Es lesen Helmut Qualtinger und der Autor
Spielzeit: 76:19 Min.
ISBN 3-902027-49-5
Preiser-Records 2002
Auch - oder vielleicht sollte man sagen: besonders - Parodien sind "endlich". Robert Neumann, der 1927 mit dem ersten Band der "Fremden Federn" als Parodist debütierte, (1932 erschien "Mit falscher Flagge", 1955 ein zweiter Band der "Federn") hat das klar erkannt. Seine Parodien haben zwar sein umfangreiches sonstiges Werk - Lyrik, Theaterstücke, Romane, Essays und mehrere autobiographische Bücher - zu Lebzeiten überdeckt. Doch Neumann hat sich von diesem Erfolg, der ihm möglicherweise gar nicht so erwünscht war, nicht täuschen lassen. In seinen Bemerkungen "Zur Ästhetik der Parodie" hat er als deren unmittelbares Ziel das Lachen des Lesers genannt. Und dieses Lachen, meint er, habe zwei Motive: die "Spießerfreude am zweckentfremdeten Material" und die schlichte "Wiedersehensfreude" bekanntem Material gegenüber. Das ist im Grund eine resignierte Positionierung, mit der Neumann seine eigene Begabung entwertet: wie gut auch immer eine Parodie ist, sie schmarotzt am Ruhm des Parodierten und der Vertrautheit des Lesers mit ihm.
Was also geschieht, wenn man eine CD mit Parodien hört, von denen einige vor 75 Jahren erstmals erschienen sind? Wenn wir Neumanns eigene Überlegungen anwenden, dann hat die Parodie auf Rilkes "Weise von Liebe und Tod des Cornet Christoph Rilke" noch eine Chance, während der Text "Der von Trawerz", eine Parodie auf den längst vergessen Börries von Münchhausen, wohl "untergeht". Doch Neumanns Selbsteinschätzung stimmt nur teilweise: Tatsächlich langweilt die Parodie auf Axel Munthe's seinerzeitigen Ultra-Bestseller "Das Buch von San Michele" ein wenig. Doch die Bindung einer Parodie an die Aktualität eines Autors ist nicht so stark, wie Neumann das befürchtet hat: jene auf den vergessenen Richard Billinger ("immer sitzen Dämonen auf dem Abtritt"), auf den auch nicht mehr wirklich aktuellen Karl Schönherr und auf Carl Zuckmayers seinerzeitiges Erfolgsstück "Der Fröhliche (Schwein-)Berg" bringen einen heute noch zum Lachen. Man kann das wohl als einen Triumph Neumanns bezeichnen, (und im übrigen als Argument dafür, dass die Parodie durchaus Kunstcharakter haben kann) dass sich gewisse seiner Texte sozusagen verselbständigt und ihr Objekt überlebt haben: das klassische Aufklärungsbuch des Doktor van der Velde von der "Vollkommenen Ehe" ("ich aber lehre Euch die Hoch-Ehe") ist heute nur mehr von historischem Interesse, doch Neumanns Fußnote in seiner Parodie auf die eigenartige "wissenschaftliche" Argumentationsweise des Autors in einem Themenfeld, das ganz andere Interessen mobilisiert, wird wohl noch lange einen zwanghaften Lachreflex mobilisieren: er verweist auf den in einer "Gynaikologischen Rundschau" erschienen Aufsatz eines (?) gewissen Mutzenbacher mit dem schönen Titel "Kann die Immissio Penis noch als Neckerei gewertet werden". Es zeigt sich auch, dass gewisse überzeitliche Eigenschaften und Konflikte in der Parodie auch dann wirken, wenn die Urheber der parodierten Texte im kulturellen Gedächtnis nur mehr schwach präsent sind - etwa Hans Habe, der Sohn des Imre Bekessy, dessen eitel-exhibitionistische Autobiographie "Ich stelle mich" bei Neumann unter "Ich stelle mich aus" firmiert, oder Arthur Koestler, dem die Parodie vorwirft, seinen eigenen Anteil im Kampf gegen Stalin, sagen wir einmal, "ein wenig zu hoch" angesetzt zu haben. Ein immerwährender Grund zum Lachen sind auch die sprachlichen Unterschiede zwischen "Preußen" und "Österreichern" und die (österreichische) Unterstellung an jene, "Angeber" zu sein. Das ist ein Gebiet, in dem Helmut Qualtinger lebenslang brillierte, und so macht es nichts, dass sowohl H. H. Kirst's "08/15" (hier: "05/18") wie auch die Memoiren des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, ein Bestseller aus den Zeiten unserer (Ur-)Großeltern, heute vergessen sind.
Qualtinger brilliert auch - wie zu erwarten - als nicht mehr ganz geistesfrischer Franz Theodor Czokor oder als gekünstelt naive Francoise Sagan. Dass er offensichtlich nicht die Gelegenheit hatte, Martin Heidegger zu hören, ist bedauerlich. Neumanns Text "Was ist existentionell" ist eine köstliche kleine Vorlesung, die den Sprachduktus Heideggers exakt trifft, das persönliche Idiom, das zur Parodie ebenfalls einlädt, wird von Qualtinger aber verfehlt. Auch Robert Neumann ist - in den Parodien auf Rilke, Roda-Roda oder Erich Maria Remarque - ein der Qualität seiner Texte adäquater Interpret. Hier allerdings beginnt das Feld, in dem vielfältige Beschwerden an die Firma Preiser zu richten sind: das Titelverzeichnis gibt nicht an, wer welche Titel liest und da Qualtinger als Imitator über ein extrem breites Feld disponierte, muss man sozusagen zweimal hinhören, bis man den Interpretenwechsel ab Titel 15 registriert. Lieblos ist auch, dass es außer einem nichtssagenden Auszug aus Gero von Wilperts "Deutschem Dichterlexikon" keine Informationen zu den Texten gibt und wir auch nicht erfahren, wann und aus welchem Anlass die Aufnahmen entstanden sind. Und schließlich: warum der völlig unparodistische, Neumanns Autobiographie "Ein leichtes Leben" entnommene "Besuch bei Adolf Schärf" - eine billige Hommage an das damalige Staatsoberhaupt - unter die "Parodien" aufgenommen wurde, ist erklärungsbedürftig. Der Text steht, gemeinsam mit einem Bericht über eine Begegnung mit dem Schauspieler O. W. Fischer ("Ein Privatgelehrter mit Namen Fischer") an exponierter Stelle, nämlich am Anfang der CD. Es wäre schade, wenn die beiden Nummern - die "schwächsten" der ganzen CD - potentielle Interessenten, die einmal "hineinhören", abschrecken würden.
Originalbeitrag
Alfred Pfabigan
28. Jänner 2003