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Michael Krüger- Juror des Erich Fried-Preises 2006

Von Klaus Amann, dem Präsidenten der Fried Gesellschaft, anlässlich der Verleihung des Erich Fried Preises 2006 am Sonntag, dem 26. November 2006, im Literaturhaus in Wien.

Der Erich Fried-Preis wird auf Vorschlag einer jährlich wechselnden, autonom entscheidenden Jurorin oder eines ebensolchen Jurors vergeben. Dieser Modus ist dem Verfahren nachgebildet, das bei der Vergabe des renommiertesten deutschen Literaturpreises vor 1933, des Kleist-Preises, angewendet wurde und das seit der Neuerrichtung des Preises 1985 wieder angewendet wird.

Beim alten, 1912 gegründeten Kleistpreis hieß der Juror Vertrauensmann. Er war also derjenige, dem der Vorstand der Gesellschaft zutraute, den Richtigen oder die Richtige zu finden und dem er vertraute, dass er sich bei dieser Aufgabe ausschließlich von literarischen, d.h. von qualitativen Gesichtspunkten leiten ließe; dass also persönliche Rücksichten und Beziehungen außer Betracht blieben. Da der Kleist-Preis, wie übrigens auch der Erich Fried-Preis, nicht für ein Lebenswerk vergeben wurde, sondern an Schreibende jüngerer Jahrgänge, die noch eine, hoffentlich große literarische Zukunft vor sich haben, erforderte diese Aufgabe vom Vertrauensmann, und erfordert sie von unserem Juror, auch prognostische Fähigkeiten. Dass sogar dieser Umstand für das gewählte Verfahren spricht, wird in einem Dokument von 1912 so beschrieben:

„Die Ernennung eines Vertrauensmannes soll verhindern, daß über erst entstehende Kunstwerke durch Mehrheitsbeschluß entschieden wird. [...] Mehrheiten einigen sich erfahrungsgemäß auf die brave - oder öfter noch unbrave - Durchschnittsbegabung, die es allen annähernd recht macht. Nur ein einzelner kann sich rücksichtslos für das Außerordentliche einsetzen; nur ein einzelner ist auch imstande, die volle Verantwortung dafür zu tragen, besonders vor dem Urteil der Zukunft. In einer Jury verschwindet jeder hinter dem breiten Rücken der Mehrheit.“

Natürlich könne der einzelne auch irren, heißt es weiter, wie zum Beispiel Goethe im Falle Kleist, das sei nicht zu vermeiden, doch es sei so zumindest der Kuhhandel ausgeschlossen, der in den Jurys gang und gäbe sei. Die exponierte Stellung des Vertrauensmannes werde zwar dazu führen, dass er allerlei Anfeindungen ausgesetzt sei, aber, heißt es abschließend wörtlich „ das soll er [auch sein], das schärft noch mehr sein allgemeines Verantwortungsgefühl.“

Ein solcher Juror, nein, ein solcher Vertrauensmann ist Michael Krüger. Er ist einer, für den von jeher das Außerordentliche bestimmend war. Sein ganzer Lebensweg steht unter diesem Signum. In seinem Fall trägt es den Namen Literatur: Und zwar in vielerlei Gestalten. Stichworte nur: Lehre als Verlagsbuchhändler und Buchdrucker in Berlin, gleichzeitig bereits Umgang und Freundschaft mit Günter Grass, Ingeborg Bachmann, H.C. Artmann, Peter Weiss, Reinhard Lettau und vielen anderen. „Das war meine Schule“ hat er einmal gesagt. Von 1962, da war er 19 Jahre alt, bis 1965 arbeitete er als Buchhändler in London. Dort Umgang und Freundschaft mit Erich Fried und Elias Canetti. Wieder in Berlin besuchte er abends, nach der Arbeit, die Vorlesungen von Peter Szondi an der FU. 1968 Verlagslektor bei Hanser in München. Ab 1981 alleiniger Herausgeber einer der wichtigsten deutschsprachigen Literaturzeitschriften, der 'Akzente'. 1986 Verlagsleiter von Hanser mit der Verantwortung für das literarische Programm.

