Vor der Auslöschung

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Vor der Auslöschung

Von Urs Meier, 14.10.2019

Radikale Klima-Aktivisten behaupten, als einzige entsprechend dem Ernst der Lage zu handeln.

Extinction Rebellion (XR) versteht sich als eine Bewegung des zivilen Ungehorsams, die sich gegen die Auslöschung menschlichen Lebens und das grosse Artensterben zur Wehr setzt. Sie will anti-hierarchisch funktionieren und gelobt jederzeit gewaltfrei vorzugehen. Nach eigenen Angaben verfolgt sie drei Ziele:

  • Tell the truth – unter anderem durch Ausrufung des Klima-Notstands;
  • Act now – Netto-Null Treibhausgas-Emissionen bis 2025; 
  • Beyond politics – Bürgerversammlungen sollen den Parlamenten und Regierungen das Heft aus der Hand nehmen. 

Exponenten von Extinction Rebellion haben klargemacht, dass die Klimaproblematik für sie nur das Symptom einer vergifteten westlichen Kultur ist, die nun quasi im Handstreich überwunden werden soll. Konsequent zielt die Bewegung mit möglichst spektakulären Aktionen auf Stilllegung von Arbeit, Verkehr und Konsum.

Der Schock angesichts der immer deutlicher werdenden Klimakatastrophe und das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit haben der Bewegung von vielen Seiten Sympathien eingebracht. Grosse Teile der Jugendbewegung «Fridays for Future» stehen für einen Schulterschluss mit XR bereit, so offenbar auch Greta Thunberg.

Die Mitbegründerin der Grünen in Deutschland, die Sozialwissenschaftlerin Jutta Ditfurth, ist nicht die einzige, die vor Extinction Rebellion warnt. XR habe die Merkmale einer Endzeit-Sekte. Hinter der Taktik des sanften Auftretens stecke ein autoritäres Konzept, das keine Diskussionen dulde und einem Anti-Intellektualismus fröne. Dass die Bewegung sich stets auf Klimawissenschaft beruft – XR spricht gern von «Mathematik», gegen die kein Zweifel möglich sei –, müsse als Zeichen der Abschottung und eben gerade nicht der wissenschaftlichen Offenheit gedeutet werden.

Seit der Antike treten in gefahrvollen Zeiten immer wieder charismatische Heilsbringer sowie religiöse und politische Sekten auf. Sie pflegen den Zustand der Welt als grundsätzlich marode zu bezeichnen und eine totale Umkehr zu fordern. Worin ihre Revolution bestehen soll, sagen sie jeweils mit plakativen Forderungen: Abkehr von jeglichem Materialismus, Umsturz der bestehenden Ordnung, Vergemeinschaftung allen Besitzes, Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum oder eben: Netto-Null Emissionen von CO2 per sofort.

Es ist Mode geworden, die Klimabewegung pauschal als eine neue Religion abzustempeln, die mit ihren politischen Forderungen der Gesellschaft eine Art Ablasshandel aufzwingen wolle. Das ist als generelle Kritik unredlich. Wo die Bewegten differenziert analysieren und sachliche Forderungen aufstellen, ist es bloss eine billige Masche, sie in die Ecke anrüchiger Religion zu stellen. Im Fall von Extinction Rebellion jedoch liegen die Dinge anders. Hier haben wir es tatsächlich nicht nur mit einem religionsähnlichen, sondern einem ausgesprochen sektiererischen Phänomen zu tun, für das es in der Geschichte viele Vorläufer gibt.

Solchen Endzeit-Bewegungen ging und geht es nicht darum, Probleme zu lösen. Vielmehr sind die jeweiligen Missstände für sie der Anlass, sich von der Welt, wie sie ist, radikal abzuwenden. Vor allem die Jugendlichen unter den XR-Anhängern mögen in der Bewegung vielleicht eine Hoffnung auf Abwendung des grossen Kollapses sehen. Von deren Masterminds jedoch vernimmt man eher Äusserungen, die der Welt so oder so den sicheren Untergang voraussagen. 

