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Beat Furrer: FAMA.

eine musikalische Konfiguration von
Arthur Schnitzlers Fräulein Else
Wien: Kairos, 2006.

Dass der zentrale Erzählstoff FAMAs eine musikalische Konfiguration von Schnitzlers Fräulein Else ist, erschließt sich dem Publikum relativ spät: Erst in der dritten Szene des achtteiligen Hörtheaters wird der Name Else genannt, ausschnitthaft und annähernd chronologisch wird der bereits vielfach dramatisierte und verfilmte innere Monolog übernommen. Beat Furrer, zu dessen Œuvre Literaturadaptionen von Texten Friederike Mayröckers, Marguerite Duras', Maurice Maetelincks oder Günther Eichs zählen, gestaltet seine Version der Fräulein Else, indem er zusätzlich an einigen anderen Orten Material anleiht. Diesen intertextuellen Einzugsbereich zu rekonstruieren, stellt kein schweres Unterfangen dar, da Furrer im Booklet seine Quellen genau ausweist: Ovids Metamorphosen, Lukrez' De rerum natura, Carlo Emilio Gaddas La mechanicca und ein anonymer Text bilden neben dem überwiegenden Material aus Fräulein Else die textliche Basis des Hörtheaters für ein großes Ensemble, acht Stimmen, Schauspielerin und Klanggebäude. Isabelle Menke als Sprecherin, die Neuen Vokalisten Stuttgart und das Klangforum Wien unter der musikalischen Leitung Beat Furrers selbst inszenieren am 14. Oktober 2005 in Donaueschingen die Uraufführung. Bei dem Klanggebäude handelt es sich um einen wandelbaren „Raum im Raum“, ein architektonisch-akustisches Konzept Wolfgang Bürglers und Winfried Ritschs. Raumverhältnisse sollen auf der Super Audio CD hörbar gemacht werden und etwa Elses innere und äußere Welt oder Erinnerung und Gegenwart skizzieren. Über die räumliche Dimension wird auch die Verbindung zu Ovids Figur Fama - der Göttin des Gerüchts - deutlich, die Furrer im vorangesetzten Motto erwähnt: In ihrem offenen Haus ist jede Stimme und jedes Wort hörbar, aber kein „Geschrei“, sondern „nur leiser Stimmen Gemurmel“ zu vernehmen.

Ungeachtet dessen bricht das Stück in der ersten Szene „mit agressiven, massiven Klängen wie aus heiterem Himmel“, so das Booklet, los und das gesamte Stück über dominieren dissonate Klänge, die eine bedrohliche, angespannte und fast alarmierende Stimmung erzeugen. Zentrale Motive sind immer wiederkehrende fallende, in tiefe Klavierakkorde mündende Linien, Zittern imitierende Streicher, crescendierte gezogene Töne und stechend hohe und wie von Maschinen erzeugte Impulse.

Mit einem beschwörenden und nervös-hektischen Redeschwall kommt dann die dritte Szene textlich mitten im Geschehen Fräulein Elses an. Der partiell im Schreistil realisierte Vortrag, worin in durativ-iterativen Kreisbewegungen das von Stottern und Stocken geprägte Textzenario von ruhigen, aber nicht auf Positives verweisenden Parts, unterbrochen wird, mündet in eine klangliche Gegenwelt: Elses Hoffnung auf einen positiven Ausgang. Der Sprechvortrag im fünften Teil wird durch ein Megaphon und dem Effekt von unterschiedlichen räumlichen Positionen zur surrealen Berichterstattung aus der Ferne, die instrumentale Begleitung verhält sich - wie auch bisher - programmatisch zum Text und erzeugt mittels hoher Töne, Sekunden und dem wiederkehrenden fallenden Motiv ein Flimmern im Hintergrund, das das Ferne-Empfinden noch verstärkt.

Furrer löst den Ereigniszusammenhang ähnlich wie Schnitzler, aber in Einzelheiten doch auf andere Weise. Aufrecht erhalten bleiben die Erzählweise des inneren Monologs und das inhaltliche Geschehen: die Geschichte einer jungen Frau, die zum Opfer ihrer Gesellschaft wird. Ebenfalls gleich bleibt die zentrale Auseinandersetzung mit dem Tod, was bei Furrer unmissverständlich von Anfang an über die Musik transportiert wird. Hinsichtlich der Zeitregie liegt in FAMA jedoch eine fast unscheibare und minimale Abweichung vor, denn gleich in der ersten Szene offenbart hier Else gehetzt: „Ich will fort“ - und nimmt bereits damit die für sie fatale Verstrickung in unlösbare Konflikte vorweg. Im Originaltext bei Schnitzler leitet zwar gleichermaßen die Verabschiedung Elses den inneren Monolog ein, in FAMA wird das jedoch durch die bedrohlich wirkende und mit wuchigen Klängen Wirrniss erzeugende Musik noch verstärkt und unmissverständlich gezeigt, dass Else in Gefahr ist, während der reine Erzähltext gerade unkundige Lesende zu Beginn noch im Dunkeln lässt.

Die allgemeine Figurengestaltung weist ebenfalls Abweichungen auf, denn in FAMA existieren keine nennenswerten Charaktere im Text. Indem nun die für Schnitzlers Fräulein Else wichtigen Figuren wie Dorsday, der Vater, Paul, Cissy, die Tante, die Mutter oder andere eliminiert und überhaupt nur drei andere Personen genannt werden, sind keine Verweise nach Außen existent. Der innere Monolog bleibt somit streng geschlossen, der letzte Satz des Hörtheaters bricht dann mit dieser Erzählweise, indem der Name „Fiala“ genannt wird. Da es keine weiteren Erklärungen zu diesem Namen gibt, werden Kenntnisse der Novelle vorausgesetzt. Trotz der Figurenreduktion und der damit ausgeklammerten Gesellschaft, die für Elses Tod als verantwortlich gilt, rückt der gesellschaftskritische Aspekt nicht in den Hintergrund: Die Musik übernimmt in FAMA diese Funktion. Die erste Szene ist geprägt von Gelächter, verschwommenen Chorstimmen und unverständlichem Gemurmel im Hintergrund, in der zweiten Szene repräsentiert die Musik einer in „sprechendem“ Stil gespielten Violine Elses feindliche Umwelt, in der fünften Szene übernimmt diese Rolle die Bassflöte. Obwohl hinsichtlich des Textes der Schluss in FAMA relativ offen gelassen wird, kann davon ausgegangen werden, dass Else sich auch hier das Leben nimmt: Episches Gestaltungsmittel ist wiederum die Musik.

Fama als Göttin des Gerüchts ist in dieser Engführung für Elses Schicksal verantwortlich. Darüber hinaus ist hier ein beachtenswerter und verblüffender Clou - was die Adaption zweier Erzählstoffe betrifft - gelungen: Über die Musik und die räumliche Konzeption verschmelzen Elses Gefühls- und Gedankenwelt mit Famas Haus, in der Musik ist Else Fama und Fama Else.

Lydia Haider
12. Februar 2013

 

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