Neben vielen anderen Funktionen in Jurys und Beiräten war er unter anderem Jurymitglied und zeitweise Geschäftsführer des Petrarca Preises - und das war, Sie wissen es, zweifellos einer der visionärsten und attraktivsten europäischen Literaturpreise. Seit 1995 ist Michael Krüger Geschäftsführer und Gesellschafter des Hanser-Verlages, zu dem mittlerweile auch der Paul Zsolnay-Verlag, und der Schweizer Verlag Nagl& Kimche gehören, vielleicht auch noch ein paar andere. Mit anderen Worten: Er ist Herr über mehr als 200 Neuerscheinungen pro Jahr. Es ist kein Geheimnis, dass es gar nicht so wenige Leserinnen und Leser gibt, und ich zähle mich dazu, die das literarische Programm, das Michael Krüger mit seinen Leuten macht, schon seit geraumer Zeit für das attraktivste im deutschsprachigen Raum halten. Dabei setzt er sich seit 40 Jahren geradezu programmatisch für das Anspruchsvolle, das Außergewöhnliche ein, das oft auch das am wenigsten Marktkonforme ist. Ich denke dabei nicht nur an die edition akzente und an sein besonderes Engagement für die Lyrik, aber doch auch. Welcher andere deutschsprachige Verlag hat ein derartiges Poesieprogramm wie Hanser unter Krüger: bei ihm erscheinen die Nobelpreisträger Jahrzehnte bevor sie es werden: Namen: Joseph Brodsky, Derek Walcott, Seamus Heaney. Die gleiche Findigkeit und geradezu prognostische Qualität zeigen die Akzente. Blättern sie einmal ein paar ältere Jahrgänge durch. Sie werden staunen.

Daneben, und das ist vollends unglaublich, entwickelte Michael Krüger seit 1966 eine umfangreiche publizistische Tätigkeit als Rezensent und Essayist. Seit 1972 veröffentlicht er Lyrik und seit 1984 Prosa, Romane und Erzählungen. Seither gab es mehr als zwei Dutzend literarische Veröffentlichungen in Buchform. Wie viele Leben hat dieser Mann eigentlich? Doch nicht der Umfang dieser Tätigkeiten ist es, der einen sprachlos macht. Es ist deren Qualität. Ein gutes Dutzend Literaturpreise zeugen davon: darunter der Peter Huchel-Preis, der Ernst Meister-Preis und der Mörike Preis. Alle deutschen Akademien, die etwas mit Literatur zu tun haben: nämlich die Bayerische, die Darmstädter, die Mainzer und die Berliner haben ihn zu ihrem Mitglied ernannt. Die Universität Bielfeld hat ihm für seine Verdienste um die Literatur ein Ehrendoktorat verliehen. Ich muss mich beschränken: kann es aber nicht, ohne zumindest die folgende Feststellung noch los zu werden: Dass Michael Krüger, um das mindeste zu sagen, zu den wichtigsten Lyrikern der Gegenwart zählt, werden allenfalls jene anzweifeln, die kostitutionell nicht wahrhaben können, dass ein erfolgreicher Verleger auch ein exzellenter Schriftsteller sein kann.

Dieser Kenner, Liebhaber, Praktiker und Visionär der Literatur ist unser diesjähriger Vertrauensmann. Er verfügt über jene Fähigkeiten und Qualitäten, die für das Auffinden und Erkennen des Außerordentlichen vonnöten sind, in reichem Maße. Er hat eine Wahl getroffen, und er wird sie gleich von hier aus begründen. Ich bin davon überzeugt, dass es eine Wahl ist, auf die man auch zukünftig mit Genugtuung zurückblicken wird. So wie wir heute auf viele der Entscheidungen der Vertrauensmänner des Kleistpreises zurückblicken: beispielsweise auf das Jahr 1920, als Oskar Loerke, selber ein bedeutender Lyriker und hochgeachteter Lektor des S. Fischer-Verlages, Hans Henny Jahnn vorschlug, oder 1923 als Alfred Döblin Robert Musil wählte oder 1931 als Carl Zuckmayer Ödön von Horvath nominierte. Die letzte Preisträgerin war übrigens Else Lasker- Schüler,1932. Ein Jahr später wollten die Nazis mit der Kleist-Gesellschaft, die zwischen Ariern und Juden so demonstrativ keinen Unterschied machte, nichts mehr zu tun haben. Sie machten reinen Tisch. Gründlich, wie wir wissen.

Der diesjähriger Preisträger, Marcel Beyer, hat darüber eines der eindruckvollsten Bücher geschrieben, die ich kenne: 'Flughunde'. Aber das ist bereits Michael Krügers Part.

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