Empörung als Gesellschaftsspiel

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Empörung als Gesellschaftsspiel

Von Dieter Imboden, 05.12.2013

Der Sponsoring-Vertrag zwischen der Universität Zürich und der UBS sorgt für heftige Erregung - zu Unrecht.

Im Grunde macht diese Universität nur das, was die Politik seit Jahren vehement von den Schweizer Hochschulen fordert. Das ist zu begrüssen, nur Nachhilfeunterricht in Kommunikation hätten beide Institutionen dringend nötig.

Erregungsbereitschaft

Eines der beliebtesten Gesellschaftsspiele heisst ‚Empörung’. Mitmachen können alle: Bürgerinnen und Bürger, politische Parteien, Verbände, NGOs und natürlich die Medien. „Wirtschaft empört wegen Pisa-Test“, stand kürzlich in der Sonntagspresse, nicht etwa weil sich die Schweiz mit dem Test „fremden Richtern“ auslieferte, sondern weil die Schweiz beim Test zum Finanzwissen nicht mitmacht. Oder der Fall Gurlitt: Zuerst Empörung über Gurlitt selbst, dann über die deutschen Behörden, über eine einsame Kunsthistorikerin, später über einen Berner Galeristen und so weiter. – Und von der NSA haben wir noch nicht einmal gesprochen.

Wie im Roulette rollt die Empörung von einem Feld zum nächsten. Dabei spielt es keine Rolle, wenn sich die Fakten später anders präsentieren, besagter Galerist zum Beispiel Opfer einer vorschnell gezogenen Schlussfolgerung der Presse geworden ist. Solche Details stören höchstens die Entwicklung der Empörung, denn beim Spiel gilt der Grundsatz: Je weniger ich über etwas weiss, desto leichter die Empörung. Sich mit den Hintergründen eines Empörungs-Gegenstandes auseinander zu setzen, führt vielleicht zu Empörungspotenzstörungen, gegen die nicht einmal Viagra hilft.

Schnelligkeit scheint wichtiger als Reflexion

Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell sich Personen, kaum haben die Nachrichtenagenturen einen Zweizeiler abgesetzt, in der Öffentlichkeit zu irgend einem angeblichen Skandal zu Wort melden und wie rasch sich Unterschriftenlisten füllen. Dank des Internets werden wir bald, wie an der elektronischen Börse, unsere Namen mittels eines speziellen Programms verzögerungslos auf die Empörungsliste setzen können, in dem wir ein entsprechendes Feld ankreuzen. Zum Beispiel: ‚Ich unterschreibe alles, was von der Partei X oder der NGO Y kommt.’

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es gibt in unserer Welt durchaus Gründe zur Empörung, viel zu viele sogar. Aber ich glaube nicht, dass Stéphane Hessel mit seinem Essay „Empört Euch!“ diese schnell verpuffenden Empörungswellen gemeint hat. Wir sollten seinen Aufruf für Wichtiges und vor allem für Reflektiertes reservieren und die Empörung vor inflationärem Gebrauch schützen.

UBS und UZH: Start mit einem Geburtsfehler

Ein Empörungsfall der jüngsten Geschichte verdient als Beispiel eine nähere Betrachtung: der Kooperationsvertrag zwischen der UBS und der Universität Zürich. Er war für Empörung geradezu prädestiniert, denn er begann sein Leben mit einem kapitalen Geburtsfehler: er war geheim. Der Kampf um seine Veröffentlichung bot ideale Nahrung für die Empörung. Dass Juristen gerne Dinge geheim halten, auch wenn es gar nicht nötig wäre, ist bekannt, aber dass die Kommunikationsspezialisten mit offenen Augen in dieses Desaster gerannt sind, wundert schon.

