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16. Februar 2021

Gefährliche Geister

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Gefährliche Geister

Von Pierre Simonitsch, Genf - 16.03.2014

Heute stimmen die Einwohner der Krim darüber ab, ob sie einen Anschluss an Russland oder eine grössere Autonomie innerhalb der Ukraine wünschen.

Ein Resolutionentwurf des UNO-Sicherheitrats, die alle Staaten auffordert, das „ungültige Ergebnis dieses Referendums nicht anzuerkennen“, wurde in der Nacht zum Sonntag durch das Veto Russlands blockiert. 13 der 15 Ratsmitglieder stimmten für den Text. China, üblich ein Verbündeter Russlands, enthielt sich der Stimme.

Für Russland ist diese nur mit dem Griff zur Notbremse verhinderte Entschliessung des Weltsicherheitsrats eine politische Niederlage. Zuvor hatten US-Präsident Barack Obama, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter das von Moskau organisierte Referendum auf der Krim „illegal“ genannt. Nach den Worten Burkhalters, der als Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach, müsse ein legitimes Referendum die ukrainische Verfassung respektieren. Laut ukrainischer Verfassung dürfen einzelne Gebiete keine Volksabstimmungen abhalten. Das pro-russische Parlament der Krim erklärte deshalb die Halbinsel am Dienstag formell als von der Ukraine unabhängig.

"Kein Anschlag auf unverletztliche Grenzen"

UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon geht nicht so weit, das Referendum auf der Krim völkerrechtswidrig zu nennen. Er bezeichnet die Vorgänge bloss als „besorgniserregend und ernst“ und warnte vor „hastigen Massnahmen und Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Souveränität, Einheit und territoriale Integrität der Ukraine haben könnten“.

Jede Seite versucht die Rechtslage zu ihrem Vorteil auszunutzen. Die Grundlagen des Völkerrechts sind die Charta der Vereinten Nationen und die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) von 1975. Die UNO-Charta verbürgt allgemein die territoriale Integrität aller Staaten. In der KSZE-Schlussakte heisst es: „Die Teilnehmerstaaten betrachten gegenseitig alle ihre Grenzen sowie die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich und werden deshalb jetzt und in Zukunft keinen Anschlag auf diese Grenzen verüben.“

Beispiel Kosovo

Mit diesem Satz entsprach der Westen den Wünschen der Sowjetunion und Polens, die die im Zweiten Westkrieg geschaffenen Grenzen rechtlich absichern wollten. Die von konservativen Politikern heftig kritisierte „neue Ostpolitik“ Willy Brandts fusste auf der Einsicht, dass nur die Anerkennung der nach Hitlers Angriffskrieg und Niederlage entstandenen Grenzen ein friedliches Europa schaffen könne. Dieser Frieden hielt immerhin ein Vierteljahrhundert, bis die Umwälzungen in der Sowjetunion und in Jugoslawien neue Konflikte und Begehrlichkeiten zeitigten.

Gemäss der KSZE-Schlussakte sind Grenzänderungen und die Schaffung neuer Staaten durchaus möglich, sofern sie friedlich und im Einvernehmen der betroffenen Völker stattfinden. So gingen Tschechen und Slowaken 1993 nach einer einvernehmlichen Scheidung auseinander. Die Sowjetunion war schon 1991 ohne Blutvergiessen in ihre Teilrepubliken zerfallen. Hunderttausende Todesopfer forderte hingegen die Auflösung Jugoslawiens, obwohl die jugoslawische Verfassung den Austritt einzelner Republiken aus der Föderation erlaubte. Der rechtliche Sündenfall war aber die nach einem massiven Militäreinsatz der Nato vollzogene Abtrennung Kosovos von Serbien, obzwar die Richter des Internationalen Gerichtshof in Den Haag im Juli 2010 mit zehn gegen vier Stimmen urteilten, dass die Unabhängigkeitserklärung Kosovos „nicht das internationale Recht verletzt hat“. Die Verletzung der serbischen Verfassung zählte nicht.

