(K)ein Ende der Machbarkeit?

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(K)ein Ende der Machbarkeit?

Von Klara Obermüller, 11.06.2015

Am kommenden Sonntag stimmt die Schweiz über Zulassung resp. Verbot der Präimplantationsdiagnostik ab. Überzeugende Argumente gibt es auf beiden Seiten.

Wer in der Schweiz Nein sagt zu Präimplantationsdiagnostik, Leihmutterschaft oder anderen Errungenschaften der modernen Fortpflanzungsmedizin, setzt ein Zeichen, auf Dauer verhindern wird er sie nicht. Denn wer über die nötigen Mittel verfügt, geht ins Ausland und bekommt dort, was hierzulande verboten ist. Der Trend zu immer breiterer Anwendung des Machbaren scheint unumkehrbar. Längst braucht Kinderlosigkeit oder Erbkrankheit kein Schicksal mehr zu sein. Gleichgeschlechtliche Paare können sich via Internet den Wunsch nach eigenem Nachwuchs erfüllen. Eltern kranker Kinder wird in ausländischen Laboren zu einem sog. Retterbaby verholfen. Dank PID lässt sich verhindern, dass Erbschäden an Folgegenerationen weitergegeben werden. Wir können es, also tun wir es. Was soll falsch daran sein?

Ich kenne schwule und lesbische Paare, die wunderbare Eltern sind. Ich kann das Glück einer Familie nachempfinden, die endlich ein geheiltes, ein gesundes Kind in ihrer Mitte willkommen heissen darf. Niemandem soll Verzicht gepredigt, niemandem wissentlich Leid aufgebürdet werden.

Und doch beschleicht mich ein Unbehagen, wenn ich sehe, wie immer gravierender, immer nachhaltiger in den – zugegeben, oft fehlerbehafteten – Lauf der Natur eingegriffen wird. Kinderlosigkeit, Behinderung, Gen-Defekte lassen sich überwinden, verhindern, eliminieren. Wir können es, also tun wir es. Wer es unterlässt, ist selber schuld. Ich weiss, ich habe gut reden, ich habe das Thema Fortpflanzung hinter mir. Gleichwohl sage ich Nein zur Präimplantationsdiagnostik: im Wissen, dass der Trend nicht aufzuhalten ist und ich betroffenen Familien vielleicht Unrecht tue. Ich wollte einfach ein Zeichen setzen, mehr nicht.

Wenn man dabei vielleicht Unrecht tut, sollte man kein Zeichen setzen. Wir können auch mit den modernsten Techniken sehr viel weniger ausrichten als die Gegner befürchten.

Das Betroffene die PID im Ausland machen und auch im Ausland Leihmutterschaften in "Auftrag" geben ist bekannt. Aber auch hier kann man einen Riegel schieben. Und zwar durch eine Bestrafung in der Schweiz. Das kann von einer Busse bis zu Gefängnis gehen. Es muss verhindert werden, dass das Nein zur PID, für CH-Bürger auch im Ausland gilt. Wir müssen mehr tun, als ein Zeichen zu setzen.

Da habe ich bei der Formulierung einen Fehler gemacht. Es muss verhindert werden, dass Schweizer im Ausland straffrei Leihmutterschaften und PID anwenden können. Dies kann man mit einer Busse und im gravierendsten Fall, auch mit Gefängnis tun. Schliesslich leben wir nicht in einem rechtsfreien Raum.

"In vitro", Retterbaby, Leihmutterschaft, Präimplantationsdiagnostik sind Früchte moderner Fortpflanzungsmedizin. Gleichzeitig sind sie auch Symbol und Zeitzeichen des menschlichen Grössenwahns. Machbarkeitsglauben ersetzt den wahren Glauben an "Höheres".
Man kennt eben nicht die Polarität vom Heiligen und Profanen. Wüsste man mehr davon, wär's unmöglich aus aktuellem Anlass der PID zuzustimmen. NEIN zur PID würde mich ungemein freuen.

Es geht mir wie Ihnen. Im Wissen, dass es nicht aufzuhalten ist stimme ich NEIN. Nicht ganz überzeugt, nur, Abtreibungen sind ja noch bedenklicher. Ich betrachte es jedoch als Mahnung.

Die Kleine stand vor dem Fenster, schaute hinaus in den werdenden Sommer. „Mutti auf dir sitzt eine Fliege“ rief sie hinter dem Vorhang stehend. „Mama ist beim Einkaufen, gar nicht da!“ antwortete der Vater aus der Küche. Als das Mädchen erwachsen wurde und in einem Clubhaus übernachtete, brach ein Brand aus und die einzige mögliche Rettung wäre das einschlagen der Fensterscheibe gewesen. Sie konnte aber nicht! (in vitro) Mutti zerstört man nicht! Sie war ein Retortenbaby... cathari

Bauchgefühle sind oft gute Werte. Nicht immer ist das, was Wissenschaft und Technik ermöglicht, für den Menschen verdaulich. Vor allem dann nicht, wenn zukünftige Generationen davon betroffen sein werden. Wie können wir heute beschliessen, unseren mündigen Nachfahren keine Anwort geben zu können, wer denn nun Ihre leiblichen Eltern sind oder waren?
Der Bauch gibt die Antwort.

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