Naiver geht nicht

Heiner Hug's picture

Naiver geht nicht

Von Heiner Hug, 20.04.2020

Nur einer kriecht den Taliban auf den Leim – Trump.

Der Präsident prahlt mit „seinem“ Afghanistan-Abkommen, das Ende Februar in Doha geschlossen wurde. Es braucht viel Mut, um zu glauben, die radikalislamischen Terroristen wären zu einer fairen Regelung bereit.

Nach der ausländischen „Besatzung“ hätten die Taliban die „religiöse Pflicht“, eine „islamische Regierung“ zu etablieren. So hiess es jüngst auf der offiziellen Website der Taliban, die von der gewöhnlich gut informierten „Voice of America“ (VOA) zitiert wird. Es könne in Afghanistan „keinen anderen Machthaber“ geben ausser dem „legalen Emir“, heisst es weiter. Das wäre Taliban-Chef Mullah Haibatullah Akhundzada.

Zwar versuchte ein Taliban-Sprecher gegenüber der VOA die Zitate auf der eigenen Website zu relativieren. Sie würden nicht die offizielle Haltung der Bewegung repräsentieren, sagte er. Doch dass die Taliban, die 19 Jahre lang für einen islamistischen Staat gekämpft haben, sich den jetzt kurz bevorstehenden Sieg entgehen lassen, ist schwer vorstellbar.

VOA beruft sich auch auf amerikanische Geheimdienstquellen, die sagen, die Taliban hätten „nicht die Absicht“, die in Doha gegebenen Versprechen einzuhalten. Auch die jüngsten Terrorangriffe der Taliban – am Wochenende wurden in der Provinz Tacher 19 afghanische Soldaten getötet – deuten darauf hin, dass die Islamisten das Doha-Abkommen vor allem als Kapitulationspapier der USA betrachten.

Es gibt westliche Beobachter, die glauben, die Taliban würden, wenn wieder an der Macht, „pragmatischer“ werden, weil sie ausländische Hilfe benötigten. Doch man hüte sich zu glauben, am Hindukusch entstehe bald ein demokratisches Staatsgebilde mit westlichen Einflüssen.

Trump hat den Taliban den Sieg leicht gemacht. Im Wahlkampf vor vier Jahren hatte er versprochen, bis Ende 2020 die amerikanischen Truppen abzuziehen. Dieses Versprechen muss er unbedingt einhalten, um den Demokraten nicht Wahlkampfmunition zu liefern. Die Taliban wussten also: Trump ist zu jeder Konzession bereit, er will ein Abkommen um jeden Preis. Und diesen Preis bestimmten die Taliban. Die Konzessionen, die sie in Doha gemacht haben, sind fast schon lächerlich. Wenn sie einmal an der Macht sind, werden sie schnell vergessen sein.

Trump ist kein Aussenpolitiker. Er wurde von Kim Jong-un vorgeführt; er versagt in Venezuela; er schürt die Spannungen im Nahen Osten und stärkt die Hardliner in Iran; er wirft Syrien den Russen vor die Füsse; er „verkauft“ die Uno den Chinesen und den Russen; und er stösst die Europäer vor den Kopf. Er verliert rund um den Globus Freunde und Alliierte und beschädigt mühsam ausgehandelte internationale Abkommen, die zumindest ein bisschen Sicherheit garantierten. Trump fehlt jedes Gespür für internationale Angelegenheiten. Aber ein solches Gespür verlangen seine Anhänger auch gar nicht. Die meisten von ihnen wissen nicht einmal, wo Afghanistan und Syrien liegt. In den Meinungsumfragen schlägt sich seine desaströse Aussenpolitik nicht nieder.

Ähnliche Artikel

Kommentar zum letzten Satz des Artikels: die Aussenhandelsquote der USA (2015 lediglich 28%) zeigt, dass das Land einen riesigen Binnenmarkt hat. Um diesen international zu "verteidigen", brauchen die USA v.a. eines: ein übermächtiges Militär (und das haben sie). Mit einem narzistischen Kindskopf wie Trump wird internationale Politik auf ein primitiveres Niveau zurückgeführt. Mit Bomben ist sowieso kein Krieg zu gewinnen und kaum Geld zu machen, weder in Vietnam noch in Afghanistan; also lautet die Botschaft "raus, überlassen wir Verlustgeschäfte andern". Für Trump ist Politik Geschäft, sein Geschäft, period.

Kürzlich wurde auf ARTE ein eindrücklicher dreiteiliger Film über den Afghanistan Krieg gezeigt. Zu hoffen ist, dass trotz allem irgendeinmal Frieden in Afghanistan einkehrt. Die Bedenken zu den Friedensverhandlungen der USA mit den Taliban die Heiner Hug hat, teile ich jedoch auch.
Doch so wie es jetzt läuft kann es nicht weiter gehen. Auf der einen Seite die Terrorangriffe der Taliban, und auf der anderen Seite auch der Krieg der USA, seit 2001.
Im letzten Jahr, 2019 hat die US-Luftwaffe mehr Luftangriffe in Afghanistan durchgeführt als in jedem Jahr des letzten Jahrzehnts.
Bemannte und unbemannte Flugzeuge warfen 7‘423 Bomben in Afghanistan ab und überflügelten damit das bisherige Zehnjahreshoch von 7‘362 im Jahr 2018. Fast zwei Jahrzehnte nach dem Beginn des Krieges in Afghanistan wirft die US-Regierung durchschnittlich 20 Bomben pro Tag auf das Land ab. Diese Luftangriffe haben zu einer Zunahme ziviler Opfer geführt. Laut einem Bericht der UNO vom Dezember, haben amerikanische Angriffe von Januar bis Oktober 2019 579 Zivilisten das Leben gekostet und 306 wurden verwundet, das ist ein Drittel mehr als 2018.
Barack Obama ordnete Drohnenmorde wöchentlich persönlich an. Donald Trump liess dann den US-Streitkräften freie Hand solche Hinrichtungen durchzuführen. Bei diesen Attacken in Afghanistan, Pakistan, Somalia, Libyen, dem Irak und im Jemen kommen immer viele Zivilisten um, die sich in der Nähe der als Terroristen identifizierten Leute befinden. Diese Vollstreckungen von Todesurteilen ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren, ohne ein Beweisverfahren sind völkerrechtswidrig. Der Drohnenkrieg der USA wird über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein geführt. Diese Terror-Mordoperationen der USA via Ramstein werden mit dem stillen Einverständnis der deutschen christlich-sozialdemokratischen Regierung in Berlin durchgeführt.
Trotz den Kriegen, die von der USA immer wieder geführt werden, blieb dieses Land immer ein guter Kunde der Schweizer Rüstungsindustrie.
Den USA wurden im letzten Jahr von der Schweiz für 27,1 Millionen Franken Rüstungsgüter geliefert, diesem Staat, der seit über 18 Jahren in Afghanistan Krieg führt, am Krieg in Syrien und im Irak beteiligt ist und den Krieg im Jemen mit anderen Nato-Staaten logistisch unterstützt.

Brutale Analyse, aber leider "very much to the point"...

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren