Die Erfindung des : - )

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Die Erfindung des : - )

Von Eduard Kaeser, 16.09.2015

Der Witz und seine Beziehung zum Zweideutigen

Scott Fahlman, ein amerikanischer Informatikwissenschafter, erfand 1982 eines der ersten Emoticons, das Smiley : - ) .

Zeichen für einen Scherz

Er erzählt: „.. es gab in den USA nur ein sehr primitives Internet, in dem mehrere Universitäten und Forschungseinrichtungen verbunden waren. Wir Wissenschaftler konnten miteinander kommunizieren und diskutieren. Aber wenn einer mal einen Scherz oder einen sarkastischen Kommentar machte, wurde er häufig falsch verstanden und manchmal kam es sogar zu einem ernsten Streit deswegen. Aus diesem Grund haben wir nach einem Zeichen für einen Scherz gesucht. Ein Kollege schlug das Sternchen vor, aber das ist ja kein besonders komisches Zeichen. Eines Tages sprang mir die Kombination :-) geradezu ins Gesicht und ich teilte sie in einer E-Mail meinen Kollegen mit. Das hat zehn Minuten gedauert und ich dachte, es amüsiert vielleicht meine Kollegen, aber mehr nicht.“

Neue Medien - neue Art von Humor?

Fahlman sollte sich gründlich täuschen. In den Social Media hat sich der symbolische Verkehr via Zeichensatz von Kürzeln inzwischen eingebürgert. Eine stille Landnahme unserer Kommunikation durch die Sprache der Emoticons und Emojis ist im Gang. Linguisten wie Tyler Schnoebelen von der Stanford University sehen in ihnen Vehikel der Vereinfachung: „Sie machen die persönliche Kommunikation eindeutiger und beugen Missverständnissen vor, indem sie zum Beispiel Unhöflichkeiten auffangen. Emojis funktionieren da, wo Worte an ihre Grenzen stossen.“

Deshalb sehen manche Autoren, etwa William Davis im amerikanischen Magazin „The Atlantic“, sogar das „Ende der Sprache“ gekommen. Es beginne damit, „die Leute dazu anzuhalten, sich nicht über unordentliche Ansammlungen von verschwommen definierten Wörtern auszudrücken, sondern über klare, formale Symbole – Emoticons oder Emojis zum Beispiel. Wenn wir über Emojis miteinander sprechen, sprechen wir eine Sprache, die Computer verstehen.“

Das ist selbstverständlich völlig überzogen. Klar definierte Symbole und Sprachregelungen sind hilfreich in formalen Systemen, und sie waren es schon vor dem Computer. Aber wir Menschen lassen unser symbolisches Verhalten nie auf diese Weise regulieren. Auch wenn man uns solche Regulierungen aufoktroyieren möchte, so sperren wir uns dagegen mit eigenwilligem, vieldeutigem, kreativem, subversivem – mit einem Wort: witzigem Symbolgebrauch. Uneindeutigkeit ist die eminent humane Dimension der Sprache – und im Besonderen die Tiefendimension des Witzes.

„..und das ist lustig“

Emoticons erinnern einen an jene Leute, die einen Witz erzählen und am Ende kommentieren „.. und das ist lustig“. Man könnte mutmassen, dass es die spezifische Kurzform der Online-Kommunikation ist, welche symbolische Kürzel nötig macht. Und in diesem Sinne wären Emoticons typisch für elektronische Medien. Aber Humor gibt es auch im Gebrauch der Emoticons und Emojis. Er ist medienunabhängig - und bekanntlich eine zweischneidige Sache. Er macht andere lachen, weist aber auch zurück auf den, der andere lachen macht – oder eben: lachen machen möchte. Das klappt nicht immer. Und das Schlimmste, was man in einem solchen Fall anstellen kann, ist der Meta-Witz: Das, was ich sage, ist witzig. Kurz gesagt, riskiert der Witzemarkierer, den Witz, den er markiert, zu entschärfen. Er verrät auf diese Weise zweierlei.

Erstens die eigene Unfähigkeit, Sprache so zu verwenden, dass Humor und Ironie aus den Sätzen sprechen, nicht aus dem Kommentar. Echter Humor zeigt sich implizit, in der Kunst der sprachlichen Fassung. Er muss nicht erst auf sich hinweisen: Schaut, das ist Humor! Zweitens unterstellt der Witzemarkierer auch dem andern eine Unfähigkeit. Er traut ihm nicht zu, den Witz selber als Witz zu erkennen, weshalb er ihn explizit macht. Der Witz aber lebt vom Unausdrücklichen, Uneindeutigen, vom Nichtgemeinten des Worts. Das macht ihn nicht zuletzt explosiv. Tucholsky leicht abgeändert: Das Gegenteil von lustig ist lustig gemeint. Versteht sich von selbst, dass ich jetzt kein : - ) anfüge.

Zu viele Zeitgenossen sind auch bei einem perfekt formulierten Witz nicht in der Lage, Satire zu erkennen. Für diese Leserschaft ist es unabdingbar, einen Smiley anzufügen :O

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