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16. Februar 2021

Jenseits des Mainstreams: "PhotoKlassik"

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Jenseits des Mainstreams: "PhotoKlassik"

Von Stephan Wehowsky, 19.02.2013

Seit September 2012 gibt es eine neue Fotozeitschrift, die viermal im Jahr erscheint: "PhotoKlassik". Sie widmet sich ausschliesslich der analogen Fotografie, also der Fotografie mit Film.

In Zeiten, in denen Zeitschriften eher vom Markt genommen als neu auf den Markt gebracht werden, wirkt dieses Unternehmen erstaunlich. Aber es zeigt, wie lebendig die analoge Fotografie nach wie vor ist und mit welcher Leidenschaft sie betrieben wird.

Handelt es sich um reine Nostalgie? Der Vergleich mit der Uhrenindustrie legt diesen Gedanken nahe. Sogenannte klassische Modelle mit mechanischen Werken erfreuen sich grosser Beliebtheit, obwohl sie längst nicht so genau sind wie einfache Quarzuhren. Bei der Fotografie liegt der Fall aber noch anders.

Zwar ist es richtig, dass die Digitalisierung enorme Fortschritte gebracht hat: Handlichkeit, Schnelligkeit, bessere Bildqualität, Preis-Leistungs-Verhältnis. Man kann nur darüber staunen, was selbst preisgünstige Kameras heute an Bildern ermöglichen. Und im Spitzenbereich für den professionellen Gebrauch wurde eine Bildqualität erreicht, die sinnvollerweise nicht mehr zu überbieten ist.

Variantenreichtum

Aber es bleibt ein Ungenügen. Es geht einem wie in einem Warenhaus mit überwältigendem Angebot: Wenn man etwas Bestimmtes sucht, ist es nicht da. Unverkennbar handelt es sich bei den Digitalkameras um Massenprodukte, die bis ins letzte Detail auf den weltweiten Massenmarkt abgestimmt sind. So wird man bei kleineren Kameras immer wieder auf störende technische Kompromisse stossen. Oder aber man hängt sich eine voluminöse und schwere Ausrüstung um den Hals, die einen vom Fotografen in den Bediener einer Bildmaschine verwandelt.

Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass Bilder, die auf Film aufgenommen werden, anders als digitale anmuten. Die Wahl des Films beeinflusst die spätere Bildwirkung. Bis heute werden unterschiedliche Filmsorten für Farbe und Schwarzweiss hergestellt, auch wenn man sie in den landläufigen Geschäften nicht immer antrifft.

Plattformen für Leser

Dazu kommen neuartige Entwickler für Schwarzweissfilme. Diese Entwickler können Amateure jetzt auch in kleinen Mengen bei Anbietern in Deutschland und der Schweiz beziehen, und ihre Haltbarkeit ist auf bis zu vier Jahren ausgedehnt worden. Die Digitalfotografie hat auch der analogen Fotografie einen gewaltigen Schub gegeben. Zudem wurden Filme, Fotopapiere und Entwickler so abgestimmt, dass die Bilder, wenn man es möchte, stärker den heutigen Sehgewohnheiten entsprechen.

In Internetforen tauschen die Liebhaber analoger Fotografie ihre neuesten Erfahrungen mit Filmen, Papieren, Entwicklern und Verfahren aus. Das Feld ist riesig, und die Zeitschrift „Photoklassik“ muss sich keine Sorgen um Themen machen. Und sie bietet ihren Lesern Plattformen, indem sie zum Beispiel einzelnen Fotografen die Möglichkeit gibt, sich im Rahmen einer „PhotoKlassik-Aktion“ mit einem völlig neuen Schwarzweiss-Entwickler auseinanderzusetzen.

Analoge Kameras

Einen wichtigen Platz nehmen in „PhotoKlassik“ analoge Kameras ein. Es ist kaum zu glauben, dass heute noch im Mittelformat Kameras für Rollfilme hergestellt werden: Die DHW Fototechnik GmbH in Braunschweig bietet verschiedene Modelle der Rolleiflex an, ebenso gibt es verschiedene Mittelformatmodelle von Mamiya, und Hasselblad liefert ebenfalls noch ein analoges Modell. Und nicht zu vergessen: Die Firma Leica, die das digitale Zeitalter zunächst an den Rand der Insolvenz geführt hat, hat auch noch zwei analoge Kameras im Programm,die MP und die M7, der im aktuellen Heft von PhotoKlassik ein besonders gelungener Beitrag gewidmet ist.

Gerade an Leica kann man sehen, worum es bei der analogen Fotografie auch noch geht. Denn um zu überleben, hat sich Leica dem Geschmack des Massenmarktes anverwandelt. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass Leica mit Panasonic kooperiert, dorthin Objektive liefert und umgekehrt Modelle von Lumix unter dem Namen Leica in moderat variierter Form, aber deutlich erhöhtem Preis anbietet. Aber es ist Massenware: Motivprogramme, Serienbildschaltung, Video in „Full-HD-Qualität“ und so weiter.

Wer sich für analoge Fotografie entscheidet, trifft eine andere Wahl. Sie besteht in der Reduktion des Möglichen auf das Wesentliche. Und er erliegt der schwer zu deutenden, aber bis heute ungebrochenen Faszination der Ikonen von Rollei, Hasselblad oder auch von Leica.

Das Medium ist die Botschaft

Weil es sich um eine Art von Liebe handelt, wird man dieser Faszination mit Datenblättern und noch so feinen Messungen nicht auf die Spur kommen. Die Community der Enthusiasten, die sich für den Reiz des Hantierens mit den "altmodischen" Geräten und Materialien entscheidet, erlebt etwas, das man gar nicht messen kann: Werthaltigkeit. Dieses Wort wird heute in der Werbung gern für digitale Geräte und erst recht für digitale Kameras gebraucht, die etwas schwerer sind als andere, also an früher erinnern. Die Werthaltigkeit der analogen Fotografie ist aber von anderer Art.

Denn sie besteht in der Achtsamkeit im Umgang mit der Kamera und dem Material, der Genauigkeit bei der Verarbeitung und überhaupt in der Sorgfalt und der Zeit, die man sich für seine Bilder nimmt. Diese Ausprägungen der Werthaltigkeit sind für das Massenmarketing nicht attraktiv. Aber sie lassen die Community der Liebhaber der klassischen Fotografie stetig wachsen.

In den 60er Jahren machte der kanadische Philosoph und Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan auf die Tatsache aufmerksam, dass Medien ihre Nutzer tiefgreifend verändern: „Das Medium ist die Botschaft“. In der Zeitschrift „PhotoKlassik“ schwingt diese Erfahrung in neuer Bedeutung mit. Die Wiederentdeckung der analogen Fotografie als Alternative zum digitalen Sofortbild, die Sorgfalt in der Wahl und der Verarbeitung der Materialien und die Herausforderung durch Kameras, die noch den Fotografen brauchen und ihm eben nicht alles abnehmen, sind Elemente, die diesen Bildern eine spezielle Note verleihen.

Widerspruch, Euer Ehren anonymer Gast,

der Blick ist umzukehren, hinter der digitalen Kamera kann ein Knipser/Dilettant stehen, dem die Automatik-Einstellungen vieles abnehmen, nur nicht den fotografischen Blick: Man sieht nur das, was man weiß! Frei nach Goethe und bitte nicht als Plagiat abwerten. Mit diesem Wissen - vom Dilettanten bis zum Meister sind die Stoffe/Abbilder der Wirklichkeit mit dem dazu-tun des Fotografen ein Ausschnitt des Moments vom Übergang der Zukunft in die Vergangenheit dann "eingefroren". Latent enthalten die Meisterbilder mit dem erneuten dazu-tun des Betrachters im "anschauenden Denken" lt. Goethe die bekannte Wendung vom Bild, das mehr als tausend Worte sagt. Genau auf diese beiden dazu-tun kommt es an, aus der Bilderflut des Alltags - des Alltags mit Fotografie - heben sich die Bilder hervor, die mit mehr Handwerk des Meisters, seiner Kenntnisse und Fertigkeiten fotografischer Lösungen für sein Wissen stehen. Der Dilettant wird vom Stoff beherrscht- der Meister beherrscht den Stoff. Dem Dilettanten ist eine Ahndung möglich, der Meister fasst sein Wissen in ein Bild! Dieses Bild ist dann Kunst, die schwer zu machen ist. Siegfried Werner seniorTrainer und Fotograf

Ich kann diese Begeisterung für analoge Fotografie nicht nachvollziehen. Hier wird doch das Mittel zum Zweck gemacht: Analoge Technik bietet nichts als Resultat, was durch die digitale Technik nicht auch erreicht werden könnte. Und damit ist die Mittelwahl als stilistische Differenzierung anderes als etwas in der Malerei hinfällig.

Ich verstehe in dem Artikel auch nicht, warum stets auf Massenmarktkameras verwiesen wird. Die sind doch für einen derartigen am Künstlerischen orientierten Vergleich hinfällig. Zudem gibt bzw. gab es auch analoge Massenmarktkameras. Wertigkeit finden Sie auch heute. Die Hersteller, die in der analogen Zeit schon zu den führenden Produzenten gehört haben, sind es noch heute. Eine Profikamera- aber schon ein Modell für ambitionierte Amateure von Canon oder Nikon unterscheidet sich in Sachen Wertigkeit nicht von den entsprechenden Modellen, die vor 30 Jahren verkauft wurden.

Tatsache ist einfach, dass die digitale Fotografie den Handlungsspielraum für die kreative Gestaltung massiv vergrössert hat. Noch viel mehr als früher ist das Originalbild reines Rohmaterial (RAW-Format!!) das in alle Richtungen zu einem fertigen Bild gestaltet werden kann. Zudem bieten variable Empfindlichkeiten (ISO) und schnelle Reihenaufnahmen heute flexible Grundfunktionen in jeder Situation, die früher nur Profis mit mehreren Kameras in gleichzeitigem Einsatz und Zugriff auf Massenfilme mit Motor vorbehalten war.

Am Ende ist das gute Bild immer noch eine Frage der Optik: Gute Objektive, richtige Belichtung und ... die kreative Bildgestaltung. Digitale Fotografie nimmt mir das alles nicht ab. Technisch wird mir aber viel mehr ermöglicht. Wenn ich mit meiner EOS 60D unterwegs bin, dann fühle ich mich tatsächlich als "Bediener einer Bildmaschine", nämlich der geilsten Kamera, die ich in den letzten 30 Jahren bedient habe... :-)

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