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Der Mann, der später als größter Antisemit aller Zeiten in die Weltgeschichte eingehen sollte, begann seine politische Karriere am 16. April 1919 als Ersatzbataillonsrat der 2. Kompanie des Demobilisierungsbataillons im 2. Bayerischen Infanterieregiment. Damit war der Weltkriegsgefreite Adolf Hitler, der nach eigener späterer Aussage den Bolschewismus als das „teuflischste Instrument“ des Internationalen Judentums erkannt zu haben glaubte, plötzlich Funktionär im Räderwerk der kommunistischen Weltrevolution.
So bringt es Ralf Georg
Reuth in seinem jüngst beim Münchner Piper-Verlag erschienenen Buch über die
Genese von Hitlers Judenhass nicht ohne Süffisanz auf den Punkt. Denn Hitlers
Verband, das stolze 2. Bayerische Infanterieregiment, unterstand der Münchner
Räterepublik des jüdischen Revolutionärs Eugen Leviné und war damit Teil der
Roten Armee Bayerns. Allerdings währte der von Moskau lebhaft unterstützte
Versuch, ausgerechnet im erzkatholischen Süddeutschland eine Keimzelle der
bolschewistischen Weltrevolution zu errichten, nur wenige Wochen. Ende April
1919 hatten Freikorps und Reichstruppen unterstützt von schwerer Artillerie dem
kommunistischen Spuk bereits ein gewaltsames Ende bereitet. Bedeutend war der
militärische Widerstand der roten Kämpfer auch nicht gewesen. Viele von ihnen
waren wie der Obergefreite und Ersatzbataillonsrat Adolf Hitler in den Baracken
der Münchner Karl-Liebknecht-Kaserne untergetaucht. Anders als der britische Hitler-Biograf Jan Kershaw, der sich vor allem auf Hitlers Selbstzeugnisse beruft, glaubt nun Reuth, dass der Antisemitismus des späteren Diktators nicht eine strukturelle Folge der weit in die deutsch-österreichische Geschichte zurückreichenden völkischen Judenfeindschaft war, sondern erst unter den besonderen Bedingungen der Nachkriegszeit entstanden ist. In großen Teilen der Bevölkerung und der Publizistik wurde damals die Mitteleuropa und besonders Deutschland bedrohende bolschewistische Machtergreifung in Russland als Machwerk jüdischer Intellektueller gesehen. Die plutokratische Spielart des Weltjudentums wiederum erkannten viele Deutsche insbesondere nach dem Schock der Versailler Friedenbedingungen in den Banken der New Yorker Wall Street, die angeblich das geschundene Reich durch irrsinnige Reparationsforderungen endgültig zugrunde richten wollten.
Exakt in diesem explosiven
Klima, in dem Weltverschwörungsphantasien so trefflich gediehen und das Reuth in
seinem Buch sehr überzeugend als „mentale Verwüstung“ schildert, erschien auch
1921 die deutsche Übersetzung der berüchtigten Protokolle der Weisen von Zion,
ein längst als Fälschung der russischen Geheimpolizei entlarvtes Pamphlet, das
eine jüdische Weltverschwörung im Anzug sah. Bis 1933 sollte dieses
verleumderische Machwerk allein in Deutschland noch knapp 40 Auflagen erleben
und dokumentierte damit eindrucksvoll einen in der Weimarer Zeit dramatisch
angestiegenen Antisemitismus. Der hatte nun endgültig die verstaubten
Studierstuben verschrobener Sektierer wie Jörg Lanz (von Liebenfels), Gottfried
Feder oder Dietrich Eckart verlassen, um sich fortan offen auf Deutschlands
Straßen breit zumachen.
Der Antisemitismus war im
München der Nachkriegszeit im strammen Vormarsch, die meisten Vorgesetzten des
ehemaligen „Rätesoldaten“ Adolf Hitler waren ebenfalls judenfeindlich. Was also
lag für einen Weltkriegsgefreiten ohne berufliche Perspektive auf der Suche nach
Lohn und Brot näher, als gleichfalls in das immer lauter klingende Horn der
Judenfeindschaft zu stoßen, zumal es zunächst ja auch galt, seinen Hals vor der
Rache der Sieger zu retten. Wer wie Hitler Karriere in der Politik machen
wollte, konnte an dieser damals ausufernden antijüdischen Strömung kaum vorbei.
Recht freimütig hat sich dazu später Hermann Göring vor dem Nürnberger Tribunal
geäußert: Den antisemitischen Tenor des ersten Parteiprogramms der NSDAP
erklärte er damit, dass dieser „Abwehrpunkt stark in großen Kreisen des
deutschen Volkes vorhanden war“. Dass Hitlers sektiererische Partei in ihrer
Anfangszeit sogar finanzielle Zuwendungen des amerikanischen Antisemiten und
Autoproduzenten Henry Ford erhielt, fügt sich zwanglos in das Bild einer
ideologischen Trittbrettfahrerei der Nazis ein.
Hitler nicht als
Protagonist, sondern als politischer Opportunist, der sich den Antisemitismus
breiter Kreise der deutschen Bevölkerung für seine politische Karriere zunutze
zu machen verstand. Dies wäre tatsächlich ein revolutionär neues Bild des
Rassefanatikers. |
Ralf Georg
Reuth |
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