In Zeiten wie diesen ist es schwierig, verlockenden Extremismen zu widerstehen. Statt in eine geschlossene Szene der angeblich höheren Einsicht und des symbolischen Aktivismus zu fliehen, gilt es, eine nüchterne Gefahrenwahrnehmung auszuhalten. Gefordert ist ein entschlossenes Handeln, obwohl dessen Wirkungen vorher nicht restlos zu überblicken sind. Wie die klimaneutrale Welt dereinst aussehen wird und mit welchem Mix von Massnahmen man dorthin kommt, kann heute niemand definitiv sagen. Das ist zwar eine ungemütliche Ausgangslage; aber historisch einmalig ist sie nicht. 

Die XR-Aktivisten machen es sich einfacher: Sie fordern alles, und zwar subito. Da spielen die komplizierten Einzelthemen schlicht keine Rolle mehr. Nach der Realisierbarkeit ihrer Vision zu fragen, geht für die Besitzer höherer Erkenntnis an der Sache vorbei. Wer wie sie einen schnellen radikalen Sinneswandel und einen sofortigen fundamentalen Umbau der Gesellschaft zur ersten und im Grund einzigen Forderung erhebt, aus der dann das klimaverträgliche Verhalten angeblich von selbst hervorgehen wird, hat wohl insgeheim den Planeten schon aufgegeben. Wie es eben für Sekten typisch ist. 

Ich unterstütze diese Bewegungen, denn das aktuelle System bietet keine Lösungen, es wird nur immer viel geredet, passieren tut dann aber gar nix. Es geht immer nur um Geld und Wirtschaft. Mit jeder Potenzieller Lösung muss auch immer Geld verdient werden. Es sind die die ihre Schäfchen am trockenen haben und sich in Sicherheit fühlen, die dann diese Bewegungen als Sekte usw. bezeichnen. Aber glaubt mir von den anderen gibt es viel, viel mehr und die haben langsam die Schnautze voll vom bla, bla, bla der alten die eh nicht mehr lange hier sind.....

Es gibt je länger je mehr praktische Alternativen, Gott sei Dank.Mit der Wiederbegrünung der Erde ist das CO2 Problem zu bewältigen: s Crowtherlab ETH.
, das auch sehr interessante Forschungen zu Nematoden betreibt, den Bodenlebewesen, die Wachstum.erst möglich machen.
Eine ganz neue Methode ist " desert control" die einen " Wundverband" für verbrannte Erde aus Lehm und Wasser entwickelt haben.
Wegen der technischen CO2 Verminderung fliesst kein einziger Wassertropfen mehr und die übervölkerte Erde verdurstet.
Das ist wirklich dramatisch und duldet keinen Aufschub.

Wer begriffen hat, um was es wirklich geht, dem wird es unmöglich sein, sich gegen Fridays for Future oder Extinction Rebellion zu stellen oder sie zu verunglimpfen. Es ist schlicht einfach nicht möglich, es sei denn man ist so ein Mensch, der seinen eigene Grossmutter verkaufen kann. Es geht nicht nur um das Klima, es geht um mehr. Es geht um Alles. Ich schreibe dies hier und diskutiere nicht weiter mit. Auf ein Argument in diese Richtung folgt ein Argument dagegen. Es ist sinnlos. Übergeordnet ist diesbezüglich alles gesagt was gesagt werden muss und die Wissenschaftler und der IPCC haben eben doch recht. Tschüss.

Lieber Herr Meier

Ihre - in gewisser Hinsicht treffende - Analyse unterschlägt das Wichtigste, nämlich die Datengrundlage von XR: XR bezieht sich auf den Klimarat - IPCC. Eine seriösere und konservativere Quelle zum Klimawandel gibt es nicht. Der IPCC warnt vor einer Erderwärmung mit fatalen Konsequenzen.
Zwei Beispiele:
- 280 Mio. Flüchtlinge durch angestiegene Meeresspiegel (vgl. z.B. https://www.aargauerzeitung.ch/ausland/ipcc-rechnet-mit-280-mio-fluechtl...)
- Bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von 2 Grad Celsius wären weite Teile Nordafrikas und des Nahen Ostens für Menschen unbewohnbar. Wie viele Menschen werden davon betroffen sein? Wird Europa zuschauen oder etwas Anderes tun? (vgl. z.B. https://link.springer.com/article/10.1007/s10584-016-1665-6)

Die Faktenlage wurde noch nie von so vielen Experten geteilt. Diese Experten sind sich über die absolute Dringlichkeit einig, nicht XR hat die Dringlichkeit als Glaubenssatz postuliert. Die angenommenen Folgen sind fatal.

Sie wollen über Einzelheiten diskutieren, nüchtern die Gefahren wahrnehmen? Jawohl Herr Meier, genau diese Beschwichtigungen haben die Klimajugend und XR satt. Mit Verlaub Herr Meier, Sie haben hoffentlich noch gut 20 Jahre zu leben, nicht aber die Klimajugend. Diese wird sich mit den "ungemütlichen" Folgen des Klimawandels rumschlagen müssen. Ihre Wortwahl: Zynischer Hohn in den Ohren der kommenden Generation.

Unter anderem XR ist es anzurechnen, dass das Thema bei einer breiten Allgemeinheit auf die Agenda gekommen ist. Wenn diese sich über die grüne Limmat wundert oder im Berufsverkehr steckenbleibt und sich fragt, weshalb diese Leute von XR auf die Strasse gehen.

Es braucht nicht nur blosses Abwägen, sondern es braucht - wie Sie festhalten - "entschlossenes Handeln", und zwar entschlossenes Handeln von allen. Die Politik muss dafür - und zwar so schnell wie möglich - ihre Verpflichtung wahrnehmen, damit die grosse Allgemeinheit handelt.
Lesen Sie im Report von ICCP doch bitte nach, dass es für eine Volksinitiative nicht mehr reicht (vgl. S. 9: https://www.de-ipcc.de/256.php). Das hat nichts mit Religion zu tun Herr Meier, sondern vielmehr mit Vertrauen in die Wissenschaft, in die Institutionen sowie in den Klimarat als Institution der UNO.

Bitte überdenken Sie Ihre Darlegungen und informieren Sie sich, bitte!

Mit besten Grüssen,
henriette lagrande

p.s.
Informieren Sie sich bitte auch über die Eigenschaften einer Sekte, dann merken Sie Unterschiede von XR dazu (z.B. hier: http://www.infosekta.ch/was-ist-eine-sekte/sektenmerkmale/)

Liebe Frau Lagrande
Danke für Ihren Kommentar. Dazu möchte ich folgendes sagen: Ich "unterschlage" die ICCP-Aussagen nicht und bestreite auch nicht, dass XR sich darauf zu Recht beruft. Womit ich nicht einverstanden bin, ist die Art, wie XR das tut. Nämlich mit der Behauptung, die ICCP-Prognosen seien so unbezweifelbar wie Mathematik. Damit missdeutet XR den Charakter dieser klimawissenschaftlichen Aussagen. Es handelt sich dabei um Modelle, die höchstens Annäherungen an die Wirklichkeit sein und sich immer auch als (graduell) falsch herausstellen können. (Ich empfehle Ihnen zu diesem Thema den Artikel von Eduard Kaeser im J21: https://www.journal21.ch/wenn-mathematik-zur-waffe-wird)
Was das Sektiererische von XR betrifft: Ich weiss schon, was Sekten sind, und vieles von den Infosekta-Merkmalen passt ja recht gut auf XR. Aber ich gebe zu, das ist in meinem Kommentar eine zugespitzte Aussage, über die sich diskutieren lässt. Zudem nehme ich an, dass es auch unter XR-Anhängern viele Leute gibt, denen durchaus nichts Sektiererisches anhaftet.

Lieber Herr Meier

Sie sind bereit zur Reflexion - danke.
Nichtsdestotrotz frage ich mich, worin Sie denn die Alternative sehen. Ich habe Schwierigkeiten damit, dass mir zur Ruhe und zum abwägen geraten wird, wenn fast alle qualifizierten Wissenschaftler minimale Erkenntnisse festhalten, die furchtbare Prognosen enthalten. Und diese Prognosen sind bereits derart lange bekannt, dass der Politik Druck von der Strasse guttut.

Beste Grüsse,
henriette lagrande

Sehr geehrter Herr Meier,

Sie sind nicht einverstanden mit der Behauptung der XR, dass die ICCP-Prognosen so unbezweifelbar seien wie Mathematik. "Damit missdeute XR den Charakter dieser klimawissenschaftlichen Aussagen. Es handle sich dabei um Modelle, die höchstens Annäherungen an die Wirklichkeit seien und sich immer auch als (graduell) falsch herausstellen könnten."

