümern“ der Emigranten, die er geteilt habe, soll Fritz Bauer nach dem 2. Weltkrieg zu Gerhard Zwerenz gesagt haben, gehörte auch die Hoffnung, dass alles neu und großzügig werden könne. „Dass Deutschland in Trümmern lag, hat auch sein Gutes, dachten wir. Da kommt der Schutt weg, dann bauen wir Städte der Zukunft. Hell, weit und menschenfreundlich. Bauhaus. Gropius. Mies van der Rohe. So dachten wir damals.“ Dass sich dieser „Siegeszug der Moderne“ nach 1945 nicht fortsetzte, mag jedoch am Ende seines Lebens zu Fritz Bauers geringsten Enttäuschungen gezählt haben. Der streitbare Jurist, der als Frankfurter Generalstaatsanwalt die Aufhellung der menschenverachtenden Verbrechen des Dritten Reiches begonnen und bis zu den Epoche machenden Auschwitz-Prozessen geführt hatte, wurde am 1. Juli 1968 nach der Einnahme einer großen Dosis Schlafmitteln tot in seiner Badewanne aufgefunden. Der Mann, der die Deutschen an die verdrängten Gräueltaten der Nazizeit erinnert hatte, war zu einem einsamen Außenseiter geworden. Sein Tod wurde mit Betroffenheit „aber auch … eine(r) gewisse(n) Erleichterung“ registriert, er selbst schnell vergessen. Und doch, ohne Bauers Versuch, das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aufzuhellen, wäre das Deutschland der Nachkriegszeit ein anderes gewesen. Im Jahr da mit der Auslieferung des 89jährigen John Demjanjuks nach Deutschland wohl der vermutlich letzte große Kriegsverbrecherprozess auf deutschem Boden begann, erschien nun die von Irmtraud Wojak, der Gründungsdirektorin des im Aufbau begriffenen NS-Dokumentationszentrums in München, verfasste Biographie Bauers, die seine aufklärerische Lebensleistung würdigt.
Fritz Max Bauer kam 1903
in Stuttgart als einziger Sohn „einer angesehenen, bürgerlichen jüdischen
Familie“ auf die Welt. „Meine Familie war brav und bürgerlich“, schrieb er
selbst. Die glückliche Kindheit und Jugend verbrachte er vor allem in Tübingen,
wohin der Urgroßvater Leopold Hirsch vierhundert Jahre nach der Vertreibung
aller Juden als erster und bis in die 1860er Jahre auch einziger Jude
zurückgekehrt war. Er wurde zum Vorreiter der jüdischen Emanzipationsbewegung
und damit auch zum Vorbild für seinen Urenkel, den Justizreformer Fritz Bauer,
der als jüngster Amtsrichter Deutschlands von den Nazis aus dem Amt verjagt und
ins Konzentrationslager verschleppt wurde. 1936 gelang ihm die Flucht nach
Dänemark, später nach Schweden, mit fast nichts als ein paar Büchern im Gepäck. Bauer, der schon gegen Ende 1943 in Schweden zum engen politischen Weggefährten Willy Brandts geworden war, mit ihm gemeinsam die „Sozialistische Tribüne“ herausgab und wie dieser Befürworter einer demokratisch-sozialistischen Einheitspartei war, setzte sich früh mit dem Problem der NS-Verbrechen auseinander, über die 1943 in Schweden bereits viele Informationen vorlagen. 1944 schrieb er sein Buch über die Kriegsverbrecher. Er berichtete über das KZ Majdanek, wo die selben Vernichtungsmethoden wie in Auschwitz praktiziert wurden. Und als am 27. Januar 1945 Auschwitz von der Roten Armee befreit wurde, da wurde dies für Fritz Bauer zu einem Fanal, das im Grunde sein gesamtes zukünftiges Leben bestimmen sollte. Doch was er sich selbst für die Zukunft Deutschlands vorstellte, wurde niemals Wirklichkeit. Zwar hatte er in seinem Kriegsverbrecherbuch gewissermaßen im Vorgriff auf die Nürnberger Prozesse ein „Strafgericht, ein Weltgericht“ gefordert, doch hätte er es vorgezogen, wenn das deutsche Volk die Sache selbst in die Hand genommen und sich zu den Taten bekannt hätte. „... besser wäre es“, schrieb er, „wenn das deutsche Volk den Ausgleich selbst vollziehen würde, wenn es nicht bloß ein mehr oder minder aufmerksamer Zuschauer wäre, ein mehr oder minder gelehriger Schüler wäre, sondern selbst das Schwert des Krieges mit dem Schwert der Gerechtigkeit vertauschte. Ein ehrliches deutsches ‚J’accuse’ würde das ‚eigene Nest nicht beschmutzen’ ... Es wäre ganz im Gegenteil das Bekenntnis zu einer neuen deutschen Welt.“ Dieses j’accuse hat es damals ebenso wenig gegeben wie heute, da im Münchner Landgericht John Demjanjuk das „sterbende Opfer mimt“, statt sich zu bekennen und zu sagen „Ja, ich war in dieser Hölle und wollte nicht krepieren. Ich bereue zutiefst. Das wäre zwar das Ende seiner Lebenslüge, trüge ihm aber Respekt ein.“[1], wie Gisela Friedrichsen im Spiegel so treffend schreibt.