Wie auch immer, fast wie einst bei Nixons Watergate tröpfelte (und tröpfelt immer noch) die Wahrheit über diesen Vertrag an die Öffentlichkeit, aber – im Gegensatz zu Watergate – lässt sich der grosse Skandal nicht finden. Also muss sich die Empörung an ein paar Nebensächlichkeiten weitere Nahrung suchen. Nur: Was ist denn so schlimm, wenn Mitarbeitende der UBS Zugang zu den Veranstaltungen des neuen Zentrums haben sollen? – Das kann doch nicht schaden. Auch der Einsitz der UBS in einem Beirat des neuen Instituts ist alles andere als skandalös, im Gegenteil, geradezu erwünscht. Das Departement Umweltnaturwissenschaften an der ETH hat nach seiner Gründung im Jahre 1988 alle möglichen ‚Gegner’ aus der Privatwirtschaft in seinen Beirat geholt, so wurden sie zu Partnern und wichtigen Impulsgebern für Lehre und Forschung. Und warum soll ein Auditorium nicht den Namen der Stifterin tragen dürfen? Wir müssen nicht einmal in den USA suchen, wo es von nach Geldgebern benannten Universitäten, Gebäuden und Auditorien nur so wimmelt, wir könnten auch bei der ETH Lausanne lernen. Das Rolex Learning Center ist weltweit ein Aushängeschild ersten Ranges geworden. Unsere weit geschickteren Freunde in der Romandie werden sich erstaunt die Augen reiben über die Probleme der Deutschschweizer.

Die UZH erfüllt den Auftrag der Politik

Doch vor lauter Pulverdampf wagt niemand mehr zu denken – geschweige denn laut zu sagen –, dass die UZH mit ihrer Zusammenarbeit genau das tut, was die Politik seit mehr als einem Jahrzehnt von den Hochschulen fordert, nämlich sich um sogenannte Drittmittel für die Forschung sowohl bei der öffentlichen Hand als auch – wie unsere Vorbild-Universitäten jenseits des Atlantiks – bei der Privatwirtschaft zu bemühen. Wichtig dabei ist es, dass sich die Hochschule in den zentralen Fragen, insbesondere bei den Wahlen und der Festlegung des Forschungsprogramms, absolute Souveränität behält.

Ich sehe nicht, wie diese Selbständigkeit durch den erwähnten Vertrag ernsthaft gefährdet sein könnte. Meinen die Empörten tatsächlich, eine Mitgliedschaft in einem Beirat oder der Name eines Hörsaals würden die Forscher ans Gängelband nehmen?

Forschung über Finanzwirtschaft hat Nachholbedarf

Die wissenschaftliche Forschung und die Wirtschaft sind beide wichtige Teile unserer Gesellschaft. Der Erfolg der Schweiz im 20. Jahrhundert beruht nicht zuletzt auf der guten Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und der Privatwirtschaft, angefangen bei der Land- und Forstwirtschaft über die Maschinen- und Elektroindustrie bis zur Chemie und den Life Sciences. Doch ausgerechnet in der Finanzwirtschaft, welche zu einem der wichtigsten Pfeiler der Schweizer Wirtschaft geworden ist, blieb im akademischen Bereich eine entsprechende Entwicklung aus. (Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht hier nicht um die klassischen Volks- und Betriebswissenschaften).

Im Jahre 2001 nahmen die vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten ersten 14 Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS) ihre Arbeit auf, darunter auch das von der Universität Zürich angeführte Programm Financial Valuation and Risk Management (FINRISK). In den Jahren danach ermunterten der Bundesrat, welcher die oberste Entscheidungskompetenz für die Lancierung von NFS innehat, und der damalige Staatssekretär für Bildung und Forschung, Charles Kleiber, die Schweizer Finanzunternehmen, angesichts des erwähnten strukturellen Forschungsdefizits zusammen mit den Hochschulen die Forschung im Finanzbereich weiter zu verstärken und über die geplante zwölfjährige Laufzeit des NFS FINRISK hinaus zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurde im Jahre 2005 unter Federführung der Schweizer Bankiervereinigung eine Stiftung mit dem Namen Swiss Finance Institute gegründet, an der verschiedene Schweizer Universitäten, darunter auch die UZH, beteiligt sind. Das war ein erster wichtiger Schritt zur Verbesserung der Forschung in einem für die Schweiz zentralen Gebiet, aber noch lange nicht der letzte.

