Journalistischer Mehrwert
Menu
16. Februar 2021

Christian Wasserfallen

Gastkommentar's picture

Christian Wasserfallen

Von Gastkommentar, 14.02.2011

Christian Wasserfallen ist Nationalrat FDP und Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie UREK.

In der Rubrik "Gastkommentar" kommen Politiker aller Couleur, Wirtschaftsvertreter, Kulturschaffende, Wissenschafter und andere zu Wort. Die Autoren äussern ihre eigene Meinung.

Das Berner Stimmvolk hat am 13. Februar 2011 mit 51.2% entschieden: Ja zum neuen AKW in Mühleberg. Dieses Ja ist hoch zu bewerten und die Bernerinnen und Berner haben grossen Respekt verdient. In einer Abstimmung wo der Grossrat und der Regierungsrat diametral auseinander lagen und wo die AKW-Gegner mit plumper Tschernobyl-Rhetorik dem Stimmvolk Angst und Schrecken einjagen wollten, hat der Souverän wirklich kühlen Kopf bewahrt und die positive Stellungnahme zum AKW-Mühleberg gutgeheissen.

Nun ist Bern der einzige Standortkanton, der eine Volksmehrheit hinter dem eigenen AKW-Neubauprojekt weiss. Das ist nicht nur hinsichtlich der Stromversorgung klug sondern auch der Wirtschaftsstandort Bern hat gewonnen. Mit einem Nein wäre der Standort Mühleberg akut gefährdet gewesen und somit hätten sich wohl die Kantone Solothurn und Aargau die neuen Projekte schon beinahe sichern können. Nun ist es anders: Bern spielt auch in der künftigen Strompolitik eine wichtige Rolle.

Das Verfahren ist jetzt aber nicht gelaufen sondern es beginnt erst richtig. Zirka im Jahre 2013 wird die ganze Schweizer Bevölkerung über die Rahmenbewilligungen zu den neuen AKW abstimmen und sich dazu äussern, ob sie eine neue Generation AKW in der Schweiz wünscht oder nicht. Diese alles entscheidende Abstimmung, wo mit grösster Wahrscheinlichkeit der Bundesrat, der National- und der Ständerat allesamt für ein Ja einstehen werden, wird für die Stromversorgungssicherheit der Schweiz richtungsweisend sein.

Stützt das Schweizer Volk die schlaue 4-Säulenpolitik, die nachfolgend beschrieben wird, dann sind wir in der Lage, klimafreundlichen Strom mit einer hohen Versorgungssicherheit garantieren zu können. Werden hingegen die zwei neuen AKW abgelehnt, dann drohen mit Sicherheit Stromversorgungsengpässe.

Schlaue Energiepolitik fusst auf 4 Säulen - Die Traumkombination Erneuerbare + Grosskraftwerke + Effizienzmassnahmen + Stromaussenpolitik ist auszuspielen Investitionen in Grosskraftwerke, Erneuerbare und vor allem in Effizienztechnologien bilden eine erfolgreiche Paarung, wo am meisten Profit herausschaut. Eine wirtschaftliche Produktion damit der Strompreis tief bleibt, bildet dabei eine wichtige Grundlage. Um die Qualität sowie die stetige Verfügbarkeit des Stroms zu garantieren, müssen den schwankend anfallenden erneuerbaren Energien auch Kernkraftwerke als Grundlastproduzenten und Speicherwerke zur Spitzenbrechung zur Seite gestellt werden.

Zusätzlich ist die Energiepolitik mit Effizienzmassnahmen zu garnieren, die als separate Säule auch für das Gewerbe interessant sind. Aussenpolitisch wird die Schweiz im Herzen Europas ein grosses Interesse daran haben, mit einem EU-Stromabkommen sich den Zugang zu den dortigen elektrischen Netzen und Potentialen zu erschliessen. Gerade diese bilateralen Verhandlungen mit der EU respektive der Jahrzehnte dauernde Netzaufbau innerhalb der EU könnten aber zu einer fast unlösbaren Aufgabe werden, weshalb die Säule der Stromaussenpolitik als wacklig zu taxieren ist.

CO2-arme Stromversorgung mit wenig Risiko

Vor diesem Hintergrund ist es logisch, dass heute alle 4 Säulen auszuschöpfen sind. Die Potentiale der Erneuerbaren sind mit der Einspeisevergütung zu fördern und mit weniger Einsprachen zügiger umzusetzen. Zusammen mit den neuen AKW, den Effizienzmassnahmen und der Stromaussenpolitik lassen sich zudem zwei Dinge hervorragend erreichen: Erstens sinkt das Risiko der Abhängigkeit vom Ausland bei der Stromproduktion markant. Eine der Lehren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise muss sein, dass die Risiken zu verteilen sind um nicht die nächste Blase zu produzieren. Ein Platzen der Energie- respektive Stromblase wäre sicher weitaus schwieriger zu meistern als die Finanzkrise. Zweitens hat die Schweiz wegen ihres hohen Anteils Erneuerbarer Energien und der Kernkraftwerke die einmalige Chance, betreffend CO2-Ausstoss pro produzierte Kilowattstunde international Massstäbe zu setzen. Der Schlüssel zu diesem Erfolgsrezept heisst Ja zu neuen AKW im Jahre 2013.

