Zur Leichenzehrung gab es Rindfleisch mit Semmelkren, Kaffee und Nußtorte. Der Großvater war schweigsam und ging schon vor dem Kaffee. Die anderen tranken weiter, bis ihnen die weißen Hemdkrägen zu eng wurden und bald hingen schwarze Krawatten über den Sessellehnen und die Männer standen an der Bar und am Flipperautomaten und auch die verweinten Gesichter der Frauen belebten sich mit der Zeit. Es sei besser für alle gewesen, daß es mit der Großmutter am Ende doch so schnell gegangen sei, sagten die Frauen zu seiner Mutter. Die Mutter erzählte, daß die Großmutter, bevor sie sie ins Spital brachten, tagelang regungslos am Fenster gestanden sei. An dem Fenster, vom dem aus man nichts anderes sehen könnte als das Nachbargrundstück mit der Lärmschutzwand der Autobahn. Tagelang sei die Großmutter dagestanden und habe hinübergeschaut und auf keine Zurufe reagiert. Das habe beim Großvater wieder die Eifersucht auf den Lokführer geweckt, der doch längst unter der Erde sei. Komischerweise, sagte die Mutter, ließ der Großvater diese Eifersucht nie an mir aus oder an der Großmutter, sondern am Schneckenkönig, aber den hat er nun nicht mehr in Reichweite, der kommt nur noch zum Schlafen und treibt sich herum. Der Schneckenkönig gerät nach uns, sagte die Mutter, ein jeder will in eine andere Windrichtung, aber wir müssen hier zwischen Autobahn und Hafen im Kreis gehen. Das kann nicht gut gehen. Die Mutter hatte sich in Schwung geredet, die Frauen wurden unruhig, aber die Mutter duldete keine Unterbrechung. Der Vater und die Mutter, sagte die Mutter, waren eine Zweckgemeinschaft, weil sie dachten, sie hätten den selben Weg. Ein Bauer wird Matrose und ein Küchenmädchen geht aufs Schiff. Sie treffen sich und glauben, sie gehören zusammen. Schmarrn. Die Großmutter ist ihrem Schneckenkönig nachgereist und der Großvater seinem Riesenfisch. Sie hat den Schneckenkönig nicht gefunden und er seinen Riesenfisch nicht gesehen. Aus wars. (S. 74f.)
© 1999, Resistenz, Linz, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.