Graham Greene: Der Honorarkonsul (Roman) |
Graham Greene: Der Honorarkonsul |
Inhaltsangabe:
Dr. Eduardo Plarr ist Anfang dreißig. Der Sohn eines aus England stammenden Vaters und einer Spanierin wuchs in Paraguay auf. Er war noch ein Junge, da zog seine Mutter mit ihm nach Buenos Aires, während sein politisch engagierter Vater zurückblieb und als Gegner des Regimes von General Alfredo Stroessner (1954 - 1989) eingesperrt wurde. Vor ein paar Jahren löste Dr. Plarr seine Arztpraxis in Buenos Aires auf und übersiedelte in die kleine argentinische Hafenstadt Corrientes am Paraná unweit der Grenze zu Paraguay. Seinen britischen Pass lässt er regelmäßig verlängern, denn er wird immer ein Fremder bleiben. "Es liegt nicht an meinem Blutdruck. Es liegt am Leben." (Seite 59)
Der Arzt praktiziert bereits einige Jahre in Corrientes, als er zu Fortnum gerufen wird. Der Honorarkonsul hat wieder geheiratet, und seine Frau klagt über Schmerzen. Er fängt den Arzt auf der Veranda ab und bereitet ihn bei einem Glas Whisky darauf vor, dass seine Ehefrau Clara erst achtzehn ist und er sie aus dem Bordell von Señora Sanchez freigekauft hat. Dr. Plarr erinnert sich denn auch bei der Untersuchung, das magere Mädchen während eines Bordellbesuch mit seinem Freund und Patienten, dem argentinischen Dichter Jorge Julio Saavedra, gesehen zu haben. Nachdem Dr. Plarr der Patientin und ihrem Ehemann versichert hat, dass die Schmerzen harmloser Natur sind, verabschiedet er sich, aber die junge Frau geht ihm nicht mehr aus dem Sinn. Liebe war ein Anspruch, den er nicht erfüllen würde, eine Verantwortung, die er ablehnte, eine Forderung ... (Seite 222f) Unvermittelt taucht ein alter Schulfreund in seiner Praxis auf: León Rivas. Dessen Vater gehörte zu den reichsten Leuten in Paraguay. León war zum katholischen Priester geweiht worden, hatte dann aber seinen Beruf aufgegeben und geheiratet. "Verkaufe, was du hast, und gib den Armen" – das musste ich ihnen [den Armen] predigen, während der alte Erzbischof, den wir damals hatten, mit dem General [Stroessner] einen schönen Fisch aus Iguazú speiste und dazu französischen Wein trank. Natürlich waren die Leute nicht wirklich am Verhungern – man kann sie mit Maniok am Leben erhalten, und Unterernährung schützt die Reichen viel wirksamer als Hunger. Hunger treibt den Menschen zur Verzweiflung. Unterernährung macht ihn so müde, dass er nicht einmal die Faust hebt [...] Unsere Leute verhungern nicht – sie welken dahin. (Seite 150)
Leóns Begleiter Aquino fehlen drei Finger der rechten Hand: Die waren ihm in einem paraguayischen Gefängnis einzeln abgeschnitten worden, damit er politische Gesinnungsgenossen verriet. Unlängst befreiten seine Freunde ihn mit Hilfe eines bestochenen Polizisten. León und Aquino gehören zu einer Gruppe von Desperados, die von einer geplanten Reise des US-Botschafters durch Argentinien erfahren haben. Hier in der Gegend soll der britische Honorarkonsul Charley Fortnum ihn durch die historischen Ruinen führen. Dr. Plarr, von dem sie wissen, dass er mit Fortnum befreundet ist, soll für sie den genauen Ablauf der Besichtigung herausfinden, denn sie wollen den amerikanischen Botschafter entführen, um die Freilassung von zehn politischen Häftlingen – darunter auch Plarrs Vater – aus paraguayischen Gefängnissen zu erpressen.
"Ich weiß. Sie halten mich für einen Feigling, Dr. Plarr, aber ich fürchte mich jetzt nicht mehr sehr vor dem Sterben. Es ist viel leichter, als zurückzugehen und darauf zu warten, dass ein Kind zur Welt kommt mit Ihrem Gesicht, Dr. Plarr." Einige Stunden später gesteht Dr. Plarr dem ehemaligen Priester: "Ich bin eifersüchtig, weil er sie liebt. Dieses dumme, banale Wort Liebe. Es hat mir nie etwas bedeutet. Wie das Wort Gott. Ich kann vögeln – aber ich kann nicht lieben. Charley Fortnum, der Saufbruder, gewinnt das Spiel." (Seite 327f) Die Polizei findet schließlich das Versteck der Entführer und umstellt die Hütte. Aquino drängt darauf, das nutzlose Entführungsopfer endlich zu erschießen, aber León zögert und klagt gegenüber Dr. Plarr: "Ich habe nie gedacht, dass es soweit kommen wird. Verstehen Sie – wäre es der amerikanische Botschafter gewesen – dann hätten sie bestimmt nachgegeben. Und ich hätte zehn Menschenleben gerettet. Nie hätte ich gedacht, dass ich einem Menschen das Leben nehmen müsste." (Seite 321)
Dr. Plarr will Oberst Perez um einen Aufschub bitten und tritt deshalb vor die Hütte. Ein Kuss von einer Frau, die nicht einmal fähig war, ihren Liebhaber zu lieben, war nichts wert. Und doch, fragte er sich, war es ihre Schuld? Von einem Freier im Bordell lernt man nichts über die Liebe. Und weil es nicht ihre Schuld war, musste er darauf bedacht sein, ihr seine Gefühle nie zu zeigen. (Seite 338f) Er vermeidet jede Berührung mit ihr und zieht es vor, allein im Gästezimmer zu schlafen. Als er einmal zu ihr ins Schlafzimmer hinübergeht und vor ihrem unbenützten Bett steht, glaubt er, sie sei bei einem anderen Mann. Doch sie hat bei dem Hausmädchen María geschlafen, weil sie allein Angst hatte. Sie weint. Auf Charley Fortnums Frage beteuert sie, Dr. Plarr nicht geliebt zu haben, aber aufgrund ihrer Tränen weiß ihr Mann, dass sie lügt – und er ist erleichtert, weil seine Befürchtung, sie sei unfähig zur Liebe, nicht zutrifft. Er schlägt vor, das Kind Eduardo zu nennen.
Jemand, den er liebte, würde überleben. (Seite 350) |
Buchbesprechung:
Ein Arzt gerät im Norden Argentiniens unversehens an eine Gruppe von Desperados, die mit seiner Hilfe den US-Botschafter entführen und politische Hälftlinge in Paraguay freipressen wollen, versehentlich aber einen alkoholkranken britischen Honorarkonsul kidnappen, dessen junge Ehefrau ein Verhältnis mit dem Arzt hat: In seinem Roman "Der Honorarkonsul" verbindet Graham Greene eine Dreiecksgeschichte mit einem politischen Thriller. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
John Mackenzie: Der Honorarkonsul |