Bitte nicht wieder Exekutionsbilder!

Peter Studer's picture

Bitte nicht wieder Exekutionsbilder!

Von Peter Studer, 22.08.2014

Eine dringende Aufforderung an Youtube, Facebook und Redaktionen nach dem IS-Video von der Enthauptung eins US-Reporters

Wenn ich zurückdenke, muss es Mitte der 90er Jahre gewesen sein: Redaktionen glaubten, ihr Publikum mit Hinrichtungsbildern „dokumentieren“ zu müssen. Als Chefredaktor SF hatte ich selber – zu Unrecht – eine kurze Sequenz aus dem ersten „Direktreport“ eines Reporters freigegeben, der im Gebiet der afghanischen Talibans herumreiste. Man sah, wenn ich mich recht erinnere, das Stammesgericht über einen angeblichen Ehebrecher, dem zuguterletzt der Hals aufgeschlitzt wurde.

Die Absicht der Jihadisten

Zwei, drei Sekunden davon samt Blutstrahl zeigte unser Sender. Kurz darauf gab es eine wahre Flut von Hinrichtungsbildern der Dschihad-Kämpfer im arabischen Raum: Kniendes Opfer, zum Beispiel eine britische Sozialarbeiterin oder ein gefangener amerikanischer Soldat, Exekution mit dem Schwert, am Boden rollender Kopf. Immer dieselbe Quelle: Der Jihad selber. Er wollte damit ein Allmachtgefühl seines Zugriffs, Schrecken bei den Gegnern erzeugen.

Ziemlich schnell erkannten Chefradaktionskonferenzen und Presseräte die propagandistische Absicht. Per Ukas stoppte man diese Abbildungen. Sie verschwanden aus den Medien.

Muss das jede Journalisten-Generation neu lernen?

Umso mehr schockierte es mich, dass jetzt die Enthauptung des amerikanischen Reporters James Foley auf einem von der neuen Terrortruppe IS verbreiteten Video wiederzirkulierte, erst offenbar auf Youtube, hernach in zahlreichen Medien. Eingebettet in die Drohung, IS werde auch einen weiteren Reporter, Steven Sotloff, öffentlich hinrichten, wenn die USA ihre Intervention in Kurdistan nicht sofort einstellten...

Muss denn jede Journalistengeneration die Essentials der Bildkontrolle wieder neu lernen? Gewiss, die Bildinflation der Social Media bis hinunter zum Kürzestgestammel von Twitter hat das Problem verschärft. Aber: Wollen die Publikumsmitglieder solche Bilder überhaupt sehen, während ihnen gruseliger Schauer den Rücken hinunterläuft? Keineswegs. Eine (nichtrepräsentative) Onlineumfrage für die heutige Freitagsausgabe des „Tages-Anzeigers“ wollte wissen: Müssen Youtube & Co. härter gegen Videos von Tötungen durchgreifen? 82 Prohzent Ja. Eben.

 

 

Ähnliche Artikel

Das hätte ich mir am 11. September auch gewünscht. Die endlose Schleife in das World Trade Center einschlagender Passagierflieger hatte natürlich ebenso propagandistische Wirkung, wie in dem Fall beiderseits: Natürlich erzeugen solche Bilder auch Zustimmung für eine Intervention, insofern glaube ich nicht das es für das Problem eine Lösung gibt. Frieden höchstens.

Die (breitenwirksame) Verbreitung von Videos von Hinrichtungen führen also nachweislich zu noch mehr Hinrichtungen. Wer das jetzt nicht kapiert, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Genauso, wie die (meist reißerische) Darstellung von Suiziden/Amokläufen zu nachweislich noch mehr Suiziden/Amokläufen führt (Stichwort Enke, Stichwort Winnenden, Stichwort Nachahmungseffekt).

Youtube hin oder her, wer Verantwortung trägt, gibt so einen Mist nicht weiter.

@ Onkel Hotte: Word!

Journalisten haben als Gatekeeper ausgedient. Das muss ihre alte Generation von Journalisten noch lernen.

