Die SRG als Gefangene der Gebühren
Die auf der Grundlage des Radio- und Fernsehgesetzes erhobenen Jahresgebühren beziffern sich fürs Radio auf 169.15 und fürs Fernsehen auf 293.25 Franken, total also auf 462.40. Wir entrichten sie an die Inkassostelle Billag, die umstritten ist. Kontrovers beurteilt wird auch die bundesrätliche Absicht, sämtliche Haushalte und Betriebe zur Kasse zu bitten, unabhängig davon, ob dort ein Empfangsgerät steht oder nicht. Die Diskussion wird zusätzlich belebt durch eine geplante Volksinitiative mit dem Ziel, die Gebühren auf 200 Franken zu beschränken.
Fulminanter Medienwandel
Das alles sind Einzelaspekte, allerdings mit Brisanz. Noch brisanter und noch notwendiger ist die Frage, ob nicht endlich die Zeit gekommen wäre, Radio und Fernsehen auf eine völlig neue Finanzierungsbasis zu stellen und die steuerähnliche Gebührenpflicht aufzuheben. Wird dies gelegentlich erörtert, dann mit den Argumenten, die SRG genüge ihrem Leistungsauftrag mangelhaft, sei zu kostspielig und einem wachsenden Publikum nicht mehr attraktiv genug.
Diese Einwände sind schwerlich von der Hand zu weisen. Für den Verzicht aufs Gebührenobligatorium sprechen allerdings weitere und prinzipielle Überlegun-gen. Sie haben keine Strafaktion im Auge, sondern tragen dem fulminanten Medienwandel Rechnung.
Der Druck nivelliert die Programme
Die einst klar unterscheidbaren Finanzierungsmodelle, entweder Gebühren oder Werbung, haben sich einander mittlerweile angeglichen. Auch die gebührenbasierten Sender finanzieren sich mit Werbung und zittern deshalb vor dem Fallbeil der Einschaltquoten. Der vornehme Zweck der Gebühren, nämlich die Sicherung der Marktunabhängigkeit, ist obsolet geworden.
Damit ist die Gefahr, die als plebiszitäres Element in beiden Modell steckt, Tatsache geworden. Sowohl für die Rechtfertigung der Gebühren als auch der Werbung braucht es beim breiten Publikum beliebte Sendungen. Dieser Druck nivelliert die Qualität der Programme. Beim Vorwurf an die SRG, sie eifere kommerziellen Stationen nach, handelt es sich bloss um den nüchternen Befund, dass eingetreten ist, was von Anfang an unvermeidlich war.
Teufelskreis
Mit anderen Worten: Die Zahl der in der Schweiz empfangbaren Radio- und Fernsehsender hat die Unübersichtlichkeit erreicht. Der Kampf um die Publikumsgunst ist voll entbrannt. Die SRG muss mitziehen. Beachten lediglich noch Minderheiten ihre Angebote, verliert sie auf natürlichem Wege rasch das Gebührenprivileg. Das führt zu einer paradoxen Situation. Um die Gebühren zu legitimieren, muss die SRG ihre Programme nach kommerziellen Regeln massentauglich gestalten und genau das tun, was die Gebühren verhindern wollten. Ein Teufelskreis.
Die Gebühren stammen aus Zeiten, in denen die SRG ein Monopol besass, wenige Programme ausstrahlte und mit ihnen das Gefühl vermittelte, uns eine Heimat zu sein. Die Überweisung der Gebühren war dem Volk patriotische Pflicht. Das hat sich geändert. Die SRG als „idée suisse“ war längst Vergangenheit, als das Unternehmen die „Idee Schweiz“ zum Bestandteil seines Namens machte.
Das Ende des Protektionismus
Die vom Volk solidarisch finanzierte SRG ist ein Relikt aus gemütlichen Tagen. Seither haben Post, Spitäler, Armee und sogar die Landwirtschaft ihre Unantastbarkeit und mit ihr die protektionistische Fürsorge verloren. In der neuen Medienwelt, die ein Reservat ums andere wegfegt, müsste der Anpassungsprozess auch die SRG erfassen.
Die Medien sollen sich um ihre Finanzierung selber kümmern. Den elektronischen stehen die Werbung zur Verfügung, die Einnahmen aus den individuell tatsächlich genutzten Programmen und freiwillige Beiträge. Staatlich ausgeübter Zwang in Verbindung mit staatlich kontrollierten Aufträgen ist anachronistisch und hebelt das Recht auf unabhängige Medien aus.
Ohne Gebühren gibt es kein Schweizer Fernsehen. Für deutsche Sender fallen bloss Grenzkosten an, um auch den Schweizer Werbemarkt zu bedienen. Dagegen haben privat finanzierte Schweizer Sender, die auch Sendungen aus und über die Schweiz senden wollen, schlicht keine Chance.
Wohin dies führt können wir eindrücklich in Italien erleben. 3 Kanäle die von der Regierung kontrolliert sind und alle anderen Kanäle die auch vom Regierungschef betrieben werden. Geld regiert die Welt und wer das noch nicht begriffen hat im Medienzeitalter der kann auch in den anglikanischen Raum schauen wo Murdoch sein unwesen treibt. Was würde bei uns passieren. Da würden sofort die Medieninteressieren Miliardäre aufkommen und sich die TV-Kanäle sichern, damit die entsprechende politische Propaganda beginnen kann. Und die vielgepriesene Vielfalt? Es wird nur gebracht was Quote bringt. Also ade Kultur, ade Natur, ade Wissenschaft.
brillant und logisch - Hut ab! mir ist aber mulmig beim Gedanken an eine kommerzielle Informationsversorgung. wenn man sich erinnert, dass die Tamedia, damals noch unter anderem Namen, Meienberg Nicklaus, dem journalistischen Ausnahmetalent, auf Druck ihrer Inserenten lebenslängliches Schreibverbot erteilte, kann man kaum im sogenannten freien Markt die Lösung suchen. mir wär es viel lieber, wenn die SRG vollständig werbefrei wär und eine von der SRG und von Parteien unabhängige Qualitätskontrollinstanz etabliert würde, die zum Beispiel verhindern könnte, dass DRS2 eine zu gering gebildete und der deutschen Sprache nicht mächtige Moderatorin nach der anderen einstellt. und so ein überflüssiger und niveauloser Kanal wie das Schweizer Klassikradio sollte nicht von der SRG betrieben werden. man könnte nämlich auch in die Gegenrichtung marschieren und sämtlichen Medien die Werbung untersagen. damit müssten alle Angebote bezahlt werden. wenn man eine technische Lösung findet, die es erlaubt, die individuelle Programmnutzung abzurechnen, könnte man allen ein tägliches, wöchentliches oder jährliches Guthaben zuteilen, das vom Staat an die genutzten Leistungserbringer überwiesen wird. das Guthaben muss so bemessen sein, dass man sich täglich umfassend informieren kann. Zerstreuungsangebote sollten immer aus dem persönlichen Sack bezahlt werden müssen. man muss meiner Meinung nach prinzipiell von der kanalorientierten Finanzierung zu einer individuellen, angebotseinheitbezogenen Abrechnung übergehen. konkret: ein einzelner Artikel, eine einzelne Sendung wird abgerechnet.
Gefässe wie International, Echo der Zeit, Kontext, Input und viele andere bilden den poitive Gegenpart zur Komplettverblödung durch SF-Unterhaltungssendungen. Diese Qualität rechtfertigt Gebühren, und die Sendungen sind zudem werbefrei. Das Problem liegt ganz klar beim Fernsehen. Zur SIcherung eines Angebots auf Französisch und Italienisch würde eine abgespeckte Version genügen, welche auf sinnleere Unterhaltung, die selbst in diesem anspruchslosen Genre noch schlechter ausfällt als bei der privaten Konkurrenz, ganz verzichtet.
Eine SRG ohne Gebührengelder ist sicher ein bestechender Ansatz. Denn jetzt ist die SRG ein sperriger Fremdkörper in der ansonsten kommerziell finanzierten Medienlandschaft der Schweiz. Nur: Allein mit Werbung ist kein auch nur annähernd gleichwertiges Angebot in der französischen und italienischen Schweiz finanzierbar. Bevor man also ans Abschaffen geht, sollte man schon auch ein paar konkrete Ideen zur Finanzierung von Angeboten in der französischen und italienischen Schweiz haben.
sehr weltfremder kommentar, finde ich.
Die Logik ist einfach aufzuschreiben. Was die totale "Freiheit" bringt, erleben wir am laufenden Band...
Es ist gefährlich, Marktregeln da zu propagieren, wo kein Markt ist, oder wo er durch private Monpole bald wieder verschwindet. Das "Staatsmonopol" wird zwar schlechtgeredet, aber das private Monopol einfach nicht erwähnt. Wenn der Markt frei ist, fressen die "neuen" Teilnehmer einander so lange bis wieder ein Monopolist auftreten kann. Der Wettbewerb ist dann nur eine Episode. Wer glaubt, in der Schweiz wäre es anders als im übrigen Europa oder in der Welt, der hängt wirklich Heimatgefühlen nach.