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Leseprobe: Thomas Fitzner - "Die Kaktuspflückerin."

Auch damals, bis zu jenem Tag im Dezember 1979, als sie noch der Star der firmenweiten Star-Abteilung war, hatte Rita nie eine Waffe mit sich herumgeschleppt. Kein Betäubungsspray, keine Damenpistole, und sie beherrschte keinen einzigen Karategriff. Während ihr Privatleben schon damals den Bach hinunterging, schien ihr eine glänzende Karriere als Ermittlerin gewiß. Sie scheute kein Risiko und nahm, einen nach dem anderen, zuerst die kleinen, dann die großen Versicherungsbetrüger auseinander, systematisch, kühl und mit beängstigender Erfolgsquote. Ihr Selbstbewußtsein kannte keine Grenzen. Sie stöberte in Slums, wagte sich in mafiaverseuchte Nachtklubs, schreckte auch vor hohen Tieren nicht zurück. Es war die Zeit, als sie "die Füchsin" genannt wurde.
Alles das kam im Dezember 1979 zu einem Ende, von dem später die Eingeweihten sagten, es sei vorhersehbar gewesen. Das Schiff hieß "Karina Cargo". Es sank im Mai 1979, aus Neapel kommend, mitsamt seiner für die USA bestimmten Ladung - einer seltsamen Mischung aus Textilien, Unterhaltungselektronik, Lebensmitteln und Autos - in der Nähe von Malta. Safee Securities war drauf und dran, die Versicherungssumme zu überweisen, als ein hartnäckiger Erbsenzähler der Buchprüfertruppe am ungeliebten Terminal von "lnspektor Clouseau" - dem damals revolutionären Safee-Computersystem - eine kleine Unstimmigkeit entdeckte: Ein Teil der Ladung, bestehende aus Grundig-Stereoanlagen, war von einer Gesellschaft in Kalifornien bestellt worden. (S. 22)

Als ob er nicht genug Probleme hätte. Zum Beispiel dieser Aztekenstein, der sich schlagartig verdreifacht hatte. Oscar hatte sich nur mit Mühe davon abhalten können, mit Rita Kontakt aufzunehmen. Sein Instinkt rüttelte an den selbstverordneten Gitterstäben wie ein nervenkranker Zoo-Affe. Warum vertraute sich Mares nicht dem FBI an? Warum sollte irgend jemand glauben, seine Erklärung sei diesmal nicht Teil eines weiteren wohldurchdachten Täuschungsmanövers? Oscar war davon überzeugt, daß Valladolids letzter, verzweifelter Schachzug draußen in Teotihuacán genauso auf des Ministers Mist gewachsen war wie all die vorangegangenen Lügen. Etwas steckte dahinter, VERFLUCHT.
Und Rita stieg einfach aus. Kaum zu fassen.
"Bist du katholisch?" hörte er die kleine, hartnäckige Stimme Manuelas, die an seinen Nervensträngen feilte wie eine Mücke, die Flugmanöver an seinem Ohr vollführte.
"lch glaube schon", lallte er, ohne seinen perfekt gebetteten Körper einen Millimeter zu bewegen, und sandte seiner doppeldeutigen Antwort ein leises, aber stolzes "Haha" nach.
Sie ging auf sein Wortspiel nicht ein. "Glaubst du, wir tun das Richtige?"
"Das kommt ganz darauf an, welchen Körperteil du befragst."
Manuela seufzte. Oscar fügte müde hinzu: "Manuela, Schatz. Du wirst doch nicht einen zweitausend Jahre alten Text, der - journalistisch gesehen - aus vollkommen unüberprüfbarer Quelle stammt, erlauben, uns die Freude am Zusammensein zu nehmen?" Oscar war über sein eigenes Argument erstaunt. Denn eigentlich war er ja katholisch. Aber er war auch Journalist.
"Es geht nicht um den Glauben. Es geht um meine Eltern."
Oscar fühlte sich von einem nervösen Energiestoß aufgerüttelt und sagte ungewollt laut: "Manuelita - was willst du EIGENTLICH sagen? Raus damit! Höre ich da im Hintergrund ganz leise ein paar Glöckchen läuten?"
Die Antwort war Stille. Oscar verzog das Gesicht. Er sah kleine Kinder, die schrien und Windeln vollkackten. Eine keifende, dicke Manuela, mit dem vierten Baby schwanger, einen Kochlöffel in der Hand. Er sah sie im Möbelhaus eine Wohnzimmer-Garnitur aussuchen. Ihm wurde schlecht.
(S. 292f.)

(c) 1998, Rotbuch, Hamburg.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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