Piccards fliegende Botschaft
«Unser Ziel ist nicht, die Luftfahrt zu revolutionieren. Solar Impulse ist mehr als ein neues Flugzeug: Es ist eine Demonstration, eine Botschaft,» betont Bertrand Piccard. Deshalb geht es bei diesem Flug um die Welt nicht um Geschwindigkeit und findet das Experiment auch nicht nonstop, sondern innert fünf Monaten mit zwölf Zwischenhalten statt. Sei es Muscat oder Mandalay, Nanjing, Hawaii oder Phoenix – an allen Stationen finden Veranstaltungen und Promitreffen statt, damit die Botschaft auch global wahrgenommen wird: Die Welt ist in Gefahr, und nur intelligente neue clean technologies werden sie vor dem Untergang bewahren. Dies soll aber nicht nach dem Muster der Grünen und anderer Ideologen über Verzicht und weniger Konsum erfolgen, sondern indem wir anders und intelligenter konsumieren.
Von der Ballonfahrt zum Solarflug
Die Idee, ohne einen Tropfen fossilen Brennstoff die Welt zu umrunden, kam Piccard 1999 während der Rekord-Ballonfahrt rund um den Globus. Von den 4,3 Tonnen Propangas, welche Brian Jones und Piccard für den Betrieb der Brenner mitgenommen hatten, blieben in den Tanks bloss noch 44 Kilogramm übrig. Der kleinste meteorologische Zwischenfall, die leiseste Verzögerung, und der Weltrekord wäre auch diesmal gescheitert. Sollte es möglich sein, rein mit Solarenergie erneut eine Reise um die Welt zu meistern, wäre dies ein Zeichen zur Abkehr von nicht-erneuerbaren Energien.

Diese Idee liess den dritten Spross der «Pioniere ohne Grenzen»* nicht mehr los. Zusammen mit der EPFL in Lausanne liess Piccard eine Machbarkeitsstudie ausarbeiten. In der Folge fand er zusammen mit dem Ingenieur und Militärpiloten André Borschberg und gründete sein Unternehmen Solar Impulse SA. Über zwölf Jahre dauerte die Realisierung dieser Idee, die anfänglich noch völlig utopisch erschien.
Zukunftsweisende Technologien
Im neuen Solarflugzeug stecken entsprechend zahlreiche Neuentwicklungen, die dem Solar Impulse 2 (Si2) grosse Stabilität bei minimalem Gewicht garantieren. Die Karbonfaser-Technik wurde weiterentwickelt, die über 17'000 Solarzellen effizienter gemacht, die Lithium-Ionen-Batterien optimiert, neue Gleichstrommotoren auf 94% Wirkungsgrad gesteigert, leichtere Klebetechniken und neuartiger Isolationsschaum entwickelt usw.
Dies ermöglicht es dem Solarflieger, Tag und Nacht und theoretisch unbeschränkt lange in der Luft zu bleiben. Der Schwachpunkt ist nicht mehr das Fluggerät, sondern der einzige Pilot an Bord, der nicht jahrelang dort oben bleiben kann.
Bereits klopfen Automobilhersteller an, um Patente zu erwerben und die neuen Errungenschaften auf den Fahrzeugbau zu übertragen.
Teamgeist und Esoterik
Die beiden Alphatiere Piccard und Borschberg ergänzen sich in geradezu idealer Weise: Borschberg, der Techniker, Flugzeugkonstrukteur und Geschäftsmann, Piccard, der Promi und unverwüstliche Optimist, das Zugpferd und der Garant mit familientraditionellem Nimbus. Piccard selber sagt von diesem Gespann, dass hier eben 1 + 1 = 3 bedeute. Bertrand Piccard, der im Unterschied zu seinen Vorfahren – Grossvater Auguste, der in höchste Höhen, Vater Jacques, der in tiefste Tiefen vordrang – keinen technischen Beruf wählte, studierte Medizin und lies sich zum Psychiater ausbilden. «Ich erforsche das Innerste im Menschen,» ist sein Slogan.