Hinrichtungsbilder oder -videos sind einfach nur entsetzlich und haben nirgendwo was verloren.
Wer meint, sowas müsse gezeigt werden damit der wahre Schrecken des Krieges gezeigt wird und die Leute wachrüttelt, der hat 'ne echte Schramme am Kopp. Kinder und Jugendliche werden durch solche Szenen traumatisiert und Erwachsene sollten genug Hirnmasse haben und wissen das Krisen/Kriege kein Zuckerschlecken sind und an der Front nicht nur diskutiert wird.
Bereits detailierte Beschreibungen der Hinrichtung finde ich völlig unnötig. Wer braucht Details wenn es darum geht daß einem der Kpf abgeschnitten wurde ? Sollte klar sein, dass das nicht mit Narkose vonstatten ging oder dem Opfer irgendwie wohl dabei war.
Das hat auch nichts mit den USA zu tun und schürt keinen Hass in mir, diese Bilder sind widerlichst und dienen den Zeitungen und Plattformen lediglich als Clickbaits.

ISIS oder wie sie sich auch immer früher nannten, hauen seit über 10 Jahren ein Propagandavideo nach dem anderen raus.

Wer sich auf unzensierten Videoplattformen informierte, konnte der Organisation bei ihrem Aufstieg zugucken. Wer sich auf die Massenmedien verließ, wurde von ihrem Aufstieg völlig überrascht.

Würden die Propagandavideos ihren Sinn verlieren, wenn niemand sie zu Gesicht bekommt? Ja sicherlich. Nur ist das Internet nunmal nicht zensierbar. Von daher ist die Bitte nach "Bitte nicht wieder Exekutionsbilder!" reichlich naiv und weltfremd.

Bilder und Filme aus Kriegsgebieten können aufklären, und eine emotionale Verbundenheit mit den leidenden Menschen auslösen. Ebenso können echte Bilder von verschiedenen Kriegsakteuren gezielt eingesetzt werden, um die Meinung der Öffentlichkeit in eine erwünschte Richtung zu lenken. Und dann gibt es noch Bilder, die nicht echt sind, die hilfreich zur Erzeugung einer falschen Realität sind. Und da gibt es wiederum gut gemachte Fakes, und es gibt auch sehr schlechte Fakes. Ihr Artikel, Herr Studer, ist ein Appell sich nicht als Journalist und Leser instrumentalisieren zu lassen. Und genau hier stellt sich für mich die Frage nach der Authentizität des Videos. Den gequälten Menschen gilt mein Mitgefühl. Denen, welche uns manipulieren wollen, gebe ich mein Mitleid.

Diesen Chaos haben wir den Amerikanern
zu verdanken. Unter falschen Beweisen
in ein friedvolles ruhiges wohlhabendes
Land einmarschiert, den Staatsapprat
vernichtet, den Präsidenten umgebracht.
Wenn das Russland gemacht hätte, dann
wäre das Geschrei in den Medien groß.
Wenn der Aggressor die USA sind, dann
wird das von der westlichen Propaganda
glattgebügelt und alle finden das normal.

Irak war schon vor 2003 nicht "ruhig"...

Man soll also einfach wegschauen. Keine gute Strategie.

Das hat nichts mit wegschauen zu tun. Ihrer Argumentation folgend würde jeder, der sich den Mitschnitt einer Kindervergewaltigung nicht anguckt, auch wegschauen.
Niemand in der zivilisierten Welt (und sonstwo auch) sollte sich Filme angucken, auf denen reale Morde vollzogen werden. Auf denen Menschen sterben oder gequält werden.
Da regen sich konservative Politiker darüber auf, dass Ballerspiele Menschen zu Amokläufern werden lassen, während ihre Kinder auf Twitter ein Video teilen, in dem ein echter Mensch umgebracht wird...

es geht nicht um den "gruseligen Schauer" er den Rücken herunter läuft, sondern um das entsetzliche Grauen, das einen hier befällt. Der Horror wird ohne das Video ja nicht aus der Welt geschafft. So wird er wenigstens sichtbar, ob wir wollen oder nicht.

Die Bilder oder Videos schüren in mir Hass und Unverständnis. Und ich nehme an, das ist auch der Zweck dahinter. Die Gleichschaltung der westlichen Medien und der Bevölkerung, um zukünftige Interventionen in den Krisengebieten zu rechtfertigen ist Programm.
Das hat nichts mit Verschwörungstheorie zu tun. Denken wir doch an die Brutkasten Lüge vor dem ersten Golfkrieg, da war allen klar, so kann es in Kuwait nicht weitergehen. Darum nervt es mich, wenn gewisse TV- und Printmedien diese Social Media Inhalte einfach übernehmen ohne das Ganze zumindest ein bisschen zu hinterfragen.

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren