Kalkreuther kannte Rainhard vom Burgtheater her, vom Stehparterre. Bei einer schlechtbesuchten Handke-Vorstellung waren sie ins Gespräch gekommen, über das Stück und seine endlose Weite (oder entsetzliche Länge, je nach Ergriffenheitsgrad), über Schauspieler, Inszenierungen, über das Publikum und schließlich über sich selbst. Bald standen sie regelmäßig vor Beginn einer Vorstellung und in den Pausen nebeneinander und redeten, Rainhard in seiner braunen Uniform Programmhefte anbietend und sachte den Publikumsstrom lenkend, Kalkreuther lässig, die Leute beobachtend, von ihnen gesehen.(S. 29)
Ein blonder Typ mit neuer Lederjacke, echt alt, saß an der Bar vor einem Achtel Rot und blätterte in der Kronen-Zeitung. Entweder ist ihm extrem fad, dachte Kalkreuther, oder er weiß nicht, was sich gehört. Daneben ein kleiner geschniegelter Schwuler, den er vom Stadtkino kannte, auf Zwischenstation hier, auftanken. Rainhard redete von Bogart-Filmen.
"Was würde Bogey zu dem Typen sagen", fragte ihn Kalkreuther mit einer Kopfbewegung Richtung Bar.
"Na, wie geht's unserem Jungen?"
"Und er drauf-:"
"Vergisses. Zuviel Regen." (S. 25)
Er rührte in seinem Kaffeehäferl um und sah einen Strudel unterschiedlich schneller Flankerl; schaute auf das Tischtuch und verfing sich in dem komplizierten Muster (arabisch, Flohmarkt). Als wäre er hypnotisiert, starrte er vor sich hin und redete mit sich selbst.
Ich könnte jemanden kennen, der ungefähr in meinem Alter ist; selbständig (muß kein Student sein). Hat irgendwie mit Kunst oder Kino oder Krimis zu tun. Rainhard kennt ihn noch nicht. Ich erfinde ihn mir.
Ich sehe ihn, wie er sich bewegt, was er macht. Ich folge ihm, wie er anderen folgt. Kein Künstler, aber eine künstliche Figur. Collage. Dann sah er auf, und im Fernsehsessel saß einer, und Kalkreuther wußte,das ist Franz. Über den Bildschirm liefen Reste von Kunststücken. (S.75)
(c) 1997, Edition Pangloss, Wels.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.