Atomdeal mit Iran auf der Kippe
Irans Präsident Hassan Ruhani will das Wiener Atomabkommen „pflegen und hegen“. „Das Abkommen ist wie ein kleiner Baum, der Pflege und Schutz braucht, damit er wachsen kann“, erklärte Ruhani am Sonntag vor dem iranischen Parlament.
Mühsam erreichter „Aktionsplan“
Diese Aussage ist mehr als ein lyrischer Erguss. Sie zeigt, dass der Präsident für seine zweite Amtszeit in dieser wichtigen Frage die Unterstützung des geistigen Führers der Islamischen Republik, des Ayatollahs Ali Chamenei, geniesst. Gleichzeitig signalisiert Ruhani seine Entschlossenheit, sich weder von den Hardlinern in Washington noch vom militärisch-industriellen Komplex im eigenen Land – der vom Feindbild des amerikanischen „Satans“ profitiert – zu verhängnisvollen Handlungen provozieren zu lassen.
Das nach Jahrzehnten mühsamer Verhandlung im Juli 2015 unterzeichnete Abkommen zwischen Iran, den USA, Russland, China, Frankreich, Grossbritannien und Deutschland ist kein formaler Vertrag, sondern nur ein „Aktionsplan“, der gewährleisten soll, dass Iran mindestens bis 2030 keine Atomwaffen entwickelt. Die Iraner mussten dafür ihr gesamtes militärisch relevantes Nuklearprogramm einstellen und die bereits angehäuften Bestände an mittel angereichertem Uran vernichten. Als Gegenleistung wurde ihnen die stufenweise Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zugesichert.
Trumps Wahlkapf-Rhetorik
Donald Trump bezeichnete das Abkommen in seiner Wahlkampagne als den „schlechtesten jemals ausgehandelten Deal“ und versprach, den Rückwärtsgang einzulegen. Obgleich er seine Meinung nicht öffentlich revidierte, ist er mittlerweile wohl etwas klüger geworden. Erstens hält sich Iran genau an die Wiener Vereinbarungen, was die mit der Überwachung betraute Internationale Atomenergie-Organisation und selbst die US-Regierung bestätigen. Zweitens sind Wirtschaftssanktionen meistens ein zweischneidiges Schwert. So kann es den Amerikanern nicht gleichgültig sein, ob Iran bei der Erneuerung seiner schrottreifen Flotte von Passagierflugzeugen Boeing oder Airbus bevorzugt.
Trotzdem haben die USA neue Sanktionen gegen Iran verhängt. Teheran beschuldigte Washington umgehend, das Wiener Atomabkommen zu verletzen. US-Aussenminister Rex Tillerson rechtfertigte die neuen Sanktionen mit angeblichen „alarmierenden Provokationen“ Teherans. Dazu gehören seinen Worten nach die Rolle Irans im Syrienkonflikt und die Weiterentwicklung ballistischer Raketen.
Die Raketen standen bereits bei den Verhandlungen zwischen Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats plus Deutschland auf der Tagesordnung. Es gelang aber keine Einigung. Ballistische Flugkörper können sowohl für militärische wie für friedliche Ziele verwendet werden. Sie können Sprengkörper tragen oder Wettersatelliten auf eine Erdumlaufbahn setzen. Im Abkommen über das iranische Nuklearprogramm wurden sie schliesslich ausgeklammert.
Kontroverse iranische Langstreckenraketen
Formal haben die Iraner daher recht, wenn sie die Amerikaner beschuldigen, mit der Raketenfrage im Nachhinein die Wiener Vereinbarung zu torpedieren. Sie sollten aber anerkennen, dass sich andere Staaten der Region durch ihre militärischen Anstrengungen bedroht fühlen. Angezeigt wären spezielle Verhandlungen über eine Kontrolle der ballistischen Flugkörper.
Im Umgang mit Iran ist gewiss Vorsicht geboten. Die Entwicklung von Langstreckenraketen ist selten unschuldig. Wahrscheinlich wollen sich die massgeblichen Politiker in Teheran für den Fall des Zusammenbruchs des Atomdeals oder nach dessen Auslaufen alle Optionen offen halten. Doch akut ist die Frage nicht, ausser Trump würde das Wiener Abkommen aufkündigen.
Washingtons wirtschaftliches Nachdenken
Damit hat es der US-Präsident aber offenbar nicht eilig. Seinen Sprüchen folgten glücklicherweise keine Taten. Trump würde sich ohne Not erneut weltweites Unverständnis einhandeln. Russland und China sind grosse Handelspartner Irans, auch die westeuropäischen Industriestaaten erhoffen sich gute Geschäfte. Wenn die USA den Atomdeal platzen lassen, werden die anderen Unterzeichnerstaaten nicht mitziehen.
Die breite iranische Bevölkerung hat bisher noch wenig vom Atomdeal profitiert, denn die meisten Wirtschaftssanktionen gegen ihr Land bleiben weiterhin in Kraft und werden sogar ausgeweitet. Aber Iran ist eine dynamische Gesellschaft. Vor allem die Jugend und die Masse gebildeter Menschen wollen die inneren und äusseren Mauern überwinden. Niemand weiss, wer in zehn Jahren in Washington und in Teheran herrschen wird. Sicher ist nur, dass jetzt Weichen gestellt werden.
Das wieder aufgelegte Thema Ballistische Flugkörper zeugt von der unheimlichen Kontinuität des Washingtoner Machtapparats. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass die Zielrichtung der Diskussion innerhalb des Machtapparats und der Medienkampagnen identisch sind aber die Begründungen doch erheblich differieren.
Während wir normale Bürger mit Argumenten wie der irrationalen iranischen Regierung, die Gefahr für Israel, oder ein Expansionsbestreben der Mullahs voll getextet werden, wird innerhalb des Machtapparat das Thema auf einer geopolitischen Ebene behandelt. Nur selten wird dem normalen Mediennutzer die Gedankenwelt des Machtapparats vermittelt. Wie z.B. geschehen in einem Interview mit Noam Chomsky in einer Sternstunde-Sendung. Wo er anmerkte, dass die, eigentlich öffentlich zugänglichen, Berichte der US-Geheimdienste und des Pentagons zur globalen Sicherheitssituation das iranische Atomprogramm nur als funktionierendes Abschreckungspotential gegenüber den USA und als Eingrenzung ihres Handlungsspielraum reklamiert wird. Zudem wird darin auch erwähnt, dass der Iran hauptsächlich sein Defensivpotential ausbaut und kaum über ein Offensivpotential verfügt.
Es ist schon der reine Wahnsinn, wie die Medien das Bild eines aggressiven Iran zeichnen und es mit zitternden Nachbarn schmücken wogegen die Experten von einem zitternden Iran sprechen der alles unternimmt um sich vor möglichen Angriffen zu schützen.
Man muss sich klarmachen, dass brutale Regierungen wie die von B. al-Assad in dieser Region absolut genau gleich sind. Das gilt für den Iran, das gilt für KSA, die Emirate, und das gilt für Ägypten und inzwischen auch für die Türkei. Alle Versuche solche Regierungen zu stürzen müssen zu Bürgerkriegen führen, weil diese sich natürlich nicht friedlich beseitigen lassen. Die westlichen Länder haben insofern versagt, als sie Leute unterstützt haben, die keinen Deut besser waren als B. al-Assad. Denn alle Oppositionellen sind heute praktisch von Terroristen durchsetzt oder sind selbst Touristengruppen.
Es gibt in diesen Regionen keine echte demokratische Opposition.Und es gibt schon gar keine, die das Potenzial hat, eine Regierung zu übernehmen.