Wo bleibt der offene Diskurs?
Der Sonderfall Schweiz hat ein Ablaufdatum, Februar 2017, aber man übt den courant normal.
Vor gut zwei Wochen hat der Club Hélvetique auf seiner Homepage ein politisches Manifest veröffentlicht, das sich unter dem Titel „Neuer Kulturkampf: welche Schweiz wollen wir?“ mit der Entwicklung des Selbstverständnisses der Schweiz während der letzten Jahre und insbesondere seit dem Entschied zur Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar beschäftigt. Ich habe auch daran mitgearbeitet. Eine kurze Version erschien am 26.7.2014 in DAS MAGAZIN (Nr. 30-31).
Es gehört zum Charakter eines Manifests, die Botschaften in extremis, sozusagen archetypisch darzustellen, wohlwissend dass die Realität immer eine Mischung der extremen Möglichkeiten sein wird. Die Schweiz wäre nicht die Schweiz, würde sie nicht, abtastend und lavierend, ihren eigenen Weg zwischen den Polen suchen. Aber gerade deswegen war es den Autoren des Manifestes, die möglichen Endpunkte zweier Pfade, welche sich uns heute als Weggabelung präsentieren, in aller Klarheit und in bewusst deutlichen Farben zu zeichnen.
Es geht hier nicht darum, auf den Inhalt des Dokumentes im Detail einzugehen. Dazu nur soviel: Im Manifest werden zwei diametral verschiedene Vorstellungen über die Schweiz der Zukunft skizziert, auf der einen Seite die isolierte Scheuklappen-Schweiz, auf der andern die weltoffene, humanitäre Schweiz. Die beiden Schweiz-Bilder wurden anhand von sieben Punkten verdeutlicht, welche von der Ausgestaltung der Demokratie, der Menschenrechte, der sozial- und fiskalpolitischen Gerechtigkeit bis zur kulturellen und wissenschaftlichen Kreativität reichen.
Was mich ins Sinnieren gebracht hat, ist die Art, wie bisher auf das Manifest reagiert bzw. nicht reagiert worden ist. Einerseits gingen zahlreiche schriftliche Reaktionen beim Club Hélvetique ein, die überwiegende Mehrheit zustimmend bis enthusiastisch. Andererseits war das Schweigen von Seiten jener Parteigänger, welche die Welt jenseits der Schweizer Grenze bestenfalls als Tourismusdestination, als Abnehmer unserer Industrieprodukte oder als Lieferant guter Fussballspieler wahrnehmen, zu erwarten gewesen. Aber wo bleiben die Reaktionen anderer Parteien?
Ein bekannter Politiker liess uns auf verschlungenen Pfaden wissen, die sieben Punkte für eine weltoffene, humanitäre Schweiz könne er zwar alle unterschreiben, aber die Analyse sei einseitig, akademisch-elitär und „Blocher-fixiert“. Im Übrigen hätten wir ja gesehen, dass die Medien das Thema nicht aufgenommen hätten, weil es alter Kaffee sei, nichts Neues bringe und nicht weiter helfe.
Ich gebe zu, das trifft mich und macht mich nachdenklich – aus verschiedenen Gründen. Erstens: Es mag ja sein und liegt in der Natur eines politischen Manifestes, dass es scharfe Konturen herausarbeitet, um seinen Standpunkt zu illustrieren. Aber wirft man jener „intellektuellen Elite“, wie man sie manchmal abschätzig zu bezeichnen beliebt, nicht vor, sie verbleibe allzu oft in ihrem Elfenbeinturm, statt sich mit verständlicher Sprache unters Volk zu mischen und für ihre Meinung einzustehen?
Zweitens: Nichts Neues? – Fragen, welche unsere Zukunft betreffen, bleiben aktuell und damit neu, so lange sie unbeantwortet sind und wir noch Spielraum haben, sie in die eine oder andere Richtung zu beantworten. Dies betrifft übrigens nicht nur die Folgen der Abstimmung vom 9. Februar, sondern eine ganze Reihe anderer Themen, die im erwähnten Manifest angeschnitten werden. Christoph Blocher zumindest versteht dieses Spiel sehr wohl, und die Medien leihen ihm noch so gerne ihr Ohr, wenn er sich etwa über die Harmlosigkeit unseres bevorstehenden grundlegenden Bruches mit Europa und der übrigen Welt auslässt. Nichts Neues, möchte man sagen, was da C.B. verlauten lässt, und in vielen Fällen auch von wenig Sachkenntnissen getrübt, so zum Beispiel bei der Bedeutung der internationalen Forschungszusammenarbeit. Hat man sich bereits schon so an die Stimme des Übervaters gewöhnt, dass sich niemand darauf zu entgegnen genötigt fühlt?
