Elitäres Ritual oder populäres Forum?

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Elitäres Ritual oder populäres Forum?

Von Alex Bänninger, 31.01.2016

Der meinungsbildende Dienst der "Arena" scheidet die Geister. Verbindendes bot die Sendung vom vergangenen Freitag.

Die "Arena" verfolgt das ehrgeizige und vielleicht kaum erreichbare Ziel, mit Streitgesprächen der politischen Meinungsbildung zu dienen. Die Schwierigkeit beginnt mit der Sendezeit am späten Freitagabend.

Dialogkultur und Redeschlacht

Im entspannten Übergang von den Werktagen zum Wochenende braucht es ein ausgeprägtes staatsbürgerliches Pflichtgefühl, um sich mit einer eher trockenen Materie befassen und auf die gleichzeitig ausgestrahlte deutsche und österreichische Unterhaltung oder den heiter stimmenden Ausgang verzichten zu wollen.

Eine ruhige Politdiskussion, die behutsam entlang der Fakten so genau wie detailliert das Für und Wider einer Vorlage unter die Lupe nimmt, wäre gewiss meinungsbildend, würde jedoch ins Quotentief rasseln. Vor ihm bewahrt eine Debatte mit Gästen, die sich um Kopf und Kragen reden bis die Fetzen fliegen. Aber die Wortgewalt samt erbitterter Rechthaberei behindert die Möglichkeit des Publikums, sich sachbezogenen ein eigenes Bild zu machen.

Die "Arena" trägt einen Zielkonflikt aus. Ihr müsste so etwas wie das staatsbürgerliche Infotainment gelingen. Das war der eine Gesichtspunkt, unter dem wir uns die der Initiative gegen die Heiratsstrafe gewidmete Sendung vom vergangenen Freitag  anschauten. Das zweite Interesse galt der Frage, ob den eingeladenen Politikerinnen und Politikern überhaupt die Fähigkeit eigen ist, die Regeln der Dialogkultur mit Andersdenkenden und nicht jene der Redeschlacht gegen feindliche Deppen zu beachten.

Harter Brocken

Zu diskutieren war ein harter Brocken. Bei dem von der CVP lancierten Volksbegehren "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe", plakativ verkürzt auf "Initiative gegen Heiratsstrafe", geht es um ein steuer- und ein gesellschaftspolitisches Problem.

In der "Arena" herrschte Einigkeit, endlich die fiskalische Benachteiligung der Ehepaare abzuschaffen. Die Meinungen teilten sich hinsichtlich der richtigen Lösung. Die Befürchtung schwang mit, die Gerechtigkeit für eine Kategorie der Steuerpflichtigen schaffe Ungerechtigkeiten für andere Kategorien.

Die Kontroverse verschärfte sich, weil einige Stimmen der Initiative unterstellten, die Ehe verfassungsmässig begünstigen zu wollen, was auf eine Diskriminierung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften hinauslaufe.

Friedlicher Verlauf

Die Grenzen zwischen den steuerlichen und gesellschaftspolitischen Aspekten sind fliessend. Das erschwerte die Diskussion unvermeidlicherweise, auch wegen der Komplexität des Steuerrechts.

Vor diesem Hintergrund erstaunte der friedliche Verlauf der "Arena". Sowohl SVP-Bundesrat Ueli Maurer, der die Initiative ablehnte, als auch CVP-Nationalrat Gerhard Pfister als Befürworter glänzten mit ihrer Dossierkenntnis, blieben sachlich und gingen als aufmerksame Zuhörer fair auf Gegenargumente ein.

Zu polemische Untertönchen liessen sich SVP-Nationalrätin Verena Herzog und SP-Nationalrat Beat Jans hinreissen, passend zur materiellen und rhetorischen Schwäche ihrer Voten. Die beiden Parlamentsmitglieder sicherten als Statisten den Parteienproporz und trugen ansonsten nichts zum Erkenntnisgewinn bei.

