Leseprobe:
transit
am ufer des neulands wirst du deine
muttersprache ablegen. wolken, die über
die ziehen, werden echos von worten sein,
die du einmal gesprochen hast, doch
jetzt verschweigst. lange nach dir
werden die luftritter deiner einbildungen
eintreffen, die liebe, die sorge, der einklang,
fremd wie die riesen la manchas. ein roh
gezimmerter rahmen aus rauch ist das haus,
das du einmal bewohntest. es schwebt
über dir, kaum fasslich, unwägbar wie du.
an die küste geschwemmt, ein alter kamm,
der falsche socken zum richtigen schuh.
der zerknüllte horizont in deiner hand,
eine insel aus grellem papier.
(S.34)
das unsichtbare mädchen (I)
nimm den holzdielenboden zuerst, auf den du sie
stellst, die haarspangen und reifen, das fliegengewicht
eines tüllkleids, das sie gern trägt. nimm das erste,
umständlich beschriebene blatt mit krakeliger schrift.
nimm die aufgebrochenen schneckenhäuser,
das horn eines widders, den silbernen knopf,
nimm die malzbonbons aus der dose, ihre
aufgeschlagenen knie, wirf alles achtlos zusammen,
häufe sie. nur den namen vergiss, der meint nicht sie.
(S.59)
deckname
habe straßenkarten auswendig gelernt
und verschlungene wege. meine haut
spannt weiß, wie vom kalksand gefärbt.
unter den fingernägeln brechen schachtelhalmknospen
auf als wegweiser. worte surren im hautzelt,
das mich bedeckt als täuschungsmaske.
ich schlage die trommeln und lasse leuchtraketen
steigen, die gefährlich aufflammen in meinen
augen. ein lufthauch könnte mir den schutzschirm
vom körper reißen. noch weht er nicht,
noch glaubt man mich zu erkennen.
wenn mein name genannt wird, soll ein
weißes tuch in der landschaft sein. ich war da.
(S.70)
© 2014 Wallstein Verlag, Göttingen