"Und wenn die Geschichte geschrieben ist, wenn man nichts tut, wenn man wieder im Müßiggang lebt, im verdienten oder im nicht verdienten, wenn dann die Geschichte sozusagen aus der Luft zu einem zurückkommt, ist es eigentlich ... die schönste Zeit. Man hört ja immer wieder: Der was geschrieben hat, fällt dann in ein Loch, oder er fühlt die Leere im Innern. Das ist ganz und gar nicht so bei mir. Bei mir kommt dann die Geschichte zu mir zurück, und dann denke ich: Ja, ich hab's geschrieben. Dieses Gefühl: Ich habe geschrieben, ist eigentlich ein größeres und besseres Gefühl als: Ich schreibe. Wenn ich das in der Gegenwart, im Präsens ausdrücke. Dann komm ich mir oft wie ein Halunke oder wie ein Schurke vor, der sich drückt vor ... dem, was seine Bürgerpflicht ist. (Lacht.)
In einem Gespräch mit André Müller hast du zwei Sachen gesagt: Einmal: man brauche eine gewisse Schamlosigkeit zum Schreiben. Und dann: Es habe dich hingezogen zum Schreiben aus einem Bedürfnis zu lieben. Was meinst du mit 'Schamlosigkeit'?
Ja, Schamlosigkeit, das trifft auch nicht mehr zu. Und das Bedürfnis zu lieben ist vielleicht auch nicht mehr etwas so ... Umfassendes, 'etwas sanft Umfassendes herzustellen', wie es da im 'Nachmittag eines Schriftstellers' einmal steht. Ein Werk ist etwas, das sich durch Benutzung nicht abnützt. Es wird benützt, nutzt sich aber nicht ab. Früher hat man 'Werk' gesagt, und das ist ein eigentlich gar nicht so unschönes Wort. Ich fand das lange lächerlich, aber warum nicht ab und zu an einer bestimmten Stelle das Wort Werk verwenden? Um das mit der Liebe abzuschwächen oder vielleicht zu variieren, würde ich sagen: irgend etwas Umfassendes und zugleich Leichtes, das schwebt mir vor. Das Haus der Winde, denke ich oft, das wäre ein Buch, Haus aller Winde, und keiner ist dann so gefährlich wie der Mistral oder es sind wirklich die Winde, wie sie bei Vergil stehen, der kalte Bora in Jugoslawien, und so weiter..."
(S. 71ff.)
© 2006, Wallstein Verlag, Göttingen.