Journalistischer Mehrwert
Menu
16. Februar 2021

Rom bleibt Rom

Klara Obermüller's picture

Rom bleibt Rom

Von Klara Obermüller, 01.05.2014

Eine Heiligsprechung zweier verstorbener in Anwesenheit zweier lebender Päpste, das war auch für Rom neu. Ansonsten war die Veranstaltung ein einziger Anachronismus.

Eine Blutampulle, ein Hautpartikel, eine Wunderheilung, zwei unlängst verstorbene Päpste, erhoben zur Ehre der Altäre – man fühlte sich an diesem Sonntag, dem 27. April 2014, ins Mittelalter zurückversetzt. Als hätte es nie einen Luther und nie eine Reformation gegeben, feierte Rom sich selbst: zentralistisch, triumphalistisch, antimodernistisch wie eh und je.

Zugegeben, Papst Franziskus hatte die Causa von seinem Vorgänger geerbt. Eigene Akzente setzte er jedoch keine: weder in der Liturgie noch in der Predigt. Und liess dadurch einmal mehr Zweifel aufkommen, ob er wirklich willens und imstande sei, am Kurs der katholischen Kirche Grundsätzliches zu verändern. In seinem apostolischen Schreiben „Freude des Glaubens“ hatte er Kritik am römischen Zentralismus und Ämterverständnis geübt und mehr Kollegialität, mehr synodale Strukturen gefordert. Die Signale, die von der Feier des vergangenen Sonntags ausgingen, weisen in die entgegengesetzte Richtung. Zwar wurde mit Johannes XXIII. der Papst heiliggesprochen, der mit der Einberufung des Konzils zu einer Öffnung der katholischen Kirche hatte beitragen wollen. Mit der gleichzeitigen Kanonisierung von Johannes Paul II. wird dieses Bemühen aber gewissermassen neutralisiert und aufgehoben.

Es allen recht machen, indem man einen fortschrittlichen und einen restaurativen Papst heiligspricht, und damit alles beim Alten lassen – ist es das, was der neue Pontifex zu bieten hat?  Wenn es so wäre, dann ginge dieser 27. April 2014 als schwarzer Tag in die Kirchengeschichte ein.   

Anscheinend brauchen viele verunsicherte und identitätslose Menschen die seit Gedenken gekonnt zelebrierten weitschweifigen Rituale der Katholischen Kirche. Heilige anstelle von weltlichen Helden? Die kath. Kirche ist zusammen mit weitere gesellschaftliche Institutionen weit nach rechts gerutscht, nicht erst seit dem 27. April 2014.

Frau Obermüller für diesen Beitrag. Vielen Dank auch an Hel Scheben. Ich habe unglaublich Mühe mit dem ach so realitätsfernen Gehabe der katholischen Kirche.

Ich denke Klara Obermüller liegt richtig mit ihrem Kommentar. Ich weiss nicht genau, was ein Heiliger ist. Wenn es ein Mensch ist, der von Gott besonders geliebt wird, dann wüsste ich nicht, woher Menschen wissen wollen, wen Gott liebt. Wenn es aber ein Mensch mit einem besonders anständigen Benehmen im Leben sein soll, dann habe ich bei Wojtyla meine Zweifel. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er auf der Plaza in León in Nicaragua gegen das "marxistische Schulwesen" wetterte, - in einem Land, in dem eine Revolutionsregierung sich als oberstes Ziel gesetzt hatte, endlich den erdrückenden Analphabetismus einer verarmten Bevölkerung zu bekämpfen. Die von den USA finanzierten Terrorgruppen, die im Land operierten, fand der Papst keiner Erwähnung wert. Katholische Priester wie Leonardo Boff, die sich für die Armen in Lateinamerika einsetzten, liess er gnadenlos ausgrenzen. In El Salvador wurden Hochschullehrer der Katholischen Universität von rechtsextremen Terrorkommandos umgebracht, Dutzende von Priestern ermordet. Erzbischof Oscar Arnulfo Romero wurde von einem Killerkommando am Altar erschossen. Johannes Paul II und sein Kurienkardinal Ratzinger äusserten dazu ein leises "Bedauern", hatten aber nie einen Finger gerührt, um die Kirchenleute zu schützen, die sich für die Armen engagierten. Ein Papst, der den Gebrauch von Kondomen für sündhaft hält (Enzyklika Evagelium Vitae) und die Schwangerschaftsberatung katholischer Institutionen untersagen will, hat nicht das Zeug zum Heiligen.