Dabei faszinierten ihn schon früh Fragen der Hypnose und der Meditation. Jahrelang besuchte Piccard Kurse des guru-ähnlichen Esoterikers Georges I. Gurdjieff. Bei einem Aufenthalt in China, wo er Akupunkturmethoden studierte, fand er in einem Trödlerladen ein Medaillon mit chinesischen Schriftzeichen. Der Händler erklärte ihm die Bedeutung: «Weht der Wind in dieselbe Richtung, in der dein Weg führt, bringt er dir Glück.» Trotz der eher banalen Aussage interpretiert Piccard den Fund als Zeichen des Schicksals und trägt den Talisman auf grossen Abenteuern jeweils bei sich.
Günstige Winde nötig
Auf gute Winde wird er auch diesmal angewiesen sein. Damit HB–SIB zügig vorwärts kommt, braucht der Flieger möglichst starken gleichmässigen Rückenwind. Das komplexe Zusammenspiel von Passat- und Monsunwinden nahe am Äquator führt dazu, dass die Winde im Halbjahresrhythmus drehen. Deshalb muss der Solarflug, soll er in der West-Ost-Richtung erfolgen, jetzt, im Frühjahr und Frühsommer stattfinden. Andernfalls könnte es sein, dass das Solarflugzeug im Gegenwind zeitweise rückwärts fliegt, selbst wenn die Motoren es vorwärts antreiben.
Der Starttag 1. März dürfte aber noch einem anderen Grund haben: Der 1. März ist Piccards Geburtstag – heuer der 57. Bereits 1999, beim dritten Versuch, im Ballon die Welt zu umrunden, startete er an einem 1. März. Damals mit Erfolg. Das hat sich als gutes Omen erwiesen. Und Piccard glaubt an solche Fügungen. Das ist Piccards spirituelle Seite, welche ihm seine Mutter beigebracht hat. Sie war es, die den oft abwesenden Vater auf nicht-technische und nicht-materielle Werte im Leben sensibilisiert hat.
*) Susanne Dieminger / Roland Jeanneret: PICCARD – Pioniere ohne Grenzen, Weltbild-Verlag (ISBN 978-3-03812-517-4)
Fotos aus dem erwähnten Buch.
... ich habe in meinem Kommentar aus einem Automatismus die Breitling als Fliegeruhr erwähnt und dann festgestellt, dass der Sponsor bei Solar Impulse Omega ist. Beides sind natürlich Schweizer Spitzenprodukte. Aber auch Tissot, Schwarz-Etienne, Swatch, Rolex, IWC etc.
Danke.
Die ganze Geschichte ist ein lustiger, über 150 Millionen Franken teurer PR-Gag. Ein Gag, den ich Bertrand Piccard von Herzen gönnen mag. Er ist in erster Linie Sohn einer bekannten Familie und in zweiter Linie ein begnadeter Menschenfänger. Als studierter Psychiater ist es für ihn ein Leichtes, seine Jüngerschaft zu rekrutieren. Er nennt es natürlich, CRM-konform, "Team". Als Team-Leiter spielt sich der gelernte Hypnotiseur dauernd als Pilot auf, obwohl seine Flugerfahrung mit motorgetriebenen Flugzeugen äusserst minim ist. Aber dafür hat der ehemalige Drachenflieger den sympathischen Waadtländer André Borschberg ins Team-Boot geholt. Dieser verfügt als erfahrener, richtiger Militärpilot und als Ingenieur über das fliegerische Handwerk und das technische Wissen, diese zerbrechliche Kiste um die Erde zu fliegen. Piccard löst ihn nur zwischendurch ab, damit Borschberg sich ausruhen kann.
Ich habe 1986, kurz vor dem Weltumrundungsflug des amerikanischen Voyagers, mit seinem Konstrukteur Burt Rutan in dessen Cockpit in der Mojave-Wüste gesessen und über die Gefahren eines solchen Abenteuers gesprochen. Auch sein Flugzeug war zerbrechlich und hatte eine winzige Kabine. Schon beim Start verloren sie ein kleines Flügelstück (Winglet). Es waren vor allem fliegerische Aspekte (Wetter, technische Ausfälle, Motorenschaden etc) welche ihnen Kopfzerbrechen verursachten. Und ob der Treibstoff ausreichte, um die Erde nonstop zu umfliegen. Nun, sie schafften es.
Beim Breitling Solar Impulse wird über viele Etappen und bei entsprechend guter Wetterlage geflogen. Anders wäre es gar nicht möglich. Bei dieser leichten und filigranen Konstruktion reicht es aber immer noch, nervös zu bleiben. Ich würde damit bestimmt nicht fliegen wollen. Speziell die Pazifik-Strecke, welche ich persönlich schon viele hundert Mal geflogen bin (auf relativ komfortablen 10`000 Metern und 1000 km/h) kann durchaus ein Challenge für Borschbergs/Piccards Flugzeug werden. Sie verfügen über keinerlei Pazifikerfahrung und müssen sich deshalb auf Erfahrungen anderer stützen. Das kann funktionieren.
Ich wünsche den beiden auf jeden Fall viel Glück. Sie werden es hoffentlich nicht brauchen. Auch wenn ihr PR-Auftritt bis ins letzte Detail geprobt ist; fliegen müssen die Pioniere ganz alleine. Die Technik mag sie ein bisschen unterstützen; aber das Fliegen nimmt sie ihnen nicht ab.
Übrigens; dass ein Solarflugzeug dereinst Passagiere befördern soll, haben sich die Leute um Bertrand Piccard mittlerweile auch offiziell abgeschminkt. Was ein zusätzlicher Beweis dafür ist, dass das ganze Projekt nur ein Ziel haben kann. Und dazu kann ich nur sagen: Breitling baut exzellente Fliegeruhren! Ein Jammer, wenn eine japanische Billig-Uhr damit Werbung machen würde.
Ich werde versuchen, mit dem Solar Impulse Team in der Luft Kontakt aufzunehmen. Ich werde die Welt zu dieser Zeit auch umrunden. Vielleicht kann Herr Jeanneret mir die Frequenzen übermitteln. Normalerweise hören wir auf 121.500 MHz und auf 123.45 MHz mit. Falls die beiden Hilfe oder ein Plauderstündchen haben möchten...kann langweilig sein in einer kleinen Kabine.
Ach ja: Ihr Ziel sei es, ohne einen Tropfen fossilen Brennstoff die Welt zu umrunden. Nur um den Solar Impulse mit dem Fracht-Jumbo um die halbe Welt zu fliegen, wurden pro Flugstunde etwa 10`000 Liter Kerosin verpufft... Von der zehnjährigen Entwicklung und dem Bau des Kunststoff-Flugzeug sprechen wir noch gar nicht. Ökologie sieht natürlich anders aus. Also müssen sie leider auch das grüne Mäntelchen über Bord werfen...
Aber, und das ist meines Erachtens das Wichtigste: Hier wird Schweizer Innovation und "think outside the box" auf höchstem Niveau gezeigt. Dafür steht die Schweiz und dafür haben sie den ersten Preis verdient!
Dass es einmal mehr (Alinghi) die Suisse Romande ist, macht mich als halb Waadtländer und halb Bündner besonders stolz.
Danke dem Team!!
Et merci, grazia fetg Bertrand!
Gruss aus Korea.
Es ist zweifellos eine besondere Ingenieursleistung, auf diese Weise um den Globus zu fliegen.
Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass es in den Köpfen der Menschheit die beabsichtigte Wirkung in genügender Intensität haben wird.
Was wir wirklich brauchen, ist eine sehr viel bessere Batterietechnologie, damit der Betrieb von Elektro-Autos günstiger und praktikabler wird.
Wenn hier ein genialer Durchbruch erfolgt, sind innert wenigen Jahren sämtliche PKWs auf Elektrizität umgestellt, mit riesigen Folgen für den Ölmarkt und die Umwelt.