Die UZH darf sich mehr Selbstbewusstsein leisten

Die Gründung der UBS Foundation setzt diesen Prozess fort und ist ausdrücklich zu begrüssen, weil sich damit die Privatwirtschaft in einen gesellschaftlichen Prozess einbringt, der allzu lange vernachlässigt worden ist. Dass der Start dazu so gründlich misslang, ist sehr bedauerlich, aber noch bedauerlicher wäre es, wenn in der Empörung darüber der Blick für den grösseren Zusammenhang verloren ginge.

Empörung und Feindbilder sind schlechte Ratgeber, ganz besonders in schwierigen Zeiten. Und die Universität Zürich dürfte sich verdientermassen wieder etwas mehr Selbstbewusstsein und Grösse leisten; letztere würde es dereinst sogar erlauben, dem geplanten Hörsaal in Sinne einer Geste der Dankbarkeit doch noch einen Namen zu geben, der an diese Initiative erinnert. Alfred Escher hat – nach historischer Empörung – schliesslich auch sein Denkmal auf dem Zürcher Bahnhofplatz erhalten.

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So lange die Empörung zum Politmarketing gehört, werden diese ferngesteuerten Empörungskampagnen wie Wellen im Meer über uns hereinbrechen. Ich gehe langsam so weit, dass hier eine echte Gefahr für die direkte Demokratie besteht, denn so lange Politiker ihre Politik von Werbeagenturen machen lassen, bleiben die echten, meist komplexen Probleme liegen und die Politik wird zu dem, was sie heute ist; Ein inkonsequent gebastelter Flickenteppich von populistischem Aktionismus mit Scheinlösungen für Scheinprobleme.

Bei allem Respekt. Es gibt einfach dermassen viele echte Skandale, da ist Empörung vollkommen angebracht.
Sie haben den Libor-, Goldpreis-, Aktienpreisbetrug und weiter Skanale vergessen, mit denen die Banken uns um unsere Renten und Ersparnisse in Billionen betrogen haben!

Die Empörung ist auch bei der Uni mehr als gegeben. Hat doch dieser Konzern bei den oben aufgezählten Billionen Betrügereien zuforderst mitgemischt!
Grundsätzlich, wenn sich eine so wichtige Universität kaufen lässt, und dies geschieht nicht nur in der Schweiz, riecht das doch sehr nach Mafia. Man versucht das "Wissen" in eine Linie zu lenken, die einem dient. Gegen die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft habe ich nichts. Aber hier geht es dann doch sehr viel weiter.

Nur ein kleines Beispiel, wenn der Bank dient, dass der Zinssatz noch tiefer fallen soll (um die Sparer besser zu enteignen – geschieht aktuell) oder weil die Bank gewisse Wetten laufen hat, "kauft" man einfach ein paar Professoren, die alle das selbe fordern. Und dann ist die Politik/ Nationalbank gezwungen dem Nachzukommen.

Möglicherweise sitzt dann der Berater der Politiker ebenfalls in der Uni und schon tut die Politik was die Firma will, auch wenn es dem Staat/ Volk nicht dient. Spielen die Professoren nicht mit, fliegen sie raus. So einfach läuft das.

Ich weiss von einer amerikanischen Uni, die sich ebenfalls kaufen ließ und dann nur noch gelehrt oder geforscht wird, was den Besitzern passt. Noch schlimmer, alles was der Konkurrenz in irgendeiner Form dienen könnte, wird unterdrückt. Der Name der Uni ist mir leider entfallen.

