Putin – der Pokerspieler

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Putin – der Pokerspieler

Von Reinhard Meier, 20.08.2014

Präsident Putin agiert im Machtkampf um die Ukraine im Stil eines Pokerspielers. Er kalkuliert auch die Risiken.

Gerade wegen dieses Kalküls müssen ihm die möglichen Kosten eines verlängerten Einsatzes verdeutlicht werden. Die Chance besteht, dass ihn das nicht unbeeindruckt lässt.

Kein russisches Roulette

Denn Putin spielt bei der alle Welt verblüffenden Annexion der Krim und der anhaltenden militärisch-politisch-propagandistischen Einmischung in der Ostukraine kein russisches Roulette. Hätte er sich je auf ein derart waghalsig-unberechenbares  Abenteuer eingelassen, wäre er nicht schon seit 14  Jahren  oberster Machthaber in Moskau (mit und ohne Präsidententitel) – und mit der  reellen Aussicht, diese Position noch weitere zehn Jahre verfassungskonform zu besetzen.

Putin handelt in der Ukraine-Krise nach bisherigen Indizien auch nicht wie ein langfristig und systematisch kalkulierender Schachspieler, sondern eher wie ein gewiefter Pokerspieler.  Dieser ist zwar zu hohen Einsätzen bereit, lässt aber die damit verbundenen Risiken nicht aus den Augen und verfügt über die nötige Selbstbeherrschung, sich mit einem begrenzten Gewinn zu begnügen, anstatt sein Blatt noch weiter auszureizen.

„Hybride Kriegsführung“

Im Nato-Jargon hat man für das, was Putin in der Ostukraine nun schon monatelang betreibt, den Begriff „hybride Kriegsführung“  kreiert.  Das heisst, der Kreml zieht alle möglichen Register um die separatistische Bewegung in dieser Region am Köcheln zu halten,  diese waffenmässig, personell, finanziell  und propagandistisch zu unterstützen,  unter Umständen auch mit  Einsatz eines Hilfskonvois von 280 schneeweiss umgespritzten Lastwagen - aber  ohne direkte militärische Aggression von russischem Territorium aus.  Damit soll die Destabilisierung der ohnehin schon mit zahlreichen inneren Problemen kämpfenden Ukraine vertieft und perpetuiert werden.

Diese Art der Kriegsführung bringt es mit sich, dass der schon vom preussischen Strategen Clausewitz diagnostizierte „Nebel des Krieges“  - Ungewissheit, Unübersichtlichkeit, Unberechenbarkeit – sich besonders dick ausbreitet. Wer das mit berücksichtigt, müsste sich etwas weniger wundern, weshalb auch die Medienberichte über das, was sich in der Ostukraine abspielt, oft so widersprüchlich, unvollständig, wechselhaft und unzuverlässig bleiben. Das ist bei andern Kriegsschauplätzen, bei denen die Fronten in ständiger Bewegung sind und von allen Seiten kräftig mit Propaganda operiert wird, grundsätzlich nicht anders.  Diese Unsicherheit und Unvollständigkeit der Berichterstattung gilt selbst bei Medien, die tatsächlich während längerer Zeit eigene Korrespondenten im Kriegsgebiet haben – wie etwa der „Spiegel“ oder die „New York Times“.

Erfolgreicher Krim-Anschluss

Die Einschätzung, dass Putin und die von ihm dominierte Kremlführung im Ukraine-Konflikt nicht nach einem grossen strategischen Plan handelt, sondern überwiegend nach taktischen Gesichtspunkten, teilt auch Jens Siegert, der Leiter der Heinrich Böll-Stiftung in Moskau, der seit vielen Jahren in der russischen Hauptstadt lebt und die dortigen Entwicklungen scharf beobachtet.  „Jede Herausforderung wird angegangen, wenn sie da ist“, schreibt Siegert in seinem Blog.  Mit der schnellen Annexion der Krim reagierte Putin auf den unerwarteten Sturz und die Flucht des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, den er zuvor in letzter Minute davon abgehalten hatte, ein fertig vorliegendes Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterschreiben.

Die Besetzung und Annexion der Krim verlief aus der Sicht des Kreml  sehr erfolgreich.  Was übrigens die Vermutung nahelegt, dass entsprechende Eventualpläne schon länger in den Moskauer Schubladen lagen, aber ohne feste Vorstellungen, ob und wann diese je in die Tat umzusetzen wären.  Dieser Erfolg und die nationalistische Begeisterungswelle, die diese Anschluss-Operation in der russischen Bevölkerung auslöste,  hätten Putin und seine Kamarilla dazu verführt, ihre expansiven Manöver in der Ostukraine fortzusetzen, meint Siegert.  Ob Putin ernsthaft im Sinne hatte und immer noch daran denkt, Teile der Ostukraine nach dem Muster der Krim in aller Form zu annektieren – diese Frage lässt sich vorläufig und möglicherweise nie eindeutig beantworten. Es sei denn, es würden in Zukunft entsprechende Faits accomplis geschaffen.

Wo sind die Verbündeten?

Einiges spricht dafür, dass Putin wohl die Erwartungen überschätzt hat, die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine werde die Umtriebe separatistischer Kräfte und deren materiell-personelle Unterstützung aus dem „Mutterland“ in ebenso überwältigender Zahl begrüssen, wie auf der Krim.  Die meisten Informationen über die Stimmung der Bevölkerung deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Ostukrainer zwar unzufrieden mit der Regierung in Kiew bleibt, aber keineswegs erpicht darauf ist, wieder unter die Fittiche des Kreml und seiner zentralistischen Machtvertikale zu geraten.

Putin hatte bei seiner „hybriden“ Einmischung in der Ostukraine bestimmt auch nicht damit gerechnet, dass im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen ein Passagierflugzug eines völlig unbeteiligten Landes mit 300 Zivilisten an Bord abgeschossen werden könnte.  Der weit verbreitete Verdacht, dass dieses tragische Unglück von rücksichtslosen pro-russischen Rebellen mit von Russland gelieferten Flugabwehr-Raketen zu verantworten ist, ist zwar immer noch nicht definitiv bewiesen, verstärkt aber das Unverständnis und das Misstrauen gegenüber den expansionistischen Tendenzen der Moskauer Politik. Ein Kommentator in der sonst eher gouvernemental ausgerichteten Internetzeitung „gazeta.ru“ stellte denn auch dieser Tage die kritische Frage,  ob Russland eigentlich noch auf  eigene Verbündete in der Welt zählen könne – abgesehen von Simbabwe, Kuba, Weissrussland und Armenien.

