Bluthochzeit

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Bluthochzeit

Von Laura Weidacher, 26.01.2014

Federico Garcia Lorcas lyrische Tragödie wird in Basel unter Regisseur Calixto Bieito zum wabernden Totentanz einer verkrusteten Gesellschaft.

Sie wird heute relativ selten aufgeführt, diese erste von Lorcas drei Bauerntragödien, welche ihm nach der Madrider Uraufführung von 1933  sofort zu Ruhm und Ansehen verhalf. Er war damals im 35. Lebensjahr und sollte nicht mehr viele Jahre erleben.

Bald nach Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges 1936 wurde er in seinem Haus nahe Granada von Faschisten verhaftet und zusammen mit drei weiteren Gefangenen hinterrücks erschossen und verscharrt. Durch Lorcas kritische Haltung zur spanischen Gesellschaftsordnung, durch seine Freundschaft mit den Surrealisten Salvador Dali und Luis Bunuel sowie seine - nur zögerlich  ausgelebte - Homosexualität war er dem neuen Regime  besonders verhasst. So durfte auch das Schauspiel „Bodas de sangre“ – Bluthochzeit – während des Franco-Regimes nicht aufgeführt werden, obwohl es „nur“ die unerbittlichen Gesellschaftsnormen seiner Heimat Andalusien anprangerte, ohne dabei direkte politische Aussagen zu machen.

Aber was nicht sein darf, konnte ja nicht sein: Traditionen, welche Frauen zur willenlosen Heiratsware machten und damit in endloser Reihe Mord und Totschlag über die beteiligten Familien brachten, durften nicht angegriffen werden. Darüber wachte auch allein schon die Kirche – Inquisition para siempre...

Das Auge der Kathedralen

Die Hauptwerke des vielseitigen Lorca, der in dieser kurzen Lebenszeit auch bemerkenswert komponiert und gezeichnet hat, sind zwar für die Bühne geschrieben. Aber auch wenn die Handlungen noch so bühnenwirksam vorangetrieben werden, bleibt Lorca doch immer der Lyriker, der so hinreissende Wortbilder in den Raum stellt wie „ein silberner Dolch im Blick“ oder „das Auge der Kathedralen“.

Diese eindrücklichen Textpassagen finden sich meist in den Monologen der handelnden Figuren – Reflexionen, welche die unausweichlich und mit antiker Konsequenz vorwärts drängende Handlung für einen Moment still stehen und erstarren lassen.

Ein Schauspiel wie ein Requiem

Wohl aus diesem monologisierenden Duktus heraus legte der spanische Star-Regisseur Calixto Bieito in der Basler Inszenierung das ganze Stück ähnlich einem Requiem an, ein Oratorium, in dem die reflektierenden Passagen nur selten durch die reale Handlung unterbrochen werden. Allein schon das von Bieito selbst entworfene Bühnenbild, ein beinahe den ganzen  Bühnenraum füllender Turm von ineinander verschachtelten Sesseln, zeigt das an: die vorangegangenen Geschlechter, verkettet und doch nicht wirklich standhaltend, wenn einer nur wütend oder entschlossen genug daran zerrt. Und damit den gesamten Oberbau gefährdet.

Diesen Hang, Schauspieler oder Sänger auf gefährlich  scheinende Türme klettern und von dort oben herunter agieren zu lassen, hat Bieito bereits im letzten Herbst im Foyer des Grossen Basler Hauses ausgetobt mit seiner szenisch-musikalischen Performance „De rerum natura“ nach Lukrez. Irgendwie scheint das – ob bewusst oder unbewusst – seine Bewältigungsstrategie instabiler Bewusstseinsebenen zu sein.

Atemlose Leere

Aber Calixto Bieito, seit letztem Jahr für zwei Jahre Artist in residence am Basler Theater (der sich mit dem Gedanken trägt, sich ganz am Rheinknie niederzulassen), wäre nicht der berühmte „Skandalregisseur“, wenn auf der Bühne nicht auch reichlich Blut fliessen würde. Und dafür garantiert ja  allein schon der Titel von Lorcas Werk. Doch hier scheint, als wolle Bieito alle Grausamkeit der Bilder in reichlich waberndem, parfümiertem  Bühnennebel versinken lassen.

Es ist des Opernregisseurs Bieito erste Schauspiel-Inszenierung, und das merkt man. Die durchwegs hervorragenden Protagonisten werden meist an die Rampe des Schauspielhauses verbannt und sprechen, ohne Kontakt zueinander aufzunehmen, leeren Auges ins Publikum.

Diese Art von Beziehungslosigkeit wirft natürlich die Figuren auch in die Einsamkeit und auf sich selbst zurück. Die Monologe werden abrupt nebeneinander gestellt, die atemlose Leere dazwischen wird nicht mittels Schau-Spiel aufgelockert. Eine harte Sache, diese Bluthochzeit. Aber eine eindrückliche Begegnung mit einem zu lange nicht beachteten Werk der Weltliteratur.

Nächster Aufführungen Schauspielhaus Basel: 28.1., 3., 8., 22.28.2.   

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