Kann ja sein, dass dies in diesem Fall nicht so ist. Aber ich gehe jede Wette ein, dass die Uni nicht die Hand beißt die sie füttert, so wie es Medienhäuser auch nicht tun. Und so werden wir Bürger immer von neuem betrogen.

Hier ein kleiner Input was die Uni wirklich studieren sollte: Was die Finanzwelt betrifft, sollte man Dringendst ein neues Geldsystem einführen! Denn die Zins/ Zinseszins, Giralgeld, zusammen mir einer komplett falschen Finanz und Wirtschaftsideologie, ruinieren unseren Planeten.
Schon Festgeld (es soll eine Initiative geplant sein), also die Abschaffung von Giralgeld, würde viel bewirken. Ich sage voraus, dass mit diesem Geldsystem die Schweizer Banken kurzfristig zwar schlechter dastehen, langfristig würden wir das stabilste und reichste Land werden! Mit dem Festgeld müsste man dann auch noch das Fließende Geld einführen, mit diesem könne man das ganze Steuersystem reformieren und müsste keine Steuernbelege mehr ausfüllen.

Medienzensur in den Wissenschaft (Physik). Dieser gute Vortrag sagt alles. Es isch schon bedenklich.
http://www.youtube.com/watch?v=Rd_AVIqNjb0

Genau wie Sie sagen - so würde es geschehen.
Allerdings war das nur der erste Versuch. Sobald sich die Empörung gelegt hat probiert man es warscheinlich durch die Hintertür.
Man darf nicht vergessen, sich gleich eine ganze Universität unter den Nagel zu reissen ist halt schon "bestechend". Das Projekt wird bestimmt nicht einfach fallen gelassen.

Klar kommt es so, die geben doch keinen Franken aus, wenn sie nicht mindestens 2 Franken rausholen.

Ich habe so langsam aber sicher die Faxen dicke von diesen Abzockern, Massenmördern, Lügner, Betrügern und sonstigen niederen Gesindel in den Teppichetagen. Wenn wir nicht langsam vorwärtsmachen und die Typen loswerden (mehr oder weniger friedlich), werden sie den Kampf um die Freiheit gewinnen und uns regelrecht fertig machen.
Ich meine das Wörtlich. Die würden doch nie so ein dermassen schlechtes Geldsystem installieren, wenn sie uns nicht an den Kragen wollen. Natürlich alles innerhalb der Gesetze (die die betreffenden selbst ausgearbeitet haben).
Die Libor- Bussen, die diese Betrüger bezahlen müssen, trifft die doch gar nicht, da sie das nötige Geld einfach schnell mittels Giralgeld selbst herstellen. Es ist alles ein riesiger Betrug. Ich weiss was hinter den Kulissen abläuft und ich übertreibe keineswegs.
Das Gute ist, wir sind die erste Generation die etwas ändern können, weil wir das Internet »noch« haben. Aber es muss schnell gehen. In einem Jahr ist es möglicherweise zu spät.

Hier ein aktuelles Beispiel, wie die Konzerne versuchen, die Welt in ihre Hände zu bekommen. Zum Glück ist Fidel nicht so gierig wie der Rest der Welt und fällt nicht auf diesen Betrug herein. Zumindest hoffe ich es, dass er durchhält.

http://www.welt.de/wirtschaft/article122669514/Kuba-blockiert-weltweiten...
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/12/07/kuba-blockiert-sch...

Habe es auch gerade gesehen. Muss zugeben auf den ersten Blick ist es ja ganz gut, dass Sanktionen fallen und angeblich Jobs geschaffen werden. Aber das ist auch das einzig positive an diesem Abkommen.
Staaten sind Geschichte. Konzerne die neuen Herrscher.

Die UBS soll erst mal wieder Steuern bezahlen. Davon profitiert die UZH dann auch, ohne irgendwelche Verpflichtungen einzugehen.

Und um ihr Image aufzupolieren kann die UBS statt des Sponsoring ein eigenes Forschungsinstitut gründen, analog der IBM und andern Konzernen.

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