Ist das Kunst?

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Ist das Kunst?

Von Christoph Kuhn, 04.05.2014

Eine Frage, auf die es keine befriedigenden Antworten gibt.

Der Zufall will es, dass gegenwärtig gleich drei Ereignisse, die mit Kunst oder eben mit Nicht-Kunst zu tun haben, die Gemüter eines interessierten Publikums zu bewegen vermögen: der Hafenkran neben dem Zürcher Rathaus, ein Dokumentarfilm samt Buch, die den Bilderfälscher Wolfgang Betracchi porträtieren und ein New Yorker Kunstfälscherskandal, in die ein Schweizer Experte verwickelt ist. Die drei Ereignisse scheinen geeignet, einem das Prekäre und Fragile aufzuzeigen, das dem Begriff „Kunst“ eignet. Beim Hafenkran fällt  die Hilflosigkeit auf, die Befürworter wie Gegner erfasst, wenn sie sich als Deuter versuchen. Kunst ist, wenn gestritten wird, heisst es dann beispielsweise; oder wenn gedacht wird; oder wenn´s der Markt richtet. Fälscher Betracchi hat sich nicht damit begnügt, berühmte Gemälde zu kopieren; er hat Malstile imitiert und auf eigene Sujets angewendet. Sind das noch Fälschungen, ist das nicht Kunst so gut wie die imitierte? Und dann der Experte. Er muss es doch wissen! Ist er nicht  unser Garant für die Echtheit von Kunst? Und täuscht sich – oder uns. Erklärt Nicht-Rothko für Rothko. Aus Ueberzeugung oder wider besseres Wissen. Wenn selbst der Fachmann nicht mehr zwischen Kunst und Nicht-Kunst unterscheiden kann, wer dann? Am ehesten noch die Putzfrau, deren geflügeltes Wort nach der Finissage einer Beuys-Ausstellung in Deutschland Eingang in die Kunstrezeptionsgeschichte fand, weil es das Sein  oder Nichtsein von Kunst glasklar beschreibt. Sie soll ihren Chef gefragt haben: ist das Kunst oder kann das weg?

Wie wäre es mit ein bissel Bescheidenheit, Welt-Bildung, weltweiten humanistischen Werten, alten philosophischen Denkanstößen wie "Ewiges und Schönes", "Inhalt und Form", Volkskunst oder Goethe, Schopenhauer, Nietzsche, ... vs. Mehrwert, Zins, Eigentum, Kommertz, Individualismus vor Gemeinschaft, Exaltiertheit vor alles, Schein vor Sein, "ICH! ICH! ICH!"?
Ich glaube, so schwer ist das gar nicht, wenn es mal nicht um persönlichen Vorteil geht.

Kunst ist ein Fenster in den Himmel, in dem die Seele sich selbst erkennt.

Man macht oft den Fehler, die heutige Kunst nach ihren Pathologien zu beurteilen. So nimmt Arthur C. Danto das Ready-Made als Modell und subsumiert hegelianisch alle andere Erscheinungsformen darunter, als ob man Kunst nicht pluralistisch - z.B. als Familienähnlichkeit - verstehen könnte. Das wäre, wie wenn man in der Biologie die Definition einer Art revidieren wollte, nur weil man Albinos oder Exemplare, denen ein Bein fehlt, entdeckt hat. Auch hier kann der Experte manchmal nicht entscheiden, ob ein Exemplar noch zur Spezies gehört. Deswegen gibt er aber nicht den Art-Begriff auf.

Meine positive Antwort: Kunst ist - wie jede andere Wissenschaft auch - Diskurs, darüberhinaus Sinnlichkeit und daher Geschmackssache auch nur im evolutionären Sinne. Und wenn der Hafenkran eine Diskussion darüber auslöst, was Kunst ist, ist er vielleicht selber kein Kunstwerk, aber ein willkommener Anlass, um das ästhetische Urteilsvermögen zu schärfen: Passt dieses Ding in die Stadtmitte oder stört es das ästhetische Gesamtbild?

Es ist - al final del día - ganz einfach:

Kunst ist, was gefällt …

Und - en estos tiempos difíciles:

Kunst ist, was sich (..., gut, sehr gut, ...) verkauft.

Und das ist auch gut so. – Peor es nada ...

Manchmal ist die eigentliche Kunst die, Kunst teuer zu verkaufen.
Ein Beispiel an der Art Basel 2013: Weisses Bild, Leinwand etwa A3 hoch und darin ein kleines knallgelbes Dreieck (ca. 7 cm breite) vermutlich mit Schablone aufgepinselt. Den Künstler und Preis weiss ich nicht mehr, aber mit 25'000 Franken muss man schon rechnen, was nur mit dem Renommee des Künstlers begründet sein kann.

Aber wem‘s gefällt und und zuviel Geld hat, von mir aus. Habe auch Bilder gemalt, bin gerne bereit sie für einen unanständigen Fantasiebetrag loszuwerden, man muss den Reichen schliesslich helfen, dass sie ihre Kohle loswerden.

Was den Kran betrifft halte ich ihn eher für ein befristetes Denkmal.

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