Aber vor allem drittens: Wie führt man einen für alle Seiten produktiven Diskurs mit einem Gegenüber, der schweigt und bestenfalls über inoffizielle Pfade seine Gegenargumente streut? Wo bleibt die andere Schweiz, wo bleiben die Liberalen, die Weltoffenen, die sozial Engagierten? Wieso hält man die Visiere geschlossen, statt sich einem offenen Diskurs zu stellen, und überlässt das Sagen den andern in ihrem Schweizer Reduit?
Abschottung? Bei 23% Ausländeranteil! Reduit bei höchster Innovationskraft in Europa und grossen Wachstumsraten? Welche Schweiz sehen Sie, Dieter Imboden?
Europa vor der Implosion !!
Italien ist zurück in der Rezession.
Nichts mehr mit Wirtschaftswachstum.
Die italienische Wirtschaft schrumpft wieder. Der italienische Premier Matteo Renzi, der als Hoffnungsträger gestartet war, musste jetzt eingestehen, dass auch er gescheitert ist. Die Leistung der italienischen Wirtschaft lag aktuell im zweiten Quartal 0,2 % niedriger als in den ersten drei Monaten des Jahres. Es geht wieder abwärts.
Offen gesagt: Ich hatte schon länger damit gerechnet. Italien versinkt seit Jahren in einem Meer von Schulden:
Mit 2,1 Billionen steht das Mittelmeerland aktuell in der Kreide. 2.100.000.000.000 € – ein wahrhaft beängstigende Zahl. Damit erreichen die Schulden 130% des italienischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wenn Sie diese Zahl richtig einordnen wollen: Innerhalb der EU ist nur in Griechenland die Schuldenlast im Vergleich zum BIP noch größer.
Mit der aktuellen Rezessionsmeldung werden selbst unverbesserliche Optimisten, die gern die Augen vor der Realität verschließen, eingestehen müssen:
Die Rückzahlung einer solchen Summe dürfte wohl unmöglich sein. 80 Milliarden Euro kosten jetzt bereits alljährlich die Zinsen. Jetzt droht eine Überschreiten der Maastrichter Grenze: Danach darf das Staatdefizit jährlich nicht 3% des BIP überschreiten. Will Italien sich daran halten, müssen im kommenden Jahr zusätzlich 20 Milliarden Euro eingespart werden. Jeder kann sich vorstellen, was dann kommen wird:
Die Sparmaßnahmen werden die Wirtschaft abwürgen und die Rezession weiter vorantreiben. Die gefürchtete Abwärtsspirale beginnt.Die streikfreudigen Italiener werden angesichts der drohenden Sparmaßnahmen das Land häufiger lahmlegen.Die Frage lautet dann wieder einmal: Wird sich die Regierung an der Macht halten können? Wird Italien möglicherweise unregierbar?
Dramatisch an dieser Situation ist insbesondere: Italien ist nur der Vorbote der Abwärts-Entwicklungen, die uns hier Europa erwarten. In Frankreich ist die wirtschaftliche Situation schon beinahe prekär. Dadurch stehen mit Italien und Frankreich die Nummer 3 und die Nummer 2 der größten Wirtschaftsmächte Europas mit dem Rücken an der Wand.
Möglicherweise ist der Sinkflug der Börsenkurse an den Aktienmärkten bereits ein erstes Warnsignal für die nun unmittelbar bevorstehende Krise in Europa?
Auch ich kann nicht genau sagen, in welchem Moment diese Krise ihr hässliches Gesicht zeigt.
Fest steht nur, dass diese Krise 100% sicher kommen wird !!
Auch ich kann nicht genau sagen, in welchem Moment diese Krise ihr hässliches Gesicht zeigt. Fest steht nur, dass diese Krise 100% sicher kommen wird !!
Hallo - die Krise ist doch längst und ziemlich brutal da. Klar es wird noch schlimmer werden, aber man hat seit 2007 nichts reguliert, ausser wie man ruinierte Banken klarmachen will.
Landesregierung im Zwielicht
Während Mainstream-Medien über den Krieg in der Ukraine und den bösen bösen Putin, tagtäglich neue (US/ EU /NATO Propaganda) Lügengeschichten, Schuldzuweisungen und Unterstellungen publizieren, herrscht mehr oder weniger Funkstille über den Paradigmenwechsel, der im Bundeshaus und in Brüssel hinter verschlossenen Türen vorbereitet wird.