Die Abstimmung im Kanton Bern hat vor allem eines gezeigt: die Atomkraft verliert laufend an Unterstützung.

Replik an Jürg Ingold: Der Bau von Kernkraftwerken ist keine eigenständige Säule der Schweizer Energiepolitik. Vielmehr ist als eine der vier tragende Säulen der Ausbau und die Erweiterung des bestehenden Kraftwerkparks geplant. Dies beinhaltet beispielsweise auch den weiteren Ausbau der Wasserkraft. Die Kernenergie wird dazu vom Bundesrat explizit als Option bezeichnet. Was die Energieaussenpolitik betrifft: Der Bundesrat will damit die gesamte Energieversorung der Schweiz (Wärme, Mobilität, Elektrizität) international breiter abstützen bzw. diversifizieren. Das beihaltet u.a. die Zusammenarbeit mit ausgewählten Ländern auch ausserhalb der EU und dies auch im Bereich der erneuerbaren Energien (Technologietransfer, Wissenaustausch, etc.).

Zum Glück irrt Wasserfallen jr. Der Kanton Bern hat nicht JA zu einen neuen AKW gesagt, sondern lediglich dem "Grossratsbeschluss betreffend Stellungnahme des Kantons Bern zum Rahmenbewilligungsgesuch für den Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg" zugestimmt. Von einen neuen AKW sind wir glücklicherweise noch fast so weit entfernt, wie die Halbwertszeiten lang sind. Bedenklich ist, dass die Energiebarone, die Unternehmen führen, die der Allgemeinheit gehören, Unsummen für die JA-Abstimmungspropaganda eingesetzt haben. Damit haben die BKW fast 50% ihrer Besitzer im sauren Regen stehen lassen. Hier sieht man die Grenzen der direkten Demokratie.

Zu der von Wasserfallen propagierten „schlauen“ 4-Säulenstrategie gibt folgendes zu sagen:

Kernkraftwerke: Die Herstellung von atomarem Müll bleibt ein Verbrechen an der Umwelt und an nachkommenden Generationen. Zu meinen, der atomare Müll könne sicher gelagert werden, ist kurzsichtig, unverantwortlich und überheblich. Das Restrisiko ist bekanntlich das Risiko, das uns – früher oder später - den Rest geben wird.

Stromaussenpolitik: Hinter diesem öffentlich nicht definiertem Begriff versteckt sich vor allem die Absicht der Atomlobby, mit Kernkraftwerken im Ausland auf dem Buckel der Allgemeinheit Profit zu machen. Mit einer Aussenpolitik, die auch nur im Entferntesten demokratisch abgestützt ist, hat dies nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Entlarvend: Wasserfallen malt selber das Gespenst einer platzenden Energie- und Stromblase an die Wand. Hätte er die richtigen Schlüsse aus der Bankenkrise gezogen, so wüsste er, dass Blasen entstehen, weil alle Marktteilnehmer wie Lemminge aus Profitgier einander nachäffen ohne die Risiken zu verstehen oder diese wahrhaben zu wollen. „Profit heute und nach uns die Sintflut“ ist das Motto jeder Blasenbildung. Genau dies geschieht zurzeit mit der Kernenergie. In ganz Europa werden neue Kernkraftwerke gebaut ohne dass auch nur ein einziges sicheres Endlager besteht. Wollte Wasserfallen helfen, eine Energieblase zu verhindern, würde er nicht blind das unverantwortliche Tun im Ausland nachahmen, sondern dazu beitragen, das Risiko ganz zu vermeiden. Wenn es zu einer Energieblase kommt, dann nicht etwa wegen einer konsequenten Förderung von sauberer Energie, sondern wegen einem Überangebot an Atomstrom. Wasserfallen bastelt an der Stromblase. Und will uns dies noch als Erfolgsrezept verkaufen. Soviel zu plumper Rhetorik.

Soll ich Ihnen nun gratulieren? Co2-arme Stromversorgung mit wenig Risiko.Dieser Ausspruch ist neu und dazugelernt. Wenig Risiko.. was heisst das? Was bedeutet das wenige Risiko sollte es einmal eintreten? Keine Versicherung der Welt,versichert ein AKW! Warum? Kennen sie Klaus Traube? Er war Direktor Fachgebiet Kernreaktoren General Dynamics in San Diego und Kraftwerksbau Interatom. Verantwortlich für den Bau des Brutreaktors Kalkar. Prof. Dr. Klaus Traube habe ich in Ligurien kennengelernt.Er ist seit langem ein grosser Gegner der Atomindustrie. Warum? ( trotzdem bekam er das Bundesverdienstkreuz ) Ich schreibe Ihnen diese Dinge nur damit man auch darüber nachdenkt. Ich selber habe mitgeholfen Teile Lucens zu entsorgen. Fragen sie bitte nicht nach den Spätfolgen.Trotzdem akzeptieren wir einen demokratischen Entscheid! Sei es so! Aber gratulieren können wir nicht. 10 Milliarden oder mehr könnten auch anderst eingesetzt werden.(um Strom zu erzeugen ) Das was uns bleibt ist zu hoffen das nie etwas passiert! Der regionale Entscheid betrifft eigentlich weite Teile der Schweiz. Oder nicht?

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren