Don't be evil

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Don't be evil

Von Hans-Ulrich Schlumpf, 13.11.2014

Google hat in den letzten 16 Jahren die Welt grundlegend verändert. Ob zum Guten darf bezweifelt werden. Das Anlegen von Millionen von Personenprofilen erinnert fatal an die Praktiken totalitärer Staaten.

Alles begann ganz  harmlos. Als Google 1998 mit buntem Schriftzug und Suchfeld auf den Bildschirmen erschien, war Google wirklich cool. Nach wenigen Jahren Netzpraxis war es das, was man erfinden musste, um sich im Labyrinth des Webs zurechtzufinden. Wer Google brauchte, verstand sich damals gar als Pionier. "Don't be evil", der gutgläubige Leitspruch zweier kreativer Studenten, hatte sich noch nicht in den Albtraum von heute verwandelt. Erst als die unsägliche Datenmüllerei begann, schlichen sich erste Zweifel ein. Ein "Geschäftsmodell" entstand, viele andere folgten. Der vorläufige Höhepunkt ist Google Glass. Sollte sich das Tool durchsetzen, steht der Totalüberwachung der Individuen, welche die Brille tragen und denen, die diesen begegnen, nichts mehr im Wege. Per Gesichtserkennung werden auf den Google-Servern abstrakte Daten zu konkreten Bildern und zu lückenlosen Personenprofilen verknüpft werden.

Von Google bis Postfinance schnüffeln alle in unserem Privatleben

Natürlich ist Google nicht allein: Facebook, Twitter, Amazon, Bing, Päng und Zing und wie sie alle heissen mögen, folgen dem lukrativen Geschäftsmodell, - übrigens auch Apple mit etwas höheren Standards. Und darin liegt der zweite Grund zur Sorge: die Vorbildfunktion eines Unternehmens, das immer unverschämter alle ethischen Standards niederreisst. Der Darth Vader der Firma, Eric Schmidt, hat seine naiven Schützlinge ganz schön von der ursprünglichen Idee weg geführt. Schnüffeln und Daten horten, Fichen sammeln, Profile von Individuen erstellen und verkaufen wurde unter ihm zum neuen Tagesgeschäft, das die Amerikaner offenbar mit einem Schulterzucken akzeptieren. Innovation ist für sie eh ein Wort für das, was mehr und noch mehr Geld bringt. Selbst unsere biedere Postfinance will jetzt ein bisschen wie das grosse Vorbild werden und schnüffelt neuerdings in unseren privaten finanziellen Angelegenheiten herum, natürlich "völlig anonymisiert".

Die "Hysterie" der Kritiker

Unterdessen tobt ein Stellungskrieg zwischen denen, welche das Datensammeln der Geldmaschine Google und Konsorten einfach genial finden und denen, welche das Schnüffel-Monopol und die Macht von Google unerträglich erleben. Stellvertretend stehen dafür die Neue Zürcher Zeitung und der Tagesanzeiger. Während in der NZZ - wie nicht anders zu erwarten - der freie Markt gepredigt wird und Googles wirtschaftlicher Erfolg alles rechtfertigt, erschienen im TA kritische Artikel zu der Suchmaschine und anderen Organisationen, die persönliche und vertrauliche Daten anhäufen (je 4 Artikel in den vergangenen 2 Monaten).

Ein Beispiel: ein Justus Haucap (Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie) kritisiert besonders deutsche Minister und Intellektuelle und schreibt in der NZZ (17.9.14): "...unterstützt wird das Gejammer über den durch das Internet ausgelösten Strukturwandel in Medien und Handel von dem intellektuellen Geschwätz über das Ende von Freiheit und Selbstbestimmung und die Zukunft der digitalen Welt voller von amerikanischen Konzernen fremdbestimmter Menschen. Das Verhältnis von medialer Hysterie und Erregung zu sachlicher Analyse tendiert in der Öffentlichkeit in diesen Fragen gegen unendlich."

Die Sensibilität der Deutschen für Datensammler

Ist es Hysterie, wenn vor allem Deutsche es unheimlich finden und besorgt darüber sind, dass private Konzerne Fichen über jedermann erstellen, welche die Karteikästen der Stasi und der Gestapo an Akkuratesse und schnellem Zugriff bei weitem übertreffen? Und dass diese Firmen auch nicht zimperlich sind, wenn es darum geht der NSA Daten zu liefern. Es entbehrt nicht der Ironie, dass Apples brillanter Werbespot "1984" von Ridley Scott, der sich ursprünglich gegen IBM wandte, auf die cloudbesessene Firma selbst zurückfällt. "Big brother is watching you" ist unterdessen bittere Realität und in wenigen Jahren dank "freier" Marktwirtschaft, Naivität der User und fehlender Kontrolle nahezu zur Perfektion entwickelt worden. Was es heisst zum Opfer des Google- und Facebook-Denkens zu werden, schildert im übrigen eindrücklich der Roman "The Circle" von Dave Eggers (Deutsch 2014).

Da die Europäer den Amerikanern die dort fast gänzlich fehlenden Datenschutzgesetze nicht vorschreiben können, halten sie sich vernünftigerweise an den Comment und die Gesetze im eigenen Bereich. Und eine der Möglichkeiten, die Europäer (und Schweizer) haben, ist die strikte Anwendung der Datenschutz-, der Kartell- und der Gesetze über den unlauteren Wettbewerb. Das ist zwar ein Eingriff in die "freie" Marktwirtschaft - oh Schreck! -, bietet aber wenigstens einen minimalen Schutz vor dem Angriff der mächtigen Konzerne auf die Integrität der Individuen.

Googles Griff nach der Biotechnik

Die bunte Google-Welt, die in Zürich ihren europäischen Hauptsitz hat, entwickelte in den vergangenen Jahren fragwürdige Geschäftsmodelle. Man kann davon ausgehen, dass dies durch viele ehrenwerte, aber wohl auch arglose Leute geschah. Larry Page und Sergey Brin, die netten Kerle von nebenan, wussten wohl am Anfang nicht, welche Pandorabüchse sie mit ihrer Erfindung in die Welt setzen würden. Ihren Leitspruch "Don't be evil" wäre deshalb mit der Umkehrung eines Zitats aus einem altmodischen Buch zu begegnen: "Ich bin die Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft" (frei nach Mephisto in Goethes Faust). Unter dieser Perspektive ist auch die Gründung des Biotech-Unternehmens "Calico" durch Google zu sehen. Zwar versichert Larry Page, dass es sich um ein Unternehmen "mit dem Fokus auf Gesundheit, Wohlbefinden und Langlebigkeit" handle. Nach den bisherigen Erfahrungen mit Google und Konsorten ist es wohl angebracht, dieses biotechnische Unternehmen besonders genau zu beobachten.

www.Film-Schlumpf.ch

Dem Autor kann man weder auf Facebook noch auf Twitter folgen, wohl aber auf Journal21.ch

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Sachlich wäre anders. Schade, dass der Artikel höchstens als eines von zurzeit Mode gewordenen Bashing ist. Die Brillanz des Textes liegt in Schlagworten und Unkenntnis. "Dem Autor kann man weder auf Facebook noch auf Twitter folgen", aber man muss annehmen, dass dieser Autor nicht weiss, wie man Google ausweicht und hat deshalb vermutlich Angst. Ohne Google zu leben, dazu gäbe es viele Gründe und das mag man durchaus akzeptieren.

Den Artikel hätte man genau so gut mit einer andern der fragwürdigen Firmen schreiben können, sagen wir Microsoft, eine der Firmen, die Monopol- und andere Schäden verursacht hat und wegen Korruption und zahlreicher Vergehen verurteilt wurde, man kann das googeln ;-) Analog zum oben genannten Google-Verzicht würde man dem Autor nicht zutrauen, das zu wissen oder gar, dass und wie man auch hier auf Microsoft & Co. verzichten könnte, wenn man denn möchte.

Ignorant ist der Hinweis auf "Fichen" privater Konzerne und der Einwurf von "Stasi und der Gestapo". Während nebenbei noch erwähnt wird, dass diese Firmen nicht zimperlich seien, der NSA Daten zu liefern. Ja, das müssen alle Firmen in den USA, so ist das Gesetz. Diese Pflicht alleine könnte man wenn schon verwenden, um die Datensammlerei von Firmen wie FB, Google & Co. zurecht zu kritisieren. Der Artikel erweckt nicht eben das Vertrauen, dass hier das Hintergrundwissen reicht, um einen einigermassen sinnvollen Vergleich anzustellen: Einerseits einem dermassen mächtigen Geheimdienst, der alles aufsaugt, was möglich ist, und wo es kein Opt-Out gibt, absolut kein Entweichen. Und andererseits Google.

Stattdessen hätte man anstelle von "Schnüffel-Monopo" u. ä. sachlich auf mögliche volkswirtschaftliche Schäden von Monopolen hinweisen können. Statt bloss Schlagworten könnte man ferner gut über die der Macht oft inhärenten Bedrohungen schreiben. Da liesse sich Google tatsächlich einordnen. Aber auch relativieren im Vergleich zu den wirklichen Gefahren für die Demokratie ("ohne Privatsphäre keine Demokratie" bezieht sich nicht auf Google) durch die staatliche, stets gefrässigere Überwachungsmaschine und -Manie (sind kaum Schlagworte!). Dazu gehörten Beispiele zu Missbrauch, Erpressung usw. in Demokratien, wie es sie gab (auch in der CH vor 25 Jahren und vermehrt mit BÜPF, NDG ...) und zunehmend geben wird. Und im Gegensatz zu Google, wie dies immer mehr dermassen perfid ablaufen wird - teils schon abläuft -, dass Google im Vergleich wie kleine Lausbuben aussieht.

Aber das würde man dem Autor nicht wirklich zutrauen. Vielleicht müsste er doch etwas mehr googeln.

sorry, irgendwie unterbrochen... aber weiter hier:

haben, wie Wirtschaft funktioniert, in Konjunktion mit dem Staat, der dafür die Weichen stellt.

Google war und ist mein bester Freund im Internet, immer schon. Durch Google wurde und bin ich bekannt, kostenlos, und immer aktuell. Und nicht nur ich werde gefunden, auch ich finde bei Google, was ich suche. Und solange es so funktioniert, habe ich keinen einzigen Grund, Google nicht zu lieben. Ich kann Google ignorieren, oder verfluchen, aber ändern daran, dass Google existiert, und erfolgreich ist, würde ich damit nichts. Ich würde sowieso höchstens mir selber schaden.

Und so nehme ich Google, wie Google ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich ja schon fichiert wurde, als Google noch nicht mal existierte. Und ich habs trotzdem überlebt. So werde ich auch Google, oder Google mich, unbeschadet überstehen.

Erst jetzt bin ich fertig...

Zugegeben, Google ist sehr mächtig geworden, es war auch abzusehen, als Google 'public' ging. Die Finanzmärkte der Welt stürzten sich darauf, und Jeder, sicher auch ein Grossteil der Schweizer Pensionskassen, stützte sich auf Google Wertpapiere.

Aber was soll daran denn falsch sein? Wir sind alle Teil davon, unser Staat zwingt uns sogar, mit seinen Gesetzen dazu, monatlich einen Teil unseres Einkommen hinzu zu steuern, damit dem System das Geld nicht ausgeht, wir weiterhin, als Mitinhaber und Profiteure, daran partizipieren können.

Google aber ist daran nicht schuld, genausowenig wir andere grosse Unternehmen, wo wir doch alle auch daran beteiligt sind. Google versuch nur, die vielen Milliarden, die es mit seinem Börsengang erhielt, irgendwie sinnvoll, und natürlich gewinnbringend, einzusetzen. Genauso, wie wir es auch tun, wenn wir unser Geld auf die Bank bringen, um es so gut wie möglich zu verzinsen.

Schwanengesang, derer, die offenbar trotzdem nie begriffen haben, wie

Die Überwachung der Welt und jedes einzelnen hat mit unserer Lebensweise zu tun. Wir sind 24 Stunden online, können ohne Smartphone nicht einmal mehr Wasser lösen oder lieben, wollen subito Zugang zu allen Informationen, auch wenn wir diese immer weniger verarbeiten können. Dass es im Zuge unserer Manie der digitalen Vernetzung Multis gibt, die daraus Profit schlagen, ist doch nur folgerichtig in Bezug auf unsere Lebensweise. Das Auswerten von privaten Daten zur Nutzung eines uferlosen Marktes ist die Folge und der Preis für unser Verhalten. Für was werden denn all die Apps angeboten? Richtig, um uns das Leben zu erleichtern. Aber das ist nicht gratis zu haben. Was kommen wird, sind Profiler, die für jeden einzelnen Menschen, der mehr oder weniger am Trog des Konsums hängt, ein Konsum- und Kaufprofil erstellen. Es gilt das Leben eines einzelnen zu durchforsten und seine letzten Geheimnisse herauszufiltern. Das hat System: In der Hirnforschung sind Neurologen daran herauszufinden, welches Gen wie viel Wert hat und wer daran am meisten verdienen könnte (Patentschutz). Die Ausbeutung eines einzelnen wird komplettiert und wirtschaftlich bis zum letzten Atemzug ausgeschlachtet. Orwell und Huxley würden sich heute - trotz ihrer visionären Befürchtungen für die Entwicklung der Menschheit - im Grab umdrehen. Wir, die noch leben, könnten es auch anders haben: Wir könnten uns diesem Terror ein wenig verweigern, solange dies noch möglich ist. Wir könnten im Wald spazieren gehen, ohne Smartphone, und uns vom Summen der Baumwipfel berauschen lassen.

Also Bitte, liebe Kommentatoren.
Wir sollten nicht vergessen, das alles beschriebene auf freiwilliger Basis passiert. Kein einziges Individuum wird dazu genötigt, sich mit Google "abzugeben".
Diese ach so teuflische Cooperation bietet nebenbei bemerkt ein enorm großes Spektrum an kostenloser und guter Software bzw. Dienstleistungen an. Da ist es doch Ihr gutes Recht mit den anonymisierten Daten ihrer Kunden Geld zu verdienen. Wobei jeder einzelne Kunde dieser Tatsache bei der Anmeldung einwilligt. "Wer liest sich schon die Nutzerbedingungen durch!" denken Sie sich jetzt bestimmt. Tja so viel dazu.

Zweifeln Sie lieber die menschliche Vernunft an, bevor Sie nach einem Datenmonster suchen.

@issy: "Kein einziges Individuum wird dazu genötigt, sich mit Google "abzugeben"."
Wirklich?
Die Daten über das Individuum kommen ja nicht nur von ihm selbst, sondern oft über dessen Kontakte zu den Datensammlern. Hypothetisches Beispiel: das Foto ihrer Kollegin von der Geburtstagsparty, auf welchem Sie auch abgebildet sind. Schöne blaue Bluse, aber nicht wundern, wenn Sie im plötzlich vermehrt Werbung für operative Nasenkorrekturen bekommen.
... Aber ich schwarzmale ja nur ein bisschen so rum.

Tut mir leid, aber da ist Google nicht schuld wenn ein/e Kolleg/e/in ein Bild von Ihnen ins Internet stellt ;)

Da gibt es auch noch das Buch
When Google Met Wikileaks Paperback – January 1, 2014
by Julian Assange (Author)
Da steht vieles drin über die Funktion von Google als Verkleidung des US-Sicherheitsstaates.
Wer nur etwas reinschnuppern will, der kann auch mit "Eric Schmidt" in Wikipedia (E) anfangen.

SORRY zweiter Versuch

Multinationale Grosskonzerne SIND totalitär. Sie streben für sich eigentlich Weltherrschaft an. Sicher müsste man hier einen Riegel schieben. Aber wie? Staaten und Regierungen schauen machtlos zu oder profitieren gar davon. Wenig Gutes verheissend...

Verführung allenthalben.... Zukunft oder schon Gegenwart?

Achtung, kleiner Mann/ Frau! Zuerst vermitteln wir dir die Illusion du seist wichtig, deine Meinung sei gefragt. Plauderst nun fröhlich aus dem Nähkästchen, nimmst Stellung auch zu Politik usw. Ah ja, nun bist du endlich jemand. Dann sei doch so nett und sende zusätzlich auch noch deine Fotos, möglichst mit Freunden und Familie. Du ersparst uns dadurch aufwendige Recherchen. Nun wissen wir alles und so lange du spurst, passiert dir nichts. Herzlichst, die Geheimdienste. OK? Abschnitt 2:….Nun Im Namen des Volkes! Recht auf Privatsphäre ein Menschenrecht, übrigens in unseren Demokratien zwingend verankert. Die Unverletzlichkeit des Post und Fernmeldegeheimnisses: Post, Telefon, E-Mail ebenso zwingend verankert. Das Öffentlichkeitsprinzip: Einsicht in die Machenschaften des eigenen Staates auch ein Recht. Grundrechte, Verfassungen, alle beinahe schon ausgehebelt. Durch propagieren einer Illusion zweifelhafter Sicherheiten und dadurch freiwilliges Verzichten auf unsere Freiheiten. Sind wir bescheuert?….cathari

Google ist ein fleissiger Gehilfe der NWO. Wenn man das Wissen über die Menschen speichertz und mit Dronen und Killerroboter verbindet, die mithilfe der gespeicherten Informationen selbst den Abzug drücken, je nachdem ob einem die Person passt...

Die Totale Überwachung kann nur einem vollkranken Psychopaten in den Sinn kommen. Dass man Geld damit verdient ist nur eine beruhigende Begründung, um den Menschen die Angst zu nehmen, weil wir ja alle Geld mit etwas verdienen müssen. Die Wahren Gründe sind jedoch Perfide.

Tatsache ist, haben sie die Kontrolle über das Geld, dann sind wir geliefert. Es hat bereits angefangen:
http://www.handelszeitung.ch/invest/der-bitcoin-geht-unter-die-haut-697257

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