Der politische Reset-Knopf
Ignazio Cassis ist nicht der erste Politiker, der vom Reset-Knopf redet. So hiess es vor Jahren, die USA und Russland wollten nach einer Periode frostiger Beziehungen einen Reset versuchen. Seit Cassis Amtsantritt soll das Gleiche den stockenden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU neuen Schwung geben.
Die Metapher vom Reset-Knopf ist seither en vogue. Diverse No-Billag-Verharmloser bemühen sie, um die Kahlschlag-Initiative zu propagieren: Der Shut-down der SRG, so wollen sie glauben machen, sei in Wirklichkeit eine Betätigung des Reset-Knopfs und eröffne die wunderbare Gelegenheit, endlich einen besseren Service public zu installieren.
Metaphern sind keine in sich neutralen Ausdrucksverstärker. Das Sprachbild des Reset-Knopfs weckt die Vorstellung, kompliziert gewordene Situationen könnten ganz einfach auf Null gestellt werden. Doch das ist eine Illusion. Weder die sich blockierenden Interessen im Komplex Schweiz–EU noch gewisse Mängel der Radio- und TV-Ordnung des Landes lassen sich per Reset schlagartig löschen, sodass man unverzüglich auf einem weissen Blatt neu anfangen könnte. Nein, Politik hat es mit träger, zäher Materie zu tun. Zudem stösst sie ständig auf die Tatsache, dass sie nie alles in der Hand hat und die Wirkungen ihres Tuns oft nicht kalkulieren kann.
Wer mit dem Reset-Knopf Politik treiben will, setzt sich dem Verdacht aus, es sich zu leicht machen zu wollen. Den politischen Realitäten wird denn auch eine andere Metapher viel besser gerecht. Aus Max Webers berühmter Rede von 1919 „Politik als Beruf“ stammt der vielzitierte Satz: „Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmass zugleich.“
Damals bedeutete das Hantieren mit Bohrern übrigens noch schweisstreibende Arbeit. Der Gegensatz zum Drücken des Reset-Knopfs könnte nicht grösser sein.
Kompliziert gewordene Situationen ganz einfach auf Null stellen ist keine Illusion. Aber dann müsste wie nach 1945 alles aus Schutt und Asche wieder neu aufgebaut werden, oder wie der Brexit mühsam im Gewahrsein verhandelt werden, dass ausser den Five Eyes Rüstungs- und Finanz-Allierten niemand davon profitieren wird. Diesbezüglich glaube ich ja an Föderalismus und Elinor Ostrom, die wissenschaftlich aufgezeigt hat, dass die Menschen mit kollektivem Handeln nach klaren Regeln sowohl in lokaler Verwaltung knapper Ressourcen, als auch im globalem Ausmass in der Lage sind, komplizierte Probleme mit noch komplizierteren Lösungen zu erledigen.