Frau Obermüller, was haben Blutampullen, Hautpartikel, Wunderheilungen usw. mit dem Mittelalter zu tun? Fakt ist, dass Menschen in diesem Jahrtausend geheilt wurden. Dies zeigt, dass besonders Johannes Paul II. seit seinem Tod bei Gott ein mächtiger Fürsprecher ist. Und Gott hat somit in der jetzigen Zeit Wunder gewirkt. Dies hat überhaupt nichts mit dem Mittelalter gemeinsam. Und vor allem für die Jugen - und da zähle ich mich mit meinen 21 Jahren auch dazu - sind diese Päpste leuchtende Vorbilder. Die Feier als antimodernistisch darzustellen ist ebenfalls eine völlig schwachsinnige Ausdrucksweise, die in keinster Weise der Realität entspricht. Ich bitte Frau Obermüller in Zukunft ein bisschen genauer recherchierte und überlegte Kommentare zu verfassen...

ein Bündel an Stereotypien ohne ordentliche Hintergrundrecherchen, - da drängt sich die Frage auf: was ist der Mehrwert dieses Kommentars?

Der Kommentar von Klara Obermüller macht mir Mühe. Soweit ich es beurteilen kann, hat dieser Papst (Franziskus) nie konkret erwähnt, was alles er "verändern" will. Was wir bisher von ihm gehört gesehen, bzw. wahrnehmen konnten ist jedoch bereits etwas Neues; nämlich die Art wie er auf Menschen zugeht und Barmherzigkeit lebt.
Von dem Heiligsprechungszeremoniell mag man halten was man will, zugegeben. Ich fände es jedoch höchst lieblos Katholiken gegenüber, welchen dieses Zeremoniell viel bedeutet, nach etwas mehr als einem Jahr im Amt, einfach das Ganze abzuändern oder gar zu lassen. Ich denke, dieser Papst hat ein Gespür darf, was wann an der Zeit ist - insofern glaube ich auch, dass es vielmehr mit seiner Weisheit zu tun hat, wenn er Veränderungen dort angeht, wo sie wirklich auch zentral für das Zeugnis sind (z.B. einfacherer Lebensstil).

Die Heiligsprechung der beiden Päpste war ein sehr eindrückliches Erlebnis. Der tiefe Glaube von 1.5 Millionen Pilgern (Schätzung Bürgermeisteramt Rom), welche nach Rom reisten, konnte ich selbst an Ort miterleben. Papst Franziskus erwähnt in seiner Predigt: "Johannes XXIII. und Johannes Paul II. hatten den Mut, die Wundmale Jesu anzuschauen, seine verwundeten Hände und seine durchbohrte Seite zu
berühren. Sie haben sich der Leiblichkeit Christi nicht geschämt, haben an ihm, an seinem Kreuz keinen Anstoß genommen; sie haben die Leiblichkeit
des Mitmenschen nicht gescheut, denn in jedem leidenden Menschen sahen sie Jesus. Sie waren zwei mutige Männer, erfüllt vom Freimut des Heiligen Geistes, und haben der Kirche und der Welt Zeugnis gegeben von der Güte Gottes und von seiner Barmherzigkeit."
Nach diesem Erlebnis in Rom empfindet man Erbarmen mit Personen, welche für Päpste nur noch Spott und Kritik übrig haben.

Wie ermitteln Sie die Tiefe des Glaubens von 1.5 Millionen Menschen?

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren