Michel Houellebecq: Ausweitung der Kampfzone (Roman) |
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Inhaltsangabe: Der Erzähler zieht Bilanz: "Vor kurzem bin ich dreißig geworden. Nach chaotischem Beginn verlief mein Studium ziemlich erfolgreich; heute bin ich eine mittlere Führungskraft. Als Programmierer in einem EDV-Dienstleistungsbetrieb verdiene ich netto das Zweieinhalbfache vom Mindestlohn; das ist eine ganze Menge Kaufkraft. ... Im Großen und Ganzen kann ich mit meiner gesellschaftlichen Stellung zufrieden sein." Die Firma, in der er seit drei Jahren beschäftigt ist, hat dem Landwirtschaftsministerium gerade ein Software-Paket verkauft, dessen Einführung der Erzähler und sein Kollege Raphaël Tisserand durch Schulungen in den Landwirtschaftsdirektionen verschiedener Departements unterstützen sollen. Lustlos begibt sich der Erzähler zum Ministerium, um mit der zuständigen Beamtin den Reiseplan abzusprechen. Er sieht solchen ersten Kontakten "stets mit leichter Besorgnis entgegen". Aber Catherine Lechardoy ist gar nicht da. Erst im zweiten Anlauf lernt er sie kennen: "Catherine Lechardoy bestätigt von Anfang an alle meine Befürchtungen. Sie ist fünfundzwanzig, hat ein Technikerdiplom in Informatik und schlechte Zähne. Ihre Aggressivität ist erstaunlich: 'Hoffen wir, dass Ihr Programm funktioniert! Und zwar besser als das letzte, das wir Ihnen abgekauft haben ... reiner Schrott. Aber schließlich entscheide ich ja nicht, was wir kaufen. ...' Ich erkläre ihr, dass ich auch nicht entscheide, was wir verkaufen. Und schon gar nicht, was wir produzieren. In Wirklichkeit entscheide ich überhaupt nichts. Weder sie noch ich entscheiden irgendetwas. Ich bin nur gekommen, um ihr zu helfen, um ihr Exemplare des Benutzerhandbuchs zu geben und zu versuchen, mit ihr ein Programm für die Einführung zusammenzustellen ..." Am 1. Dezember fahren der Erzähler und sein Kollege von Paris nach Rouen, der ersten Station auf ihrer Schulungstour. Während Tisserand "einen prächtigen Anzug mit rot-grün-braunem Muster" trägt, hat sich der Erzähler für "einen gesteppten Parka und einen dicken Pulli à la 'Weekend auf den Hebriden'" entschieden. "Ich stelle mir vor, dass ich im Rollenspiel, das sich gerade entwickelt, den 'Systemmenschen' abgebe, den kompetenten, aber ein wenig schroffen Techniker, der keine Zeit hat, sich um seine Kleidung zu kümmern, und zutiefst unfähig ist, mit dem Benutzer ins Gespräch zu kommen. Das passt mir ausgezeichnet." Soziale Kontakte außerhalb der Arbeitswelt hat der Erzähler kaum. (Einmal, als der Zähler seines Anrufbeantworter eine Eins zeigt, wundert er sich. Aber es war nur eine Frau, die sich wohl verwählt hatte und seine Ansage mit den Worten "armer Idiot" kommentierte.) Hin und wieder trifft er sich mit einem alten Schulkameraden, dem Pfarrer Pierre Buvet, aber zu sagen haben sie sich kaum etwas. Tisserand ist 28 Jahre alt. Obwohl er – wie der Erzähler – einen gut bezahlten Job hat, also beruflich zu den Siegern gehört, hat er noch nie etwas mit einer Frau gehabt. Dabei versucht er es bei jeder, die in seine Reichweite kommt. Keine möchte etwas von ihm wissen. Klar, er könnte jede Woche eine Prostituierte bezahlen, aber er will Sex gratis bekommen, wie andere Männer, und ein bisschen Liebe obendrein. Bei jeder Gelegenheit versucht es Tisserand – anders als der Erzähler, dessen Beziehung mit einem Mädchen namens Véronique vor zwei Jahren gescheitert ist und der seit dieser Zeit auch nicht mehr mit einer Frau geschlafen hat, sich aber auch gar nicht mehr darum bemüht, sondern lieber in irgendeiner Toilette masturbiert, wenn ihm danach ist. Kurz vor Weihnachten kauft der Erzähler in einem Supermarkt ein Filetmesser. Er schlägt Tisserand vor, den Heiligen Abend in einem Tanzlokal zu feiern. Tisserand ist zwar Jude, aber er lässt sich dazu überreden. Wieder versucht er ebenso verzweifelt wie vergeblich, ein Mädchen für sich zu gewinnen. Eine attraktive 17-Jährige, die ihm besonders gut gefällt, verlässt das Lokal mit einem fast gleichaltrigen gut aussehenden Mischling. Der Erzähler versucht Tisserand klar zu machen, dass er schon aufgrund seiner vielen Frustrationen nie Erfolg bei Frauen haben wird. Aber er könne sie auf eine andere Weise besitzen: "Wenn du diese Frauen vor der Spitze deines Messers zittern und um ihre Jugend flehen siehst, wirst du wahrhaftig ihr Herr und Meister sein; du wirst ihren Leib und ihre Seele besitzen." Sie folgen dem jungen Paar an den Strand. Tisserand nimmt das Messer und nähert sich den beiden, beobachtet, wie sie sich ausziehen. Doch er sticht nicht zu, denn "er will Sex und nicht morden" (Michel Houellebecq in einem Interview. "Der Spiegel" 43/1999). Bei der Rückfahrt kommt er durch einen Verkehrsunfall ums Leben. Kurz darauf bricht der Erzähler in Rouen mit einer Herzbeutelentzündung zusammen und liegt einige Tage lang im Krankenhaus. Am Neujahrstag geht es ihm deutlich besser: "Mein Zustand nähert sich dem Stumpfsinn; das ist gar nicht schlecht." |
Buchbesprechung: |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Michel Houellebecq: Elementarteilchen |