Starke Separatistenbewegungen

Der Streit zwischen den Juristen, ob die gewaltsame Abtrennung Kosovos von Serbien einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen hat, hat mit Blick auf die Krim neue Aktualität erlangt. Sogar die EU ist in dieser Frage uneinig. Fünf Mitglieder (Spanien, Rumänien, die Slowakei, Griechenland und Zypern) haben die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkannt. Die Gründe liegen auf der Hand. Die spanische Regierung ist mit starken Separatistenbewegungen in Katalonien und im Baskenland konfrontiert. Rumänien und die Slowakei befürchten ein Erstarken der nationalistischen Kräfte in Ungarn, die den Verlust grosser Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg rückgängig machen wollen. Auf Zypern haben türkische Truppen 1974 eine bis heute nur von Ankara anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“ geschaffen.

Wegen des Widerstands vieler Staaten gegen Separatismus schaffte es Kosovo bisher nicht in die UNO oder in die FIFA. Die russische Regierung nutzt den Fall Kosovo als Beleg für die dem Westen vorgeworfene Doppelmoral. Sie verweist auch auf die nicht vom Weltsicherheitsrat gebilligte US-Intervention im Irak, die zur faktischen Abtrennung des ölreichen Kurdistans im Norden des Landes führte.

Eindeutiger Vertragsbruch

Dass die USA im Verlauf ihrer Geschichte regelmässig in Lateinamerika und der Karibik militärisch eingriffen, ist eine Tatsache. Auch andere Mächte waren nicht zimperlich. Es bringt die Menschheit nicht weiter, frühere Schandtaten gegeneinander aufzurechnen. Moskau ist aber jetzt im Begriff, einen eindeutigen Vertragsbruch zu begehen. Im sogenannten Budapester Memorandums garantierten nämlich Russland, die USA und Grossbritannien 1994 der Ukraine, Weissrussland und Kasachstan die Sicherheit und Achtung ihrer Grenzen als Gegenleistung für den Verzicht auf die von der Sowjetunion geerbten Atomwaffen.

Ban Ki-Moon sprach von «Völkerrechtswidrigkeit» und «territorialer Integrität» ("ohne das Referendum auf der Krim völkerrechtswidrig zu nennen"). Kosovo in Serbien, wo sich die US-Militärbasis Camp Bondsteel befindet. Gibraltar in Spanien, wo die britische Royal Air Force einen Luftwaffenstützpunkt unterhält, die Islas Malvinas vor Argentinien, welche Grossbritannien als Falkland-Inseln besetzt. Zypern, das zum osmanischen Reich gehörte. Die Krim, die mindestens ab dem 18. Jahrhundert russisch war, bevor sie der Ukrainer Chruschtschow aus nicht erklärten Gründen der sowjetischen Ukraine "schenkte". Verletzte territoriale Integrität und verletztes Völkerrecht. Der Westen ist spezialisiert darauf.

Unser Aussenminister hat es sofort geschafft eine Richtigstellung seiner Aussage zur Illegalität des Krim Referndums durch das MFA of Russia (Aussenministerium Russlands) zu provozieren:

http://www.mid.ru/bdomp/brp_4.nsf/191dd15588b2321143256a7d002cfd40/db800...

Na ja, man hätte Wetten darüber abschliessen können wie lange es dauert bis unser EU-Getreuer Herr Burkhalter aus der Rolle fällt und sich (hoffentlich nur vorübergehend) einiges verscherzt.

Aber ich kann mich trotzdem nur wundern, dass sich ein Bundesrat und Aussenminister so voller Eifer, ohne sich mit unserer Neutralität aufzuhalten, von der EUUSA instrumentalisieren lässt.
Hat er denn nicht gewusst, das die Antwort vom MFA of RU mit Fakten daherkommen würde, wenn er sich nicht mal bemüht die Hintergründe einer diffamierenden Behauptung genauer zu analysieren, bevor er sie in die Welt setzt? Daran erkennt man, dass von ihm die Lügen der USA/EU kritiklos übernommen und geäussert werden, ohne das er darüber nachdenkt ob das vielleicht seinem Land schaden könnte, wenn er Russland vorlaut in fremdem Auftrag verurteilt. D.B. ist für mich als BR, Aussenminister und OSZE Vorsitzender der CH immer ein Fragezeichen gewesen, jetzt aber hat er seine Unfähigkeit gleich doppelt bewiesen!

Überhaupt ist es eine Schande wie Politeliten die ganze Mainstream Presse von EU und ebenso von der CH, inkl. Landessender sich dazu missrauchen lassen, einseitig parteiergreifend gegen Russland zu lamentieren und zu" berichten".
Es wimmelt von falschen Behauptungen und vieles wird totgeschwiegen. Daraus kann nichts Gutes werden. Das damit verdiente Geld rechtfertigt in keiner Weise dieses Verhalten.

Allerdings ist es heute nicht mehr so leicht ganze Völker mittels falscher Informationen auf einen Sündenbock einzuschwören.
Jeder der mehr wissen will kann sich übers Netz problemlos erweiterte Informationen zur Lage beschaffen. Deshalb fallen die Leserkommentare in allen grossen Zeitungen die "regierungskonform" berichten, grossmehrheitlich sehr kritisch, bis wütend und negativ gegenüber manipulativen Berichten und Kommentaren, bzw. deren Verfasser aus.
So leicht wie sich das Politiker, Wirtschaft und Presse vorgestellt hat, quatscht man heutzutage wohl keinen Krieg mehr herbei!
Hoffe ich jedenfalls.

ist die deutsche Presse auf Krawall gegen Putin gebürstet.
Es tauchen jetzt permanent die alten Kalte-Krieger-Argumentationen auf, die dem "machthungrigen Putin" Kriegstreiberei unterstellen.
Selbst bei der Sportberichterstattung ging das so weiter, die olympischen Spiele wurden nur als "Putin-Spiele" bezeichnet.

Das ist kein Selbstläufer, wo beim "Derblecken" jetzt alle mal heftig mitmachen und dann ist es wieder gut.

Hier wird gezielt gezündelt, bis es wieder einen Grund für einen Krieg gibt.
Den Amis wird es langsam wieder langweilig und das Geld geht ihnen aus!

Nein, es ist doch so, dass diese Meldung unterdrückt werden muss, damit nicht noch mehr auf die Idee kommen.

Das wäre sehr kurzsichtig und nutzlos, wenn Venedig für den Austritt votiert, lässt sich nichts mehr unterdrücken - und Interessenten mit ähnlichen Ideen warten bereits.

Im Moment ist RUS ist in erster Linie gefährlich für die Ukraine. Danach allerdings für sich selbst.
Die EU wird die Angliederung der Krim an RUS schlucken müssen.
Vielleicht auch noch die Abspaltung der Ost- und Südukraine.
RUS wird das einiges Geld kosten und RUS wird als Vertragspartner noch riskanter. Investitionen in Russland werden zu Risikokapital.
Langfristig dürften viele Staaten versuchen, sich von russischen Rohstoffen weniger abhängig zu machen.
RUS wird jedenfalls auf Dauer nichts gewinnen.

Singen wir zusammen! Va, pensiero, Gefangenenchor von Verdi! Nein? Die Nabucco…Pipeline ist ja längst gestorben. Ein gefüllter Oeltank würde ja mindestens für eine Saison reichen…. Gasheizungen möglicherweise nur vierzehn Tage. Dann halt….. Der Zar und das Mädchen… (abgeänderte Version)
Maria …..war ihr Name und lebte weit vor den Toren von Moskau in einer Hütte aus Ziegel und Beton. Kann nicht mit dir gehen, so sprach Maria, meine Liebe ist ja schon vergeben. Besser frei wie ein Vogel zu frieren als einmal ehrlich zu sein. Jetzt singen wir den Refrain… alle! Besser frei wie ein Vogel zu frieren als einmal ehrlich zu seiiiin. ...cathari

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