Wer hat schon von dem verräterischen Brief gehört, den unsere Bundespräsidentin an den Kommissionspräsidenten Barroso in Brüssel gesandt hat?
Wer hat schon davon gehört, dass der Bundesrat den 1992 von Volk und Ständen abgelehnten EWR- Vertrag neu als Richtlinie für alle zukünftigen Verhandlungen mit Brüssel anwenden will?
Der Weltwoche kommt das Verdienst zu, in ihren Nummern 33 und 34 dieses heikle Thema ausgiebig behandelt zu haben. Wer diese aufschlussreichen Darlegungen von Urs Paul Engeler gelesen hat, müsste im Grunde laut aufschreien.
Ungeheuerliches passiert da – während die Mainstreampresse ihren Lesern Sand in die Augen streut.
Untertäniger Brief an Barroso
Befassen wir uns mit dem ominösen Brief unserer Bundespräsidentin an Barroso, der seit Dezember 2010 die Schweiz auffordert, EU-Recht zu übernehmen. Anstelle einer schroffen Abweisung der arroganten Ansprüche erhält Barroso ein freundliches Schreiben mit viel Verständnis für den EU-Machthaber.
Frau Widmer-Schlumpf spricht im Gegenteil, dass man sich bemühen werde, Brüssel so weit als möglich entgegenzukommen, und sie erwähnt zugleich drei weitere Konzessionen, zu denen die Schweiz bereit sei.
EU-Recht nach Vorbild EWR
Sie stellt weiteres Entgegenkommen in den hängigen Steuerfragen, im Euratom und im missglückten
Galileo-Projekt und einer Aufstockung der Osthilfe in Aussicht.
Sie spricht davon, dass sich in der Schweiz ein Konsens gebildet habe zu einer gesamteuropäischen Einheitlichkeit.
Der Bundesrat sei sogar bereit, eine «Überwachungsbehörde» zu schaffen, die mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattet wäre. Die «Aufseher» sollen befähigt sein, sich direkt ans Bundesgericht zu wenden, um Verfahren einzuleiten, damit in der Schweiz EU-Recht durchgesetzt werden könne.
Ziel ist Rechtsgleichheit mit der EU.
Skandalös ist der Geist der Unterwerfung, der im persönlichen Schreiben an Barroso zum Ausdruck kommt.
Ebenso skandalös sind die beiden Anhänge, die Frau Widmer-Schlumpf ihrem Briefe beigelegt hat. Dort wird der EWR aus der Schublade hervorgeholt und als massgebend für die weiteren Verhandlungen bezeichnet.
EWR nach 20 Jahren aus der Mottenkiste hervorgeholt
Die verschleierte Wiederaufnahme des EWR beruht auf dem Dogma der Einheitlichkeit, der für die Berner Administration von nun an massgebend sein werde.
Es wird offenbar, der Bundesrat gewichtet neuerdings die europäische Einheitlichkeit höher als die Selbstbestimmung der Schweizer Bürgerinnen und Bürger.
Um die europäische Einheitlichkeit zu wahren sollen nicht nur die künftigen, sondern alle früheren Urteile des EuGH (Europäischer Gerichtshof) über die Schweiz neu bewertet werden.
EU Anschluss durch die Hintertüre
Die geplante Überwachungs-Behörde ist das offene Einfallstor Brüssels.
Wenn die europäische Ganzheitlichkeit zum obersten Gebot erhoben wird, kann die Schweiz keine Regelungen mehr treffen, die dem EU-Recht widersprechen.
Erstaunlich ist das grosse Schweigen der Mainstreampresse.
Das devote Schreiben an Barroso spricht die Sprache der Unterwerfung.
Es wird kaum noch von bilateral gesprochen, an dessen Stelle ist stillschweigend der EWR gesetzt worden.
Zwanzig Jahre nach ihrer Niederlage an der Urne versucht die schweizerische Classe politique, den Anschluss an die EU doch noch zu bewerkstelligen, diesmal durch die Hintertüre.
Bundesrat spricht mit zwei Zungen
Verräterisch ist die Tatsache, dass der Bundesrat in seinen Botschaften an die Schweizer Bürgerschaft stets von «bilateralen Abkommen» spricht und den Begriff EWR mit keinem Wort erwähnt.
Umgekehrt spricht er in seinem Brief an die EU-Kommission für die gleiche Sache ausschliesslich von einer Neuauflage des EWR.