Damit bin ich einverstanden, aber leider haben sich die IPCC-Voraussagen durchwegs dahingehend als falsch herausgestellt, dass sie immer viel zu optimistisch waren. Alles ging bisher viel schneller als vom IPCC vorausgesagt, die Eisschmelze, das Auftauen des Permafrostes, die Erwärmung etc. Wenn man eine Erklärung sucht, so fällt auf, dass das IPCC Konsenspapiere produziert und dabei einem bremsenden Einfluss der Ölproduzenten ausgesetzt ist. Man kann deshalb geradesogut sagen, dass uns das IPCC angelogen hat.

Hansen hat 1988 das erste differenzierte Klimamodell vorgestellt, das in seiner mittleren Variante den Verlauf bis heute erstaunlich gut vorausgesagt hat. Man würde deshalb mit Vorteil auf Hansen hören, dessen Voraussagen keinen politischen Pressionen unterworfen sind. Und Hansens Voraussagen sind völlig alarmierend. Und nicht nur seine, auch andere unabhängige Beobachter wie Servigne, Wallace-Wells oder Bendell. Nach ihnen kann die Zivilisation nur noch wenige Jahrzehnte, wennicht wenige Jahre durchhalten.

Es ist nichts als verständlich, wenn die Jugend der regierenden Generation das Vertrauen und die Solidarität aufkündigt. Sie kann das ewige paternalistische Bagatellisieren nicht mehr hören.

Mit freundlichen Grüssen L.F.

1972 sagte der Club of Rome den Kollaps der Ökosysteme für 2030 voraus, falls neben anderen Massnahmen nicht die Weltbevölkerung bei 4 Mia limitiert bleibe. Seit 2000 ist unbestreitbar, dass die Klimaerwärmung ein Problem ist. Bis 2012 hoffte man die Globalerwärmung bis 2100 bei 1,5 Grad zu halten, inzwischen kommen die 1,5 Grad schon 2030. Dieses Jahr wurden weltweit annähernd 400 Temperaturrekorde gebrochen und es bestehen Anzeichen, das sich die Erwärmung galoppierend beschleunigt, sodass wir vielleicht nicht mehr Jahrzehnte sondern nur noch Jahre bis zur Katastrophe haben. Und was geschieht? Sozusagen nichts. Weit und breit keine grüne Mehrheiten und jetzt stellt sich wie damals im Holocaust wirklich die Frage, ob man sich widerstandslos verbrennen lässt wie die Schafe, oder ob man doch noch einen letzten verzweifelten Widerstand leistet. Ich habe als Grünliberaler angefangen, aber wenn ich nicht 78 wäre wäre ich heute auch militant und ich habe alles Verständnis für die Leute von XR. Mit der bisherigen Höflichkeit wurde rein nichts erreicht.

Bullshit as bullshit can. Es geht gar nicht um das Klima. Aber XR handeln nach wie vor gewaltfrei und beyond politics. Hingegen konnten die Nazis und die KZs auch nicht mit differenzierteren Forderungen und höheren Erkentnissen einer basisdemokratischen Mehrheit zu vernünftigerem Handeln überzeugt werden. Es gab nur totaler Sieg und Vernichtung und zwar subito odrr Untergang. Das war das einzig Richtige, obgleich man über die britischen Bomardierungen noch diskutieren könnte.

Wer übernimmt die Kosten fürs Aufräumen, die Sicherstellung der Sicherheit und die Reparaturen von Beschädigungen die die ,,Blockierung von Arbeit, Verkehr und Konsum" auslöst? Diese sollten dem Verein Extinction Rebellion überbunden werden.

Kennen wir doch. Seit der christlichen Parusie wird der kurz bevorstehende Untergang des Bestehenden angeprangert und verteufelt. Eine 2000 Jahre alte Erfolgsgeschichte: Weltuntergang. Ergibt neue Parteien, ergab neue Lebensweisen (Klöster). bringt die Medienschaffenden auf Fahrt.

Danke für diesen Artikel! XR gleicht eher einer Sekte und allein der Umstand, dass hier Menschen über unsere Zukunft bestimmen wollen, die selber Gurus hinterherrennen, sollte bei jedem echten Demokraten die Alarmglocken läuten lassen!

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