Die Ansprüche der Ultranationalisten

Peinlich und  schädlich für Putins politische Absicherung seines „hybriden“ Engagements sind ebenso jüngste auftrumpfende Video-Äusserungen wie diejenigen von Alexander Sachartschenko, des neuen „Ministerpräsidenten“ der „Donezker Volksrepublik“ (sein Vorgänger Borodai mit russischem Pass hat sich vorsichtigerweise zurückgezogen),  aus Russland würden „bis zu 150 Stück Militärtechnik, davon bis zu 30 Panzer“ geliefert.  Ausserdem seien  1200 Mann Verstärkung versprochen worden, „die in den letzten Monaten auf dem Territorium Russlands ausgebildet wurden“. In Moskau mussten das dann am vergangenen Wochenende  mühsam – aber nicht besonders glaubhaft – dementiert werden.

Nicht wenig dürfte Putin bei seinem Poker-Kalkül  die Frage zu schaffen machen, wie er die Erwartungen der Ultranationalisten im eigenen Land im Zaum halten soll, die mehr oder weniger unverblümt nach einem direkten militärischen Einmarsch in die Ostukraine rufen, um kurzentschlossen deren Annexion in die Tat umzusetzen. Der Kremlchef hat mit seinem erfolgreichen – aber eindeutig völkerrechtswidrigen – Coup auf der Krim solche Schwärmereien selber kräftig geschürt. 

Er muss, wenn er bei seiner Rechnung zum Schluss kommt, dass die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Risiken zu hoch sind, gewärtigen, dass ihm von chauvinistischen Hitzköpfen Verrat an den „Landsleuten“ in der Ostukraine  vorgeworfen wird. Solche Herausforderungen kann Putin zwar unter Kontrolle bringen, aber er wird sie nicht einfach ignorieren können.  Autoritäre Machthaber, die auf der nationalistischen Klaviatur spielen, sind besonders dringlich darauf angewiesen, ihre Popularität beim Volk durch immer neue Erfolge abzusichern.

Eurasische Union ade?

Gerade diese letztere Aufgabe könnte für Putin in näherer Zukunft immer schwieriger zu lösen sein. Er hat zwar die Halbinsel Krim „heim ins Reich“ gebracht, doch  gleichzeitig den ukrainischen Staat (mit oder ohne Ostukraine) mit über 40 Millionen Einwohnern wohl für sehr lange Zeit von Russland weggestossen. Damit ist auch Putins Projekt einer eurasischen Union , das er als ein Gegenstück zur EU aufbauen wollte, kaum lebensfähig. Ohne die Ukraine  fehlt es diesem Gebilde noch  mehr als bisher an innerer Kohärenz und Anziehungskraft - bisherige Mitglieder sind neben Russland Kasachstan, Weissrussland und Armenien. 

Kommt hinzu, dass die vom Westen verhängten Sanktionen die lahmende russische Wirtschaftsentwicklung und die seit den Sowjetzeiten stark verbesserte Konsumgüterversorgung sehr empfindlich treffen dürften, falls sie über einen längeren Zeitraum hinweg andauern.  Auch dies kann Putin nicht gleichgültig sein.  Seine Popularität ist zwar in Russland gegenwärtig sehr breit ausgelegt, aber kaum besonders tief verankert.  Die Grossdemonstrationen gegen ihn in Moskau und St. Petersburg  vor zwei Jahren beim manipulativen Ämtertausch mit seinem Domestiken Medwedew hat er in seinem Elefantengedächtnis bestimmt sorgfältig gespeichert.

Gegendruck und Gesprächsbereitschaft

Wie soll man im Westen vor diesem komplexen Hintergrund auf die anhaltenden Herausforderungen des Ukraine-Konflikts agieren?  Das Prinzip sollte lauten: Spürbarer Gegendruck und Gesprächsbereitschaft. Die Sanktionen und die Androhung einer Verschärfung sind richtig, solange Moskau nicht bereit ist, seine hybride Intervention in der Ostukraine erkennbar und überprüfbar zu beenden. 

Wer die wirtschaftlichen Sanktionen und die Proteste in den westlichen Medien gegen die russische Einmischung in einem als souverän anerkannten Nachbarland als „Kriegstreiberei“ anprangert, muss sich fragen lassen,  wie der Westen denn sonst einigermassen glaubwürdig auf Putins Anmassung reagieren soll.  Schulterzucken, Teetrinken und business as usual?  Das wäre nicht nur eine Demonstration völkerrechtlicher Gleichgültigkeit, sondern auch ein Respektverlust gegenüber der schwachen Ukraine, den aus naheliegenden Gründen besorgten Balten und Polen und selbst gegenüber jener russischen Minderheit, die mit Putins imperialem Expansionsdrang  und neonationalistischem Getöse nicht einverstanden ist. Gerade weil Putin eher nach dem Muster eines risikoabwägenden Pokerspielers handelt und nicht im Stil eines blindwütigen Amokläufers, liegt es im allseitigen Interesse,  ihm die Konsequenzen eines verlängerten Eingriffs in der Ostukraine oder gar einer weiteren Annexion à la Krim klar vor Augen zu führen.

Merkel macht es vor

Die Merkel-Regierung in Berlin macht es vor, wie man mit Putins Russland in der gegenwärtigen Beziehungskrise umgehen soll. Berlin hat bei der Umsetzung der zunächst nur angedrohten EU-Sanktionen  eine entscheidende Rolle gespielt. Gleichzeitig telefoniert die Kanzlerin regelmässig mit dem Kremlchef, und man darf annehmen, dass sie in Sachen Ukraine-Einmischung Klartext redet, ohne den richtigen Ton zu verfehlen – nicht umsonst spricht sie auch Russisch.  Ihr Aussenminister Steinmeier lädt den russischen Aussenminister zusammen mit den ukrainischen und französischen Amtskollegen zum offenen Meinungsaustausch nach Berlin ein, bei dem mit Sicherheit auch Kompromissszenarien für eine Entschärfung des Ukraine-Konflikts diskutiert worden sind.  

Solche Szenarien müssen unbedingt auch Elemente enthalten, die es allen beteiligten Parteien ermöglicht, insbesondere vor dem eigenen Publikum das Gesicht zu wahren und nicht irgendwie in die Verliererecke abgedrängt zu werden. Die Kiewer Regierung etwa könnte sich verpflichten, den östlichen Provinzen erweiterte Autonomierechte einzuräumen.  Langfristig könnte sie für diese Gebiete sogar eine Unabhängigkeitsabstimmung in Betracht ziehen, sofern diese ähnlich korrekt und kompetent durchgeführt würde wie etwa das bevorstehende Referendum in Schottland. Gleichzeitig würde der Ukraine das Recht zugestanden, sich näher an die EU anzubinden,  müsste aber in absehbarer Frist jegliche Annäherung an die Nato ausschliessen. 

