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Thomas Bernhard
Eine
kleine Materialsammlung
Man schaut und hört wie gebannt, und weiß doch nie, ob er einen
gerade auf den Arm nimmt, oder es ernst meint mit seinen grandiosen
Monologen über Gott und Welt. Ja, der Bernhard hatte schon einen
Humor, gelt?
Hörprobe

Die Fluchtbewegungen des Bob Dylan
»Oh
my name it is nothin'/ My age it means less/ The country I come from/
Is called the Midwest.«
Ulrich Breth über die
Metamorphosen des großen Rätselhaften
mit 7 Songs aus der Tube
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Liebe in Tübingen
Eine kurze Geschichte von Joe Bauer
Auf der Brücke über dem
Fluss warfen mich die Musiker aus dem Auto. Es war schon dunkel am frühen Abend,
die Musiker sagten, ich hätte genügend Zeit, bis die Show beginne. Die frische
Luft, sagten sie, täte mir gut, ich solle mir Hölderlins Geist um die Nase wehen
lassen. Dann fuhren sie davon.
Ich stand auf der Neckarbrücke in Tübingen und schaute aufs Wasser. Es
schimmerte schwarz. Ich mag kein Wasser bei Nacht. Es erinnert mich an Clint
Eastwoods »Mystic River«. Mein Gott, dachte ich, wie viele Leichen mögen in
dieser Brühe schwimmen. Wie viele Abgründe tun sich hier auf.
Mein Blick löste sich vom Wasser, ich schaute mich um und sah ein Metallschild
am Brückengeländer: »Fahrräder abstellen verboten«. Ich war zu Fuß, fasste mir
ein Herz und ging über die Brücke.
Es war hundekalt, mich fror erbärmlich. Unglücklicher Friedrich, sagte ich,
deine Liebe ist kalt und böse.
Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Ich war hierher gekommen, um einen Abend
zu Ehren des verstorbenen Musikers Johnny Cash zu besuchen.
Ich wollte hören, wie einer singt: »I’m just goin‘ over Jordan«, wollte über den
Mystic River, nicht über den Neckar von Tübingen, wo man viel mehr verbieten
müsste als Fahrräder. Studenten mit Mützen, Studenten, die nirgendwo so dämlich
grölen wie in Tübingen.
Vermutlich haben viele längst dafür gebüßt. Vermutlich liegen auf dem Grund des
Neckars die Leichen unzähliger Studenten, krepiert unter den Säbeln, Fahnen und
Witzen der Burschenschaftler.
Es wurde kälter, ich ging zum Auftauen in die Osiandersche Buchhandlung. Vor den
Regalen beschlich mich ein böser Gedanke. Nicht was Sie denken, ich wollte keine
Bücher klauen, ich wollte es Tübingen zeigen – seinem Fluss, seinen
Fahrräder-verboten-Brücken.
Ich sah ein paar früh gealterte Pulloverträger und die
Taschenbücher-Neuerscheinungen. Philip Roth, Jonathan Franzen, Leon de Winter.
Das wollte ich nicht. Dann hatte ich Glück. Ich sah etwas, das mir den Abend
retten könnte: »Nächte in New York – Erotische Erinnerungen« von Diane di Prima.
Ich blätterte darin, meine Nase begann zu tropfen. In diesem Buch war nichts
verboten, gar nichts. Ich zahlte acht Euro neunzig und ging hinaus in den
Weihnachtsbetrieb der Tübinger Innenstadt.
Ich suchte nach einem Platz, wo ich in Ruhe in meinem Buch lesen könnte, mich
rächen an dieser Stadt, die so erotisch roch wie gefrorene Hühnerschenkel.
Ich stapfte vor mich hin, bis ich wieder vor der Neckarbrücke stand. Linker Hand
ein gläsernes Wirtshaus mit Namen Neckarmüller. Ich bestellte saure Kutteln mit
Bratkartoffeln und las die erotischen Erinnerungen: »Unser Kuss begann mit
weichem Mund, entspannt, spielerisch, die Lippen streifend, der Versuch, ein
Mund zu werden...«
Das ist gut, Tübingen, dachte ich, es wird bei diesem Kuss nicht bleiben heute
Nacht, es wird eine Nacht, in der wir Fahrräder und Burschenschaftler knacken.
Als ich meine sauren Kutteln gegessen hatte, war es mir, als müsste ich die
Toilette aufsuchen, bevor ich hinaus ginge ans Ufer des schwarzen Wassers, um in
ein Taxi zu steigen. Ich ging die Treppe hinunter zum Herrenklo.
Als ich wieder hoch kam, las ich links an der Wand einen säuberlich hingemalten
Spruch: »Liebe ist – deiner Frau nicht ständig das frische Bier wegzutrinken«.
Ich presste »Nächte in New York – Erotische Erinnerungen« an mich und ging
hinaus in die Nacht von Tübingen. »I’m just goin‘ over Jordan«, summte ich und
stieg in ein Taxi. »Liebe«, sagte ich zum Taxifahrer, »Liebe ist, deiner Frau
nicht ständig das frische Bier wegzutrinken.« Er sah mich an, nickte wissend,
und er sah aus, als hätte er promoviert.
Als ich aus dem Autofenster sah, war mir, als hätte der schwarze Fluss gestöhnt
wie nach einem harten Kuss. Womöglich aber hatte er gefurzt, entspannt,
spielerisch, die Löcher dieser Geschichte streifend, der Versuch, ein Arsch zu
werden.
Seit diesem Abend weiß ich alle über die Liebe in Tübingen. Über die
Unmöglichkeit, jemals in dieser Stadt ein frisches Bier zu trinken. |
Weitere Stories:
Männer im Zug
Eine kurze Geschichte von Joe Bauer
»Es war vor Fulda, als sie einstiegen. Ich saß im Zug auf dem Weg nach
Stuttgart. Ich kann mir immer nur Fulda merken. In Fulda gibt es den Slogan
»ideal zentral«. Damit meint Fulda sich selbst.«
Der Hochseilartist
Eine kurze Geschichte von Joe Bauer
»Ich habe mich gefreut damals, als ich gehört habe, der berühmte Artist Johann
Traber, ein gebürtiger Stuttgarter, wolle in einem Auto auf zwei Stahlseilen zur
Spitze des Fernsehturms hochfahren. Es hätte nach meinem Geschmack nicht
unbedingt in einem Smart sein müssen. Eine Frage der Würde, aber ich schluckte
die Kröte. Die Show stieg am Himmelfahrtstag, ich wünschte dem Kollegen Traber
noch viele Jahre auf Erden und tauchte ab in die Vergangenheit.« |