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Günther Loewit: Kosinsky und die Unsterblichkeit.

Eine Recherche. Roman.
Innsbruck: Skarabaeus Verlag 2004.
152 S.; geb.; Eur(A) 17,-.
ISBN 3-7082-3155-4.

Link zur Leseprobe

In einen Rahmen von physikalischen Thesen des Determinismus, der Quantenphysik und der Relativitätstheorie stellt Günther Loewit die Figuren und die Geschichte seines Romans "Kosinsky und die Unsterblichkeit". Naturgesetze oder Freiheit; was den Menschen die Möglichkeit zur freien Gestaltung ihres Lebens einschränkt ist für den Autor hauptsächlich das Raum-Zeit-System, die Familiengeschichte, die Kindheit. Die Geschichte einer Familie kann Ort und Zeit für einen Augenblick bewegen, kann ein Bild ergeben von den großen historischen Geschehnissen. Günther Loewit gestaltet ein solches Bild aus dem Geschehen des Holocaust.

Die Geschichte kreist um das Schicksal und Leiden der Familie Kosinsky von 1934 bis ins Jahr 2000. Fein verbindet Loewit die Geschehensfäden über das Jahrhundert. Den Hauptblickwinkel gibt der Sohn Alfred Kosinskys, der 1934 geboren wird. Er ist der Kosinsky ohne Vorname, im Unterschied zu seinem Vater Alfred und seinem Sohn Julius. Vor 1934 führt die Familie ein gutes Leben in Innsbruck. Alfred Kosinsky ist Anwalt. Er verweigert die Kenntnisnahme der ersten Anzeichen der Degradierung der Juden. Weil Innsbruck seine Heimat ist und auch weil seine Familie schon länger konvertiert ist. Somit wird er über Nacht von der Wirklichkeit überfallen. Kosinsky ist jedoch einer der "Glück" hat, er überlebt den Krieg.

Er wird verfolgt, nach Reichenau verschleppt, wieder entlassen, abermals verfolgt, er überlebt furchtbare Verhöre, versteckt sich in einem Heustadel, versteckt sich in einer psychiatrischen Klinik. Er lebt wie ein "scheues, angstvolles, aufmerksames Tier" Kurz nach Kriegsende verletzt er sich am Finger und stirbt, da die Wunden, die ihm in den Kriegs- und Verfolgungsjahren zugefügt wurden zu tief waren, "als dass sie mit Pflastern hätten geheilt werden können"

Die Geschichte ist aufgebaut in kurzen szenischen Impressionen, die sich nicht an zeitlich lineares Aufeinanderfolgen halten. Loewit entfaltet langsam die Geschehnisse, blickt nach vor, blickt zurück, nähert sich an, gibt tieferen Einblick. Durch dieses sprunghafte Erzählen in der Zeit verdeutlicht er die Anbindung der Generationen an den Holocaust, die wellenartige Verbreiterung der Traumata, die soziale Vererbung von Verletzungen, Verhalten, Schweigen. Geschehnisse aus dem Jahre 1970 schließen sich an 1934, folgen emotional 1945 usw. Diese Erzählweise entwickelt ein großes, verknüpftes Bild des Holocaust, der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und der daraus resultierenden Lebensgestaltungen und Erlebensweisen der späteren Generationen sowie der Beziehungen und Bindungen innerhalb der Familien und zur "Heimat"

Der Heimatbegriff in diesem Buch ist sehr zwiespältig. Eigentlich "illegal" überlebt, ist es schwer, sich wieder in diesem Land einzugliedern und heimisch zu fühlen. Loewit geht auch der Frage nach Schuldgefühlen nach, gegenüber den ermordeten Verwandten, gegenüber der Familie, gegenüber der Zerstörung.

"Kosinsky und die Unsterblichkeit" ist ein stilles Buch; still im Leiden und der Einsamkeit, auch still im Verlust der Heimat und der vererbten Narben. "Unsterblich" sind die Wirkungen dieses Geschehens. Die tiefen Wunden, welche über Generationen vererbt werden. Antisemitismus, der noch gesellschaftliche Wurzeln hat und den Enkel an einer Innsbrucker Schule trifft und verwirrt. Ein kurzer Aufenthalt des Sohnes von Alfred Kosinsky und dessen Familie in den USA macht die Opfer zu Tätern, sie werden als Deutsche und Nazis beschimpft. Günther Loewit erzählt von Familienverhalten und Familienschweigen, welches die Kinder und Enkel prägt. Und von der Entfremdung zwischen den Generationen.

Der Text weist bezüglich der Produktion ein eigentümliches Satz-Bild im Buchblock auf. Absichtlich oder nicht, der Satzspiegel ist ungewöhnlich tief nach unten gerutscht, was erstaunlicherweise den Eindruck von Verstecken, Untertauchen, sich ducken und auch schweigen, flüstern verstärkt. Der Inhalt prägt die Form. Die Form verstärkt den Inhalt.

 

Simone Czelecz
3. Jänner 2005

Originalbeitrag

 

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