Erinnerung an die DDR-Lösung

Russland wiederum würde  sich auf die volle Respektierung der ukrainischen Souveränität und seiner Grenzen verpflichten. Die EU würde (eventuell in Absprache mit den USA)  zusammen mit Moskau einen diplomatischen Modus vivendi  ausarbeiten, um den jetzigen Status quo der Krim zu  respektieren, ohne aber die Möglichkeit einer späteren völkerrechtlichen Veränderung auszuschliessen.  Akzeptable Formeln für solche kniffligen Probleme hatten die Grossmächte ja seinerzeit auch für die de facto-Anerkennung der DDR-Existenz  gefunden – was, wie man aus der Geschichte weiss, viele Jahre später einer bessere und befriedigendere Lösung nur förderlich war.

Haben solche Entspannungsvisionen und Lösungsvorstellungen eine Chance? Unmöglich ist das nicht, wenn zumindest die gewichtigsten unter den im Ukraine-Konflikt involvierten Parteien kühle Risikoabwägung mit politischem Weitblick, diplomatischem Fingerspitzengefühl  und der Einsicht in frühere eigene Fehler verbinden würden. Das  mögen hochfliegende Hoffnungen sein – irreal sind sie nicht, wenn man davon ausgeht, dass erfahrene Pokerspieler in der Regel die Risiken ihres Handels mit im Auge behalten.  Wie wiederum die Geschichte lehrt, behalten die Pessimisten und notorischen Kassandras durchaus nicht immer das letzte Wort.

Warum ergreift man Partei?
Wieso fühlt man sich, fernab vom Geschehen, dazu getrieben Partei zu ergreifen? Für Merkel - für USA/EU - gegen Putin (und damit gegen China und die BRICS insgesamt)?
Kriege werden mit Menschenofpern für Rohstoffe, für viel Geld geführt. Es geht in jedem Fall um Macht und Geostrategie.
Die Einen wollen noch mehr davon und die Anderen wollen es sich dieses Mehr (das eben noch ihnen) gehört nicht wegnehmen lassen.

Für die Menschheit geht es dabei eigentlich um alles - aber erst mal um die Frage:
Wollen wir in einer monopolaren Welt leben, oder in einer multipolaren Welt? Sollen wir an imperialer machtpolitisch gesteuerter geistiger Inzucht, aufgebaut durch die Vormachtsstellung einer "Weltleitwährung" zugrunde gehen, oder sind wir noch Menschen, die wissen das Inzucht egal in welcher Form, ebenso Monopolismus, zu verödender Einseitigkeit und Einfältigkeit führt?

Gerade werden wieder von allen sich "engagierenden Seiten" alle Menschenrechte vor aller Augen mit Stiefeln zertreten und hier wie überall entfalten sich die verbalen Scharmützel der "Parteisoldaten".

Hier wird für grosses Geld und Macht gemordet, wie immer schon. Wir sollten doch mittlerweile fähig sein, zu erkennen, wer von diesen blutigen Auseinandersetzungen profitiert? Von genau diesen Profiteuren werden die Konflikte auch inszeniert.

Die Verluste werden von allen Bürgern auf der Wetl getragen - in Form von grossem Leid und Elend.
Davon sind wir, im Falle, dass die Agressionen durch die einseitige "geistige Mobilmachung" der Massen, in die gewünschte Richtung gehen, alle betroffen, auch diejenigen die versuchen besonnen zu sein, ebenso die, welche einfach nur ihren lieben Frieden wollen, um in Ruhe für ihre Familien sorgen zu können, zum Beispiel!
Darum geht es doch: Ein Krieg in Europa - in wessen Interessen auch immer - muss verhindert werden - einseitige Schuldzuweisungen können nicht stimmen und sind abzulehnen.
Der Schwerpunkt liegt auf Einigung und Frieden für die Bürger auf dem Kontinent Europa. Wir brauchen die Erde hier um zu leben, nicht als Landeplatz für Bomben!

Interessant: Innerhalb von 30 Minuten drei PR-Kommentare unter drei Pseudonymen. Da scheinen doch noch ein paar Trolle aus dem NZZ-Forum den Weg hierher gefunden zu haben.

Samuel B. - 21.08.2014 11:48 "propagandistischen Plattitüden triefenden Reaktionen der Putin liebenden Russentrolle"

G-Team - 21.08.2014 11:54 "Schreiber der russischen Web-Brigaden", "Verschwörungstheorie weist verdächtig in Richtung Sankt Petersburg."

Heiri - 21.08.2014 12:22 "über Web-Kommentare eh nur ein Propaganda- und Desinformationskrieg geführt wird, z.T. mit organisierten Schreibern." "der grösste Teil der Putin-Propaganda, welche die Kommentarspalten aller deutschsprachigen Medien verstopft, von einem Kreis von vielleicht 350 Personen abgesondert wird"

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die "Putinversteher" mit Argumenten fechten und deren Kritiker nichts als krude Anwürfe und Beleidigungen absondern. Das ist ziemlich kontraproduktiv, nicht zuletzt für den Artikel von Herrn Reinhard Meier, der durchaus interessante Aspekte in die Diskussion einbringt. Das könnte einem fast zu der Verschwörungstheorie verleiten, dass diese Kommentarschreiber für die russische Propaganda arbeiten ;-)

Noch eine Bemerkung zum Artikel: Putin als Pokerspieler zu beschreiben, ist eine interessante Betrachtungsweise. Doch um das ganze Spiel zu verstehen, muss man auch die anderen Spieler, die am Tisch sitzen, in die Analyse miteinbeziehen.
Anton Bärtschi - zurzeit nicht in St.Petersburg

Sie belieben zu scherzen, Herr Bärtschi. Neben einzelnen Behauptungen wie z.B. die Annektion der Krim sei keine Annektion gewesen, da eine "Volksabstimmung" stattgefunden habe (wenn auch nicht fair oder beobachtet), oder dass die Sanktionen des Westens nichts fruchteten, weil man sich jetzt in Südafrika etc. eindeckte (auch wenn Teile von Supermärkten in Moskau neuerdings leer bleiben), gibts hier fast nur Hirnverbranntes zu lesen.

Das beginnt bei der Denunziation von Reinhard Meier als Quacksalber und der Entlarvung von NZZ-Lesern als "Trolle", geht weiter zur Behautpung, die USA würden versuchen in der Ukraine einen 3. Weltkrieg anzetteln und endet in der kruden Ansicht, Herr Putin sei quasi gezwungen gewesen, in der Ukraine einzugreifen, da die Regierungen der EU und in den USA zu dumm seien.

Die FAZ hat ihre Kommentarfunktionen zu Ukrainethemen kürzlich geschlossen, so wie es viele Medienportale schon lange tun, wenn es um religiöse Themen geht. So erspart sie ihren Mitarbeitern und Lesern einen Haufen Ärger und Unsinn.