Verräterisch ist die schon erwähnte Tatsache, dass die Schweizer Medien sich im Schweigen, wohl besser im «Verschweigen» üben, wo es doch um die Grundwerte der Schweiz geht.
Der Schrei gegen das hinterlistige Spiel der Entmachtung der Bürger und Bürgerinnen ist bisher ausgeblieben.
Es gilt die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, koste es was es wolle !!
"Manifest" und "Club Hélvetique" klingen unheimlich sexy zusammen.
Vorallem Frauen (ich schätze gegen 80%!) haben Euch, wahre Patrioten, wohl schon heimlich geliket. Mut zum Auf- oder Abbruch mit dieser EU ? Ich mag Frauen.
Die "vornehme" Zurückhaltung der formellen und informellen Meinungsmacher hat schon am 9.2.14 eine äusserst knappe und nicht konkret umsetzbare Ausgangslage für die Schweiz geschaffen. Wir können uns nicht weiter mit unserer ungeschickten Reduit-Politik ins Fleisch schneiden und ins Abseits drängen lassen. Neutralität, eigene profilierte Wege als Land im europäischen Kontext. Wo sind die Verhandlungsführer/innen, die das umsetzen können?
Dieter Imboden hat leider Recht: Jeder "neue" Initiativ-Furz der SVP macht umgehend Medienschlagzeilen, wir gar als "Primeur" gefeiert. Wogegen solide, aber halt minoritäre Stellungsbezüge wie jener des Club Helvétique (oder bie anderer Gelegenheit jene der NEBS) praktisch totgeschwiegen werden. Danke immerhin dem "Magazin" für die Veröffentlichung!
Besorgniserregend nannte Laurent Fabius das Abstimmungsresultat und vergass dabei die Zeitbombe im eigenen Land! Extremparteien formieren sich in Europa in immer grösserem Ausmass. Feindbild erkannt, wird da mancherorts schon wieder gerufen. Sie schreiben dass wir diese ausserordentlich wichtige Sache neu diskutieren müssen. Stimmt genau! Z.B. Zuwenig Kinder in der Schweiz, in Deutschland und in Italien usw. Die Politik wäre gefordert! Massvolles einwandern hingegen an hoch attraktiven Standorten unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der jeweiligen Bevölkerung wären ja sogar erwünscht. Überschwemmungen und falsche Anreize ohne Ausgleichsbecken dagegen, die Folgen sehen wir im Emmental. Da die Rechnung zu oft der kleine Mann bezahlt, müssten wir mit Europa das Problem neu diskutieren. Diese Volksabstimmung forderte nicht etwa Abschottung, sondern einen vernünftigen Umgang mit der Zukunft unseres Landes und deren Jugend, ja mehr oder weniger aller betroffenen Länder. Wirtschaft ist viel, aber nicht alles. Es würde wohl in Europa nichts schaden mehr in Portugal, Spanien, Griechenland, Frankreich und Italien zu investieren anstatt deren ausgebildeten Fachkräfte zu uns zu locken. Totale Personenfreizügigkeit ist an sich eine gute Sache aber erst wenn Europa richtig funktioniert. Bis dahin sollte ein Mass an Zumutbarkeit definiert werden. Alles andere wirkt auf die Dauer zerstörerisch….cathari
Weitblick, Sinn für grössere Zusammenhänge und IQ reichen bei den meisten Politikerinnen und Politikern nicht aus, um einen Diskurs auf diesem Level zu führen.
Was mich irritiert hat ist, dass sich die Verfasser als die Vertreter der "besseren Schweiz" präsentieren. Wenn man davon ausgeht, dass das eigene Model moralisch überlegen ist, erübrigt sich die Diskussion.
Das mag sein, gilt aber auch reziprok: Ist nicht die politische Konstellation dadurch gekennzeichnet, dass sowohl die idealtypisch "weltoffenen Schweizer" wie die "Reduit-Schweizer" sich wechselseitig im Glauben wähnen, der Gegenseite moralisch überlegen zu sein? Und über Werte lässt sich schwierig streiten...
Merci beaucoup. Genau.
Diskret abwarten und dann, im Nutzen stiftenden besten Moment zugreifen, unabhängig davon, wohin der Hase gerade läuft.
Opportunismus halt, soweit das Auge reicht….
Danke, ausgezeichnet!
Noch besser. Nur: Eine zu komplizierte Sprache, die des "einfachen" (oder simplen) Blochers Jünger nie verstehen. Lieber "Club", denkt an KISS - "Keep it simple, the others are stupid".
Dem schliesse ich mich an.
kann tödlich sein.