Perfektes Duo

Lob wiederum verdiente sich Moderator Jonas Projer. Er war tadellos vorbereitet, strukturierte die Diskussion klar, hakte nötigenfalls nach und ermahnte die Themenabschweifer und Fragenumsegler höflich und effizient zur Disziplin.

Für die Meinungsbildung hätte das vom Moderator in Trab gehaltene Duo Maurer-Pfister genügt. Es vermittelte nachvollziehbare Standpunkte und bot immer wieder Momente der Aufheiterung. Das staatsbürgerliche Infotainment war spürbar nah.

Überforderung

Es könnte für die "Arena" eine Erfolgsformel sein, nur wenige Gäste aus dem Pro- und Contralager ins Studio zu bitten, aber anspruchsvoll solche, die sich auszeichnen durch Expertenwissen, eine Dialogkultur und die Eigenschaft, auch komplizierte Sachverhalte zügig auf den Punkt zu bringen.

Der Konzentration aufs Wesentliche und dem Verzicht, die "Arena"-Mitte exklusiv mit politischem Personal zu besetzen, steht das Bestreben gegenüber, das Meinungsspektrum breit abzudecken. Das ist nicht falsch, nimmt jedoch eine Überladung der Sendung und eine Überforderung der Zuschauer in Kauf.

Expertenversammlung

Zur Initiative gegen die Heiratsstrafe äusserten sich nicht weniger als zehn Personen - unter denen immerhin eine einzige Frau Platz fand -, nämlich vier Politiker im Zentrum sowie am Rand zwei weitere Politiker, zwei Fachexperten und zwei gesellschaftspolitische Exponenten.

Vervollständigt wurde die geballte Informationsladung mit erklärenden Einspielungen. Die Bälle flogen fürs Publikum verwirrend hin und her, als würden sie einem Tennismatch als Mehrfach-Doppel beiwohnen.

Gretchenfrage

Mit einem Grossaufmarsch ist die "Arena" proporzdemokratisch aus dem Schneider. Politische Schwer- und Leichtgewichte dürfen sich wenn nicht ideal, dann doch im Sinne des helvetischen Kompromisses vertreten fühlen. Das allerdings berührt eine Gretchenfrage.

Zelebriert die "Arena" ein Ritual als Grundrecht für die auf die Meinungsverbreitung pochende Elite? Oder braucht es ein Forum für das die Meinungsbildung suchende Volk? Der Service public könnte leitmotivisch die Antwort liefern. Eine Allzweck-Rundumwohlfühl-Sendung ist nicht zu haben. Den Segen eines mutigen Konzepts deutete die Sendung vom vergangenen Freitag in ihrem vitalen Kern an.

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Die Analyse von Alex Bänninger trifft voll ins Schwarze.

Zudem: Wer sich seine Informationen erst kurz vor den Abstimmungen von der "meinungsbildenden Arena" holt, ist auf verlorenem Posten.

1. Die Arena-Diskussionskultur könnte man dadurch heben, dass bei wiederholtem und bewusstem Nichtantworten auf spezifische Fragen den Schwerenötern das Mikro abgeschaltet würde.

2. Weniger Diskussionsteilnehmer erhöhen den Wert der Arena.

3. Ein direkter Google-Wiki-Fakten-Check sollte die Diskussionsteilnehmer schliesslich davon abhalten, frei erfundene Schummeleien oder faustdicke Lügen zu verbreiten. Die letzte Viertelstunde könnte so als Lügenbarometer dienen. Damit der Bürger sofort sieht, wem er vertrauen kann und wem nicht.

Ausgerechnet Beat Jans als Polemiker abzustempeln, finde ich ungerechtfertigt.
Maurer hat sich nicht glaubwürdig für die Interessen der nicht-hetero Paare ausgesprochen, vertrat nur "kollegial" und ohne Herzblut die Meinung des Bundesrates. Zumal alle wissen, dass seine Partei die Vorlage befürwortet, war ich sehr froh um den zusätzlichen, ENGAGIERTEN Gegner der Vorlage.
Ich wünschte mir noch klarere Richtigstellungen durch die Experten bei falschen Aussagen.

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