Sehr geehrter Herr Mathis,
bei der Lektüre Ihres Kommentars musste ich ungewollt dann doch etwas schmunzeln wobei er eigentlich eher zum Weinen ist. Hier nur ein paar Punkte aus Ihrem Beitrag, die aus meiner Sicht einer kultivierten Diskussion vollkommen abträglich sind. Im ersten Absatz stellen SIE Behauptungen auf, die Sie mit keiner Silbe belegen geschweige denn beweisen. Ob die Annektion nun eine war oder nicht kann ich auch nicht mit Sicherheit sagen, da sich hier sogar Völkerrechtler nicht einig sind. Ich empfehle Ihnen diesbezüglich aber ein paar Interviews mit Frau Krone-Schmalz - sehr erhellend. War die Volksabstimmung (Anführungszeichen sind hier nicht nötig da es ja eine war oder wollten Sie nur provozieren ?) nun fair ? Ich bitte Sie ! Andere demokratische Länder (USA) oder Unionen (EU) sind entweder unfähig, Zettel zu zählen bzw. haben von Zeit zu Zeit Probleme mit dem Prozentrechnen oder sie lassen eben solange abstimmen, bis das Resultat zufriedenstellend ist. Und sollte das nicht zustande kommen, wird eben ein neuer Posten ausgelobt. Also was soll dieser Schmarrn mit fair ? Ihre Behauptung allerdings, dass die Wahlen nicht überwacht bzw. von neutralen Beobachtern verfolgt wurden ist gelinde gesagt dreist, albern und wird auch bei der 1000. Wiederholung nicht wahrer. Interviews und Infos hierzu gibt es im Netz aus unterschiedlichsten Quellen zuhauf. Ich persönlich fände es bedauerlich, wenn aufgrund von Sanktionen Supermärkte in Moskau leer blieben, weil es wieder einmal die Falschen treffen würde. Aber wieso bzw. woher wissen Sie das so genau ? Es gibt zig weitere grosse Städte in Russland, oder leben Sie in Moskau und der von Ihnen frequentierte Supermarkt ist besonders betroffen ? Oder ist ganz Moskau einfach doch der Hort des Bösen und verdient demnach diese besondere Art der Behandlung ? Überhaupt meine Ich Schadenfreude und Genugtuung aus Ihren Worten herauszulesen, dass das Fehlen von Lebensmitteln in Supermärkten auf die Sanktionen zurückzuführen ist. Persönlich halte ich diese Art der Gefühlsregung (oder besser das Fehlen einer solchen) für wenig schmeichelhaft aber als jemand, der seit Jahren in einem osteuropäischem Land lebt darf ich Ihnen sagen, dass es für dieses Phänomen auch andere Gründe geben kann. Ganz ohne Sanktionen Über Ihre nachfolgende, pauschale und erneut unbegründete Diffamierung von Meinungen anderer Forumsteilnehmer breiten wir hier mal den Mantel des Schweigens. Aber die Verwendung des Begriffs Quacksalber sollten Sie (und die Person, die ihn auch verwendet hat) in Zukunft einer genaueren Prüfung unterziehen. Diesbezüglich kann man (hoffentlich) Herrn Meier sicherlich nichts vorwerfen. Allerdings muss man ihm entweder schlechte Recherche oder/und Voreingenommenheit attestieren, wenn man als Laie seine Artikel, wie von Gast1 ja auch in köstlicher Weise praktiziert mit ein paar Sätzen zerpflücken und widerlegen kann. Ich empfehle Ihnen deshalb, diesen Kommentar nochmals zu lesen, weil nur in dieser Art eine kultivierte und vor allem inhaltsreiche Diskussion geführt werden kann. Wer seinen Lesern diese Möglichkeit zur Meinungsäusserung also Kommentaren nimmt, hat offensichtlich keine Interesse an einer Diskussion. Frei nach dem Motto :"Ich brauch' Deine Meinung nicht, wenn ich mit Dir diskutiere !" Wenn ein solches Verhalten von sogenannten Qualitätsmedien wie der FAZ praktiziert wird und Sie das dann auch noch gut finden, tun Sie mir leid. Die FAZ und andere Medien haben mich fundiert zu informieren. Dafür werden sie bezahlt (oder eben auch nicht). Meine Meinung allerdings bilde ich mir selber und wenn Journalisten möchten, dass ich ihre Artikel lese, müssen sie auch die Grösse haben ,sich meiner Kritik zu stellen, wenn sie mich veralbern oder schlimmer noch desinformieren wollen.

Sehr verehrter Herr Bauer,
Sie hinterlassen mich einigermassen ratlos. Ich komme nicht dahinter, warum die Wahlen in den USA und den EU-Staaten nicht frei sein sollten, ebenso wenig, warum die Abstimmungs-Farce in den "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk ernst genommen werden sollten. Aber vielleicht wissen Sie über die EU ja auch mehr als ich, denn ich stamme weder aus Russland noch aus dem grossen Kanton sondern bin Schweizer und somit auch kein Fan von autoritären Führern. Bei uns ist es Usus, dass Stimmenzähler bei Abstimmungen und Wahlen aus verschiedenen Parteien stammen und Auszählungen beaufsichtigt werden. Glauben Sie das war in Donezk der Fall? Da gabs auch keine internationalen Wahlbeobachter, sondern nur einen Heini, der in der Sowjetunion irgendwelche Pseudo-Farcen organisiert hatte. Ich bin auch nicht sicher, ob die genug Papier hatten um Stimmzettel zu drucken, vielleicht hat man sich ja auch darauf beschränkt eine Pressemitteilung zu verfassen, mit dem angeblichen Ergebnis drauf (96 Prozent der Stimmen waren dafür, sowas glaubt in der Schweiz keiner, der sich selbst ernst nimmt). Für Putin-Verhältnisse mag das alles reichen, nicht aber für wirkliche Demokraten. Mit freundlichen Grüssen