Als Fritz Bauer nach dem
Krieg aus dem Exil zurückkehrte, muss diese Erkenntnis für ihn schmerzhaft
gewesen sein. Er ging nicht wie so viele Weggefährten der Kriegsjahre in die
Politik, sondern kehrte zur Justiz zurück. Zuerst wirkt er in Braunschweig, ab
1956 dann in Frankfurt, doch musste er von allem Anfang an erleben, dass
deutsche Gerichte in NS-Verfahren meist zu Gunsten der Angeklagten entschieden,
besonders nach der 1950 erfolgten Gründung des Bundesgerichtshofes. Der Umstand,
dass die Entnazifizierung der Alliierten gescheitert war, hatte dazu geführt,
dass in vielen Fällen ehemalige Parteimitglieder in ihre alten Positionen
zurückgekehrt waren und so in der Lage waren, jede wirkungsvolle
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu verhindern. Bislang waren Verbrechen
gegen die Menschlichkeit nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 geahndet worden, das
nun von den ins Amt zurückgekehrten bundesdeutschen Richtern und Staatsanwälten
mit dem so genannten Rückwirkungsverbot „nullum crimen, nulla poena sine
lege“ kritisiert wurde, wonach nur Verbrechen bestraft werden konnten, die
gegen das bestehende Recht ihrer Zeit verstoßen hatten. Nur eine Minderheit der
Juristen, schreibt Irmtrud Wojak, habe sich gegen diese Rechtsauffassung
gewandt, die das Unrecht der NS-Justiz nachträglich legitimierte. Für Fritz
Bauer war das Recht des gerade überwundenen Nazistaates hingegen, nach einer
1946 von Gustav Radbruch geprägten Formel, „Unrecht in Gesetzesform“. Eine
juristische Bewältigung der Vergangenheit war deshalb für ihn „nur mit Hilfe
eines übergesetzlichen Rechts möglich“. Er zog eine scharfe Grenze zwischen den
unantastbaren Grund- und Menschenrechten und der Ausübung staatlicher Gewalt
aufgrund einer Willkürgesetzgebung. Ja, Bauer forderte gar die „Pflicht zum
Widerstand“ zum persönlichen „Nein“ gegenüber staatlichen Verbrechen. Eine
Haltung, die vom Diktum der Philosophin Hannah Arendt „Niemand hat das Recht zu
gehorchen!“ hätte inspiriert sein können. Das war höchst brisant und unbequem in
einer Zeit, da sich die deutsche Gesellschaft darauf geeinigt zu haben schien,
dass die angebliche Notwendigkeit, doch „nur gehorcht“ zu haben, alles
legitimierte. Zumindest aus der Perspektive der verfolgten Juden, der
Sozialdemokraten und anderer Reimigranten kann in den Gründungsjahren der
Bundesrepublik der Eindruck einer Kontinuität nationalsozialistischen Denkens
und Handels nur schwer von der Hand zu weisen gewesen sein. Ein Vorwurf, der
große Teile der 68ger Bewegung nachhaltig inspirieren sollte und nicht wenig zur
Staatskrise des deutschen Herbstes beigetragen hat. Irmtrud Wojaks ist für die faktenreiche Darstellung dieses außergewöhnlichen Lebens sehr zu danken, zumal sie die Schwierigkeit zu bewältigen hatte, dass es keinen persönlichen Nachlass gibt, auf den sie sich bei ihrer Arbeit hätte stützen können. Sie bescheinigt Fritz Bauer, es sei ihm gelungen, „in gewisser Hinsicht, seine Anonymität vollkommen zu bewahren“, was für eine Biographie naturgemäß ein kaum ersetzbarer Verlust sei. Für diesen Wunsch nach Anonymität scheint es Gründe gegeben zu haben, die zu seiner Zeit höchst wahrscheinlich zu Diffamierungen Anlass gegeben hätten und uns heutig nicht mehr zu interessieren brauchen. Was bleibt ist die für Deutschland so zentrale Lebensleistung dieses Mannes, dessen Porträt Irmtrud Wojak eindringlich gezeichnet hat. [1] Gisela Friedrichsen, in Der Spiegel 50/2009
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Irmtrud Wojak
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