Wie wir Konflikte lösen können

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Wie wir Konflikte lösen können

Von Stephan Wehowsky, 12.03.2014

Konflikte fressen bekanntlich mehr Ressourcen als Arbeit. Daher sollte jeder sein eigenes konfliktträchtiges Profil kennen.

Unter den zahllosen psychologischen Beratern ragt Ruth Enzler Denzler dadurch heraus, dass sie studierte Juristin ist und eine brillante Berufskarriere in Wirtschaftsverbänden und einer Grossbank vorweisen kann. Erst danach studierte sie in aller Breite Psychologie und promovierte in Psychopathologie.

Drei Persönlichkeitstypen

Der Blick der Psychologin trifft also auf berufliche Konstellationen, die sie selbst als Nicht-Psychologin erlebt hat. Sie weiss einfach, wie man erfolgreich Projekte managed, wie man professionell kommuniziert und wie es sich anfühlt, täglich unter Stress zu stehen und mit Kollegen zusammenarbeiten zu müssen, die man ganz sicher nicht überschätzt.

Als Psychologin hat Ruth Enzler Denzler unter Führungskräften Untersuchungen angestellt, um das Phänomen des Burnout genauer zu verstehen. Bei der Auswertung von Fragebogen stellte sie fest, dass es hilfreich ist, drei unterschiedliche Persönlichkeitstypen zu unterscheiden: den Ordnungs- und Strukturtypen, den sozialen Typen und den Erkenntnistypen.

„Drei-Typen-Strategie“

Der Ordnung- und Strukturtyp legt grossen Wert darauf, seine Umwelt buchstäblich im Griff zu haben. Er geniesst es, Macht auszuüben und definiert sich selbst als dominant. Den Gegensatz dazu bietet der soziale Typ, dem das Einvernehmen mit seinen Kollegen, natürlich auch mit der Familie und den Freunden das Wichtigste ist. Der Erkenntnistyp wiederum ist derjenige, der in allem, was er tut, Neues sucht und dem es am wichtigsten ist, sich weiterzuentwickeln.

Entscheidend ist nun, dass jeder erkennt, zu welchem Typus er gehört. Denn daraus ergeben sich ganz bestimmte Konstellationen, die zu Reibungen und Konflikten bis zum Burnout führen können. Aus der Selbsterkenntnis erwachsen Handlungsoptionen. Konsequent spricht Ruth Enzler Denzler von der „Drei-Typen-Strategie“.

Lösungswege

Diese Typentheorie hat Ruth Enzler Denzler schon in zwei Büchern verwendet, in denen es um die Stressbewältigung im Alltag geht: „Karriere statt Burnout“ (2009) und „Keine Angst vor Montagmorgen“ (2011). Beide Bücher hat Orell Füssli herausgebracht. Das neue Buch, „Die Kunst des klugen Umgangs mit Konflikten“, ist bei Springer Spektrum erschienen. Das ist allein schon deswegen bemerkenswert, weil dieser Zweig des Springer Verlags für anspruchsvolle naturwissenschaftliche Werke bekannt ist.

Auch in ihrem neuen Buch bilden die drei Perönlichkeitstypen die Grundlage. In Fallgeschichten aus dem Alltag erzählt die Autorin von typischen Konflikten, die sich aus den Konstellationen ergeben, die sich die drei unterschiedlichen Typen zumeist unbewusst selbst schaffen. Zu den Geschichten gehört jeweils auch die Begegnung mit einer Psychotherapeutin, Sophia. Exemplarisch sollen dadurch Wege gezeigt werden, die aus den Konflikten herausführen. Die Geschichten enden jeweils mit kurzen Skizzen des „psychologischen Hintergrunds“. Am Schluss des Buches werden noch einmal die drei Persönlichkeitstypen beschrieben.

Spannende Geschichten

Das Buch liefert also Geschichten und psychologische Theorie. Angefügt ist ein Fragebogen, der dazu dienen soll, sich selbst über die eigene Typenzugehörigkeit Klarheit zu verschaffen. Daher empfiehlt Ruth Enzler Denzler, diesen Fragebogen vor der Lektüre der einzelnen Geschichten durchzugehen.

Die Geschichten selbst sind zum Teil richtig spannend. Was macht ein Bankdirektor, dem von heute auf morgen gekündigt wird, der diese Tatsache seiner Familie verheimlicht und dazu noch das Problem hat, nicht über den Hochschulabschluss zu verfügen, der in seinem Lebenslauf steht? Und was geschieht in einer Ehe, in der der Mann eine Firma führt, für die seine Ehefrau ihr Erbteil als Kredit gegeben hat, und die Konkurs geht? Und was geht jeweils in der Psychotherapeutin Sophia vor, die in der Konfrontation mit diesen ganz unterschiedlichen Menschen gelegentlich ihre eigenen Grenzen spürt?

Der Blick auf Konstellationen

Es ist immer heikel, Geschichten zu konstruieren, die zur Anschauung psychologischer Theorien und Lösungsansätze dienen sollen. Ruth Enzler Denzler gelingt dies erstaunlich gut. Man spürt, dass sie aus einem reichen Fundus von Erfahrungen verfügt und das Geschehen eben nicht nur durch eine psychologische Brille sieht. Dazu verfügt sie über Souveränität und eine wohltuende Prise Humor.

Aufschlussreich ist auch der Blick auf die Konstellationen. Jeder Mensch, jeder Typus kreiert in einem erheblichen Masse seine Umwelt. Der dominante Typus sucht sich eine Ehefrau, die seine Überlegenheit nicht infrage stellt – und sie hat ihn sich auch ausgesucht. Aber es kann der Punkt erreicht werden, an dem diese Ehefrau dieses Spiel nicht mehr mitspielen will. Dann kommt es zu Konflikten, zu Depressionen und zum Burnout. Des Buch ist auch dadurch spannend, dass in ihm diese wechselseitigen Beziehungen eine ganz erhebliche Rolle spielen

Und es bleibt das schöne Rätsel, zu welchem Typus man selbst gehört. Ganz klar wird jeder an sich Charakterzüge feststellen, die überwiegend zu dem einen oder anderen der drei Typen gehören. Aber es gibt einen Rest, der auf die anderen aufgeteilt werden müsste. Es ist also wie im richtigen Leben: Ganz sicher kann man sich nie sein.

Ruth Enzler Denzler, Die Kunst des klugen Umgangs mit Konflikten. Psychologie in Gedanken und Geschichten, 200 Seiten, Springer Spektrum, Heidelberg 2014

Hier gefällt mir eines: Es GIBT Konflikte, man soll sie nicht herunterspielen, sondern ANGEHEN.
Sie lassen sich allerdings selten lösen, sondern nur TRANSFORMIEREN. In (wenn es gelingt) weniger gewaltträchtige, zermürbende Beziehungen. Aber auch diese muss man dann wieder angehen.
Meinen Bedarf dazu dazu decke ich bis jetzt ab diesen TRANSCEND-Seiten inspiriert vom Friedensforscher Johan Galtung:
www.transcend.org (wenig deutsches.. ein paar Bücher).
www.galtung-institut.de (deutsch).
Ich hoffe, das wird nicht als Schleichwerbung aufgefasst.
Wenn Sie ein ebenso breites Angebot kennen, lassen Sie es mich bitte wissen.

Gruss
Werner T. Meyer

SRF Archiv

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