Sehr geehrter Herr Mathis,
schön, dass Sie auf meinen Kommentar eingehen. Ich habe nicht behauptet, dass die Wahlen in der EU oder den USA nicht frei wären. Ich habe nur versucht darzulegen, dass der Begriff fair auch bei uns ein eher unzutreffendes und naives Adjektiv ist, wenn es um Wahlen geht. Ich darf Sie hierbei an die Wahl des Herrn George W. Bush erinnern (ich denke es war 2000). Googlen Sie einfach mal Wahlbetrug und USA. Was da zum Vorschein kommt ist abendfüllend und sehr unterhaltsam, selbst wenn nur die Hälfte stimmt. Desweiteren möchte ich hier als ein Beispiel von vielen das Referendum über den EU-Reformvertrag anführen. Da haben ganze Länder frei gewählt (obwohl dieses Recht anderen "Demokratien"verwehrt wurde und bis heute verwehrt wird), nur manche eben leider nicht so, wie das gewünscht/erwartet wurde. Also lässt man sie eben nochmals "frei" wählen, bis diese "rückständigen Hinterwäldler" endlich begriffen haben, wie der Hase zu laufen hat. Sehen wir mal mit neutralem Blick nach Deutschland. Da gab es nach der letzten Wahlen im Volk eine grosse Mehrheit für eine sozialdemokratischere und somit linke Politik. Also ein Paradigmenwechsel. Was wir allerdings jetzt im Bundestag bestaunen dürfen ist eine, nach langem Geschachere um Posten und Pöstchen, geradezu allmächtige Regierung der üblichen Verdächtigen, die genauso weitermacht wie bisher und eine Opposition, die nur noch in Spuren vorhanden ist und dementsprechend viel zu sagen hat. Volkes Wille ? Einfach nur zum Totlachen bzw. eher Totweinen. Nicht das Sie mich falsch verstehen. Ich will und kann mit diesen Beispielen nichts rechtfertigen, was in anderen Ländern falsch läuft. Was mich allerdings wahnsinnig macht ist dieses ewige messen mit zweierlei Mass und das daraus resultierende, arrogante und unsagbar dumme Verhalten des "Westens". Ich beneide Sie und alle Schweizer wirklich um die Möglichkeit, sich direkt in wichtige Entscheidungen einzubringen. Auch wenn das Ergebniss dann anders ausfällt, als man es selbst gerne gehabt hätte. Das wäre eine Form von Demokratie wie auch ich sie verstehen und haben möchte. Nur Ihre "demokratischen" Nachbarn scheinen davor Angst zu haben. Wie sich deren Reaktionen auf gelebte Demokratie dann anfühlen, haben Sie ja in letzter Zeit häufig genug als Land am eigenen Leib erleben dürfen (Minarettverbot, Zuwanderung etc.). Zum nächsten Punkt. Ihre Kritik bzw. Aussage bezüglich der Volksabstimmung etc. bezog sich auf die Krim. Und da waren sie schlichtweg unangebracht weil nachweislich falsch. Was nun Donezk und Luhansk angeht gebe ich Ihnen Recht. Das ist mehr als nur eine Farce. Allerdings nicht wegen der dort veranstalteten Volksabstimmungen die, wie auch ich glaube, niemand so richtig ernst nimmt, sondern weil man dort wieder einmal unschuldige und wehrlose Menschen abschlachtet. Eine an die Macht geputschte Regierung wirft mit finanzieller Hilfe von den "Guten" Bomben auf die eigene Bevölkerung und wir regen uns immer noch über eine wie auch immer abgekartete Volksabstimmung auf ? Die von Ihnen erwähnten 96% dürften heute bei einer Wiederholung dieser Abstimmung eher eine pessimistische Vorhersage sein. Was mich an Ihrem letzten Absatz stört sind die von Ihnen verwendeten Terminologien wie "Sowjetunion" oder "Putin-Verhältnisse". Die eine beschreibt etwas, das es seit langer Zeit nicht mehr gibt und die andere bringt genau die Arroganz und Überheblichkeit zum Ausdruck,die uns und allen "wirklichen Demokraten " aus den weiter oben genannten Gründen meiner Meinung nach einfach nicht zusteht.
Beste Grüsse

Lieber Herr Mathis. Im letzten Abschnitt sprechen Sie einen interessanten Punkt an.
Dass die FAZ Leserkommentare zum Ukrainekonflikt verbannt, hat vermutlich andere Gründe als das Wohl der Journalisten und Leser. Dabei die Zensur auf fiktive Putin-Trolle abzuschieben, ist meines Erachtens billig. Es gab in den Kommentarspalten sehr viele gute und differenzierte Meinungen zu lesen. Dabei wurden Fragen angesprochen, denen sich die Journalisten partout nicht stellen wollten.
Ich muss gestehen, dass ich nach einiger Zeit in FAZ, SPON, Zeit und Welt nur noch die Kommentare gelesen habe – die Artikel spielten ja immer auf der gleichen Leier, waren austauschbar und die Propaganda der einschlägigen „Logen“ zu offensichtlich.
Diese Dissonanz zwischen Redaktion und Lesern, die sich durch alle deutschen Online-Leitmedien zog, ist symptomatisch für den Wandel der Medien, der sich zurzeit vollzieht.
Peak-Journalismus wurde offensichtlich überschritten. Die Zeiten, in denen die Meinungen in den Redaktionsstuben gemacht wurden, gehen dem Ende entgegen. Die Papiermedien haben mit sinkenden Auflagen zu kämpfen und sind auf dem Rückzug, bzw. setzen auf Online-Portale. Wer will heute noch in der Zeitung lesen, was gestern passiert ist und dafür noch teures Geld bezahlen? Am Ende bleiben höchstens noch ein paar Altersheimbewohner als Konsumenten übrig.
Damit nimmt der Druck auf die Redakteure immer mehr zu. Schließlich bleibt kaum mehr die Zeit, Agenturmeldungen abzuschreiben. Journalist ist heute kein Traumberuf mehr.
Der moderne Medienkonsument will nicht nur in Echtzeit informiert werden, er möchte mit seinem Medium auch kommunizieren. Interaktion heißt das Stichwort. Und das sofort und ohne Gängelung durch Zensur. Menschen, die über die neuen sozialen Medien wie Twitter und Facebook usw. miteinander in Austausch treten, können mit Einbahnmedien nichts mehr anfangen.
Dieser Trend dürfte sich in nächster Zeit noch verstärken und auch das Fernsehen erfassen. Medienportale, die ihre Kommentarfunktion sperren, werden diese Kurzschlussreaktion nicht überleben. Blogs werden noch verstärkt zu Konkurrenten werden. Ein Beispiel ist Zerohedge, das erst 2009 gegründete Blog stellt heute punkto Besucherzahlen viele alteingesessene Wirtschaftsmedien in den Schatten. Ein deutsches Beispiel ist das Blog von Fefe, das heute zu den wichtigen deutschen Online-Medien zählt. Notabene eine Einmannshow eines IT-Spezialisten.
Ich hoffe, dass auch Journal21 zu den Überlebenden des Wandels gehören wird. Ich schätze die fundierten Analysen der „Silberrücken“ sehr, die ich noch aus längst vergangenen Zeiten in guter Erinnerung habe (u.a. „Echo der Zeit“). Man merkt, dass ihnen niemand mehr Brot abschneidet ;-)

„Hybride Kriegsführung“

...und was ist mit, nur in Stichworten: Nuland, McCain, Biden, Biden Jr.!!!, Brennen, Academy, NATO, EU, (MH17 wurde nach Obama versehentlich abgeschossen)...wie nennen Sie diese Art von Kriegsführung?

Mich stört, dass immer so getan wird, als sie die Ukraine eine quantité negligable sei, über die Russland und die EU verfügen könnten. Immerhin wird hier ihr Land angegriffen. Eine Kompromisslösung, die im Text angesprochen wird, kann nur zustande kommen, wenn sich die Russen mit allem Gerät und allen Kämpfern aus der Ostukraine zurückziehen.

Empfehle den Gastbeitrag des Charkower Schriftstellers Sherij Zhadan in der "Süddeutschen" zu lesen. Es wird deutlich, dass gewöhnliche Leute aus der Ukraine eine ebenso entschlossene, wie differzentierte Sicht auf die Ereignisse haben, die sich ein wenig von den Polemiken in den Kommentarspalten oder Welterklärungsversuchen in unseren Medien unterscheiden.

http://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-im-umbruch-nur-der-zufall-kan...

Wenn die Kommentare zu diesem Artikel etwas zeigen, dann dies: Anspruch, Kenntnisse und kritisches Denkvermögen der Journal21-Leserschaft dürften weit über jenem des durchschnittlichen NZZ-Lesers liegen. Deshalb musste der stv. NZZ-Auslandschef Reinhard Meier hier auch mit nahezu "zéro points" die Bühne verlassen.

Ein passender Untertitel zu diesem Beitrag wäre etwa gewesen "Der Ukraine-Konflikt aus Sicht der NZZ-Auslandsredaktion". Mit dieser Spezifizierung und Verortung könnte sich das Journal21 auch vor der Kritik seiner Stammleser schützen, die hier ausschliesslich sachliche Argumentationen und einen möglichst propagandafreien Raum erwarten.

Ich habe nach einem Guyer-Artikel im NZZ-Forum mal gefragt, dass es ja für Aerzte den schönen Begriff des Quacksalbers gebe, und wie so ein Mensch heisse, wenn er Journalist ist? Dieser Kommentar wurde natürlich nicht veröffentlicht.

Die zahlreiche und vor propagandistischen Plattitüden triefenden Reaktionen der Putin liebenden Russentrolle zeigt gut, wie treffgenau Reinhard Meier die Situation und das Denken dieses früheren Geheimdienstlers und jetzigen Diktators analysiert. Danke!

Mir fehlen eigentlich Ihre Gegenargumente zu den "propagandistischen Plattitüden" der "Russlandtrolle"

„Die EU würde (eventuell in Absprache mit den USA) zusammen mit Moskau einen diplomatischen Modus ausarbeiten……………“ eben gerade nicht.
Die USA ist ja der Kriegstreiber und möchte diesem Konflikt zu einem Weltkrieg zum Schaden von Europa ausweiten. Solange sich die EU nicht dem Diktat der USA entzieht, wird es in der Ukraine nicht zu Frieden kommen; ausser die USA gehen vorher Bankrott.

Das sehe ich auch so!
Ausserdem bin ich mir nicht sicher, ob die Krim wirklich annexiert wurde. Aus der westlichen Sicht vielleicht. Irgendwann wurde die Krim während der Sowjetzeit, an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik angegliedert. Vorher, also im 17ten Jahrhundert waren die Osmanen am regieren. Man könnte auch sagen, dass die DDR von der BRD annexiert worden ist. Tut aber keiner. Die Zeitlinie wird also willkürlich gezogen.
Es geht hier nur um Energie. Wie in fast allen Konflikten! Und die NATO verbündeten haben nicht mehr so viel. Den Rest kann sich ja jeder selber denken.

Wäre interessant zu erfahren, ob sich hinter Jean Nerac ein Schreiber der russischen Web-Brigaden verbirgt. Die präsentierte Verschwörungstheorie weist verdächtig in Richtung Sankt Petersburg.

Ich weiss schon, wo das Problem von Reinhard Meier ist: Er war zu lange bei der NZZ... Da ist man sich sackschwache Russland-Berichterstattung ja mittlerweile gewohnt und nimmt die nicht mehr ernst...

Was mich traurig stimmt wenn ich diesen Artikel lese, dann ist das die Erkenntnis, dass Bei Reinhard Meier immer noch dieses klassische Ost-West denken aus dem kalten Krieg vorherrscht. Inzwischen sollte jeder selbständig denkende Mensch erkannt haben, dass die Welt nicht so einfach ist. Die vermeintlich Guten stellen sich je länger je mehr als nicht so gut heraus wie man immer geglaubt hat und die vermeintlich Bösen sind gar nicht so böse wie man uns immer erzählt hat.

Im Gegensatz zu früher kann man heute jede Behauptung die in einer Zeitung steht mit ein wenig Recherche im Internet selber überprüfen. Dabei stelle ich, und viele andere auch, je länger je mehr fest dass sich die so genannten Leitmedien von den Machthaber vor den Karren spannen lassen und jede Verlautbarung von den Regierenden ohne zu hinterfragen veröffentlichen. Nur so lässt es sich erklären dass alle Nachrichtenportale am letzten Wochenende von dem angeblichen russischen Militärkonvoi der in die Ukraine eingedrungen ist und dann von der Ukrainischen Armee vernichtet wurde berichteten, ohne zu überprüfen ob diese Verlautbarungen von der Ukrainischen Regierung auch stimmen.

Dieser Artikel fasst das gut zusammen.

http://www.heise.de/tp/artikel/42/42557/1.html

Spannend ist ja das so mancher Propagandaartikel in der Presse bereits in den darunter stehenden Leserkommentaren widerlegt und mit Fakten zerzaust wird. Das hat dazu geführt, dass bei einigen Nachrichtenportalen die Komentarfunktion bei solchen Propagandaartikel von anfangen deaktiviert wird.

Die Meldung von der Militärkolonne bezieht sich wohl auf das Eindringen von 23 russischen Militärfahrzeugen in die Ukraine, welche von zwei britischen Journalisten beobachtet wurde. Diese Grenzverletzung ist belegt, nur die Vernichtung der Kolonne nicht.

Was die Kommentarfunktion auf Nachrichtenportalen angeht, so ist die ja auch absolut überflüssig, weil über Web-Kommentare eh nur ein Propaganda- und Desinformationskrieg geführt wird, z.T. mit organisierten Schreibern. Bei einer gedruckten Zeitung werden Leserbriefschreiber mit ihrer Adresse und den Abo-Daten identifiziert, während auf dem Web selbst bei Zeitungen mit Linksdrall wie Tagi oder Guardian, die Mehrzahl der Kommentare reaktionär und provokativ sind.

Im konkreten Fall gehe davon aus, dass der grösste Teil der Putin-Propaganda, welche die Kommentarspalten aller deutschsprachigen Medien verstopft, von einem Kreis von vielleicht 350 Personen abgesondert wird, die dieser Beschäftigung einen massgeblichen Teil ihrer Zeit widmen.

Beweise oder wenigstens deutliche Indizien?

Wenn Sie den verlinkten Artikel gelesen hätten würden Sie nicht schreiben, dass die Grenzverletzung der 23 Militärfahrzeuge belegt ist.

Die beiden Reporter sind die Beweise schuldig geblieben. Die Fotos die Sie auf Twitter veröffentlicht haben wurden mehrere Kilometer von der Grenze entfernt aufgenommen. So etwas kann man heute sehr rasch herausfinden, da die meisten Kameras die GPS-Koordinaten aufzeichnen und in den Metadaten der Bilder abspeichern.

http://de.wikipedia.org/wiki/Exchangeable_Image_File_Format

Für mich ist der Guardian-Korrespondent glaubwürdig, sorry. Lese seine Berichte regelmässig und mit Freude.

Im übrigen finde ich die ewige Ableugnerei von Offensichtlichem durch Putin-Trolle und Kremlpropagandisten unglaublich ermüdend. Die werden natürlich auch leugnen, dass, wie z.B. die Zeit vermeldet, die ukrainische Armee am 21.8. bei Luhansk, Ukraine, Panzerfahrzeuge von russischen Luftlandetruppen erobert hat, die in Friedenszeiten in Pskow (Nordwestrussland) stationiert sind. Es gibt dazu Fotos von nur notdürftig übermaltem Truppenabzeichen, die Fahrzeugnummer ist erkennbar, es gibt Bestückungspapiere, ja irgendein russischer Soldat hat sogar seinen Führerschein im Innern vergessen/verloren - aber dann kann man natürlich immer noch behaupten das seien alles Fakes. Und die Aufnahmen desselben Fahrzeugs, die vor ein paar Tagen an einem Bahnübergang nahe der ukranischen Grenze gemacht wurden, sind natürlich auch alles Fakes. Aufhören Freunde, es glaubt Euch eh niemand mehr, ausser ihr selbst.

Zitat: "Der weit verbreitete Verdacht, dass dieses tragische Unglück von rücksichtslosen pro-russischen Rebellen mit von Russland gelieferten Flugabwehr-Raketen zu verantworten ist, ist zwar immer noch nicht definitiv bewiesen, ..."

Immer noch nicht ? Unabhängiger Journalismus geht anders.

"aus Russland würden „bis zu 150 Stück Militärtechnik, davon bis zu 30 Panzer“ geliefert. Ausserdem seien 1200 Mann Verstärkung versprochen worden, „die in den letzten Monaten auf dem Territorium Russlands ausgebildet wurden“. In Moskau mussten das dann am vergangenen Wochenende mühsam – aber nicht besonders glaubhaft – dementiert werden."

Wie oft soll diese Presse-Lüge noch wiederholt werden?
Die BBC rudert bereits zurück:

"An earlier mistranslation of his words suggested Mr Zakharchenko had said the vehicles were on their way from Russia."
http://www.bbc.com/news/world-europe-28817347

Woher wollen Sie wissen, dass dies eine Presse-Lüge ist? Zwischen russischer Grenze und Luhansk wurden mehrfach Fahrzeugkolonnen mit russischem Militär gesichtet. Natürlich nicht von der ukrainischen Regierung sondern von westlichen Journalisten und Anwohnern. Ausserdem ist verbürgt, dass die Rebellen modernere Stalinorgeln gekriegt haben, sowie auch eines von diesen famosen Buk-Flugabwehrsystemen, dass nach dem Abschuss des malaysischen Zivilflugzeugs nach Russland verschwunden ist. Oder was denken sie, wie die Separatisten ukrainische Kampfflugzeuge abschiessen? Mit PAKs etwa? Man kann natürlich annehmen, dass Panzerfahrzeuge und Raketenartillerie im Donbass auf den Bäumen wachsen, ich glaube aber nicht daran und ich glaube auch nicht daran, dass Russland ohne Grund moderne Waffensysteme an Private verkauft oder der Armee per Zufall Raketen abhanden kommen und diese ohne das Wissen des Militärgeheimdienstes in die Ukraine gelangen.

Sehr geehrter Herr Reinhard Meier,

bis jetzt habe ich für die Plattform Journal 21 Werbung gemacht, indem ich Journal 21 verlinkt habe und auf Journal 21 hingewiesen habe. Das ist mit dem heutigen Tag vorbei. Ich werde zwar ab jetzt immer noch einzelne Artikel verlinken und auf einzelne Personen wie Arnold Hottinger verweisen, doch vor der Plattform Journal 21 werde ich warnen: Denn Propaganda ist kein journalistischer Mehrwert.

Dabei halte ich mich an das 8. Gebot:

Freue dich mehr über intelligenten Widerspruch als über passive Zustimmung; denn wenn die Intelligenz so viel wert ist, wie sie dir wert sein sollte, dann liegt im Widerspruch eine tiefere Zustimmung.

Doch Ihre Intention ist Vernebelung und nicht Aufklärung und gegen solche Taktiken gehe ich mit Vehemenz vor.

Gast1 - 20.08.2014 08:55 hat sich Zeit genommen und sich mit Ihrem Artikel auseinander gesetzt; für ein solches Pamphlet ist mir die Zeit zu schade. Engagiert, überspitzt und polemisch verfasste Artikel, kann ich zur Genüge irgendwo sonst lesen.

Na, na, Herr Gaudeo, so schlimm ist J21 auch wieder nicht. Es ist sogar sehr gut, wenn man die Autoren Reinhard Meier und Daniel Woker ignoriert.

Lieber Herr Meier, können Sie sich noch an das "Fuck-the-EU-Telefonat von Frau Nuland erinnern? Das war bestimmt kein Einzelfall, sondern lässt darauf schließen, das die Dame und auch diverse andere Komplotteure aus den USA und der EU vom russischen Auslandsnachrichtendienst auf Schritt und Tritt überwacht wurden und werden. Ich denke der Herr Putin hat lange gehofft, das es in Washington, Brüssel und Berlin Hirn regnet. Aber nachdem seine Hoffnungen enttäuscht wurden, hat er auf der Krim Plan B in Kraft gesetzt.

Richtig, Putin ist ein begeisterter Taktiker, seine Handlungen sind bis zu einem gewissen Ausmass flexibel. Das bedeutet aber nicht, dass er keine Strategie hätte. Seine Strategie lautet die Ukraine unter seinen Einfluss zu bringen, indem das Land ganz oder teilweise mindestens seiner Zollunion einverleibt wird. Einzig der Maidan hat ihm bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht, wofür die Ukrainer seither blutig bezahlen.Ob die Ukraine ihm in zwei Wochen hörig wird, oder in zwei Monaten, oder 2 Jahren ist nicht von Belang.

Bei aller Hoffnung auf einen Modus vivendi für die Krimn muss man vielleicht noch bedenken, dass der Ukraine nicht nur Territrium geklaut wurde, sondern auch Energiereserven und bewegliches Hab und Gut wie Teile von Luiftwaffe und Flotte, die immer noch nicht zurückgegeben wurden. Und was geschieht mit den Fabriken der Ukrainer, werden die einfach enteignet, wie das im 3. Reich der Fall war? Der Fall ist komplizierter als man annehmen möchte.

"Die Merkel-Regierung in Berlin macht es vor..." Diese opportunistische Regierung macht vor allem dies vor: Wie sich naive EU-Politiker von den nur noch fast militärisch ernst zu nehmenden USA übertölpeln und gegen die Russen ausspielen lassen. Dass dabei die Europäer die Hauptlast des dümmlichen Boykotts tragen (zehnmal mehr als die US-Wirtschaft) zeigt erst recht in welch perfide Falle Merkel und Co. da getrampelt sind. N.R.

Auch das Journal21 kommt offenbar nicht ohne einen Schuss Propaganda aus. Einen Konflikt aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten ist löblich, aber dabei bitte immer bei den Fakten bleiben, sonst verschreckt das noch die informierte Leserschaft. Schauen wir uns Herrn Meiers Argumentation genauer an:

"Annexion der Krim und der anhaltenden militärisch-politisch-propagandistischen Einmischung in der Ostukraine" => Von einer "Annexion" kann angesichts der Volksabstimmung nicht gesprochen werden, und für Einmischung fehlen bis heute die Belege. Apropos "propagandistische Einmischung": Die russischen TV-Stationen wurden von Kiew abgestellt.

"Kreml zieht alle möglichen Register um die separatistische Bewegung in dieser Region zu am Köcheln zu halten, diese waffenmässig, personell, finanziell und propagandistisch zu unterstützen, unter Umständen auch mit Einsatz eines Hilfskonvois von 280 schneeweiss umgespritzten Lastwagen" => Wieder fehlen jegliche Belege für die Behauptung, und dem Hilfskonvoi werden natürlich ebenfalls hinterlistige Absichten unterstellt, ohne diese zu belegen. Herr Meier unterschlägt zudem, dass Russland von Beginn weg eine Verfassungsreform vorgeschlagen hat, um den Konflikt zu vermeiden (was von Kiew abgelehnt wurde), und den Ostukrainischen Regionen empfohlen hat, die Abstimmungen und Abspaltungen zu verschieben (was von diesen abgelehnt wurde).

"Jens Siegert, der Leiter der Heinrich Böll-Stiftung in Moskau" => Dann kommt der Leiter der grünen Heinrich Böll Stiftung zu Worte, die den gewaltsamen Putsch unter Zuhilfenahme ukrainischer Rechtsradikaler finanziell unterstützt hat, was Herr Meier natürlich nicht erwähnt.

"Der weit verbreitete Verdacht, dass dieses tragische Unglück von rücksichtslosen pro-russischen Rebellen mit von Russland gelieferten Flugabwehr-Raketen zu verantworten ist, ist zwar immer noch nicht definitiv bewiesen, verstärkt aber das Unverständnis und das Misstrauen gegenüber den expansionistischen Tendenzen der Moskauer Politik." => Der Verdacht ist nicht "immer noch nicht definitiv bewiesen", er ist überhaupt nicht bewiesen, nicht mal ansatzweise, während die zehn Fragen Moskaus an Kiew weiter unbeantwortet bleiben. Die "expansionistischen Tendenzen der Moskauer Politik" stammen ebenfalls direkt aus der NATO-PR-Zentrale und haben mit der Realität schlicht nichts zu tun.

"ob Russland eigentlich noch auf eigene Verbündete in der Welt zählen könne – abgesehen von Simbabwe, Kuba, Weissrussland und Armenien." => Der Autor vergisst, dass Russland mittlerweile Lebensmittel aus Südamerika, Aegypten, der Türkei und halb Asien erhält, inklusive China und Indien. Also eigentlich aus der ganzen Welt, ausser der zunehmend isolierten USA und EU.

"Peinlich und schädlich für Putins politische Absicherung seines „hybriden“ Engagements sind ebenso jüngste auftrumpfende Video-Äusserungen [...]" => Hier wärmt Herr Meier nochmals eine längst als gefälschte Uebersetzung entlarvte PR-Geschichte des Ukraine Crisis Media Center auf.

"Der Kremlchef hat mit seinem erfolgreichen –aber eindeutig völkerrechtswidrigen – Coup auf der Krim solche Schwärmereien selber kräftig geschürt. " => Falls die Kosovo-Abspaltung, mit NATO-Bomben statt Volksabstimmung, dem Völkerrech entsprochen hat (vgl. Einschätzung der UN und Den Haags), muss dies auch der Krim zugestanden werden.

"Er hat zwar die Halbinsel Krim „heim ins Reich“ gebracht" => Die obligate Anspielung auf Hitler darf in so einem Artikel natürlich nicht fehlen.

"Ohne die Ukraine fehlt es diesem Gebilde noch mehr als bisher an innerer Kohärenz und Anziehungskraft - bisherige Mitglieder sind neben Russland Kasachstan, Weissrussland und Armenien." => Armenien ist noch nicht Teil der Zollunion. Dafür interessieren sich grosse Teile des rohstoffreichen Zentralasiens dafür, und auch die Schwergewichte Indien und China sind an einer engeren Kooperation mit Russland interessiert.

"Erinnerung an die DDR-Lösung" => Die DDR-Lösung als Vorbild? Ist das wirklich ernst gemeint?

Fazit: Ein schönes Propagandafeuerwerk, mehr leider nicht. Bei genauerer Analyse bleibt nur ein schwefliger Rauch zurück. Eindeutig unter dem Niveau von Journal21.

PS: Vom "Stellvertretenden Leiter der NZZ -Auslandredaktion" Reinhard Meier war vielleicht nichts anderes als ein kleines Propaganda-Bouquet zu erwarten, wenn man weiss, dass der Leiter der NZZ-Auslandsredaktion, Eric Gujer, Bücher schreibt zusammen mit Gary James Schmitt, dem ehemaligen Direktor des "Project for a New American Century" (vgl. "Safety, Liberty, and Islamist Terrorism", 2010), und dass der NZZ-Chefredakteur, Markus Spillmann, regelmässiger Gast bei NATO-Treffs wie der Bilderberger-Konferenz oder der Münchner Sicherheitskonferenz ist (vgl. veröffentlichte Teilnehmerlisten).

Bravo! Sehr schön analysiert

Sehr guter Kommentar, Gast1.
Bei den neuen Lebensmittellieferanten haben Sie Israel vergessen (Südfrüchte, Gemüse). Die springen gerne in die Bresche.

Bravo ! Ruhig und mit geradezu chirurgischer Präzision diesen "Artikel" argumentativ zerlegt - grossartig !

Die zuletzt erwähnte Verflechtung der Medien mit logenartigen Kreisen die um Einfluss buhlen ist für den aufmerksamen Leser offensichtlich. Die Aufgabe der Presse: darüber zu berichten was Wahr ist tritt heute völlig in den Hintergrund - dies in einer Zeit in der es mehr Spionage gibt als je zuvor - d.h. es sicher bekannt ist wer z.B. MH 17 abgeschossen hat.

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