Johann Wolfgang von Goethe: Faust Der Tragödie erster Teil |
Johann Wolfgang von Goethe: FaustDer Tragödie erster Teil |
Inhaltsangabe:Johann Wolfgang von Goethe hat für die Tragödie "Faust" eine "Zueignung" in Gedichtform geschrieben. Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, / Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. / Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten? [...] Dann folgt ein "Vorspiel auf dem Theater": Ein Theaterdirektor, ein Dichter und ein Schauspieler ("lustige Person") diskutieren darüber, was sie von einer Bühnenaufführung erwarten. Dem Theaterdirektor geht es um den geschäftlichen Erfolg, der Dichter hebt die künstlerische Bedeutung hervor, und der Schauspieler möchte das Publikum unterhalten. Am Ende meint der Direktor:
Der Worte sind genug gewechselt, / Lasst mich auch endlich Taten sehn! [...] Das eigentliche Stück beginnt mit einem "Prolog im Himmel", der von der Hiobswette im Alten Testament inspiriert ist. Gott fragt Mephistopheles, ob er Faust kenne, und der Angesprochene antwortet: Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne / Und von der Erde jede höchste Lust, / Und alle Näh und alle Ferne / Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust. Mephistopheles wettet mit Gott, dass er in der Lage sei, Faust vom rechten Weg abzubringen.
Mephistopheles: Was wettet Ihr? Den sollt Ihr noch verlieren! / Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt, / Ihn meine Straße sacht zu führen. Nun sehen wir Dr. Heinrich Faust nachts in seinem gotischen Studierzimmer. Der Gelehrte ist verzweifelt, weil er sich der Unzulänglichkeit der Wissenschaften bewusst ist und ihm seine eigenen Forschungen weder tiefere Erkenntnisse noch Ruhm oder Geld eingebracht haben.
Habe nun, ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin, / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. / Da steh ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor; / Heiße Magister, heiße Doktor gar / Und ziehe schon an die zehen Jahr / Herauf, herab und quer und krumm / Meine Schüler an der Nase herum – / Und sehe, dass wir nichts wissen können! / Das will mir schier das Herz verbrennen. Um die Grenzen der Wissenschaft zu sprengen, beschwört er den Erdgeist. Doch er erträgt den Anblick des Geistes in der Flamme nicht. Weh! ich ertrag dich nicht! Der Erdgeist weist den hochmütigen Gelehrten auf seine Beschränktheit hin: Du gleichst dem Geist, den du begreifst, / Nicht mir!
Da bricht Faust zusammen. Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn. Er weiß, dass sein Vater und er alchimistische Arzneien verwandten, die viele Patienten nicht heilten, sondern unbeabsichtigt vergifteten. Faust gesteht Wagner seine innere Zerrissenheit: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, / Die eine will sich von der andern trennen; / Die eine hält, in derber Liebeslust, / Sich an die Welt mit klammernden Organen; / Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust / Zu den Gefilden hoher Ahnen. Als es bereits dämmert, bemerkt Faust einen schwarzen Pudel, der ihnen folgt. Sie kehren zurück, und Faust nimmt den Hund mit in sein Studierzimmer, wo er den Anfang des Neuen Testaments aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt. Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!" / Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort? / Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, / Ich muss es anders übersetzen, / Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. / Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn. / Bedenke wohl die erste Zeile, / Dass deine Feder sich nicht übereile! / Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? / Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! / Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, / Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe. / Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat / Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat! Der knurrende schwarze Pudel verwandelt sich in einen Scholastikus. Es ist Mephistopheles.
Faust: Das also war des Pudels Kern! [...] Mephistopheles geht, kehrt jedoch am nächsten Morgen als Junker gekleidet zurück und gewinnt Faust für einen Pakt: Er verspricht, die Wünsche seines Vertragspartners im Diesseits zu erfüllen, und dieser muss ihm als Gegenleistung seine Seele überlassen. Faust: Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn! / Dann mag die Totenglocke schallen, / Dann bist du deines Dienstes frei. Als Professor verkleidet, narrt Mephistopheles einen neu angekommenen, Rat suchenden Studenten und mokiert sich zugleich auf satirische Weise über die Gelehrsamkeit. Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, / Und grün des Lebens goldner Baum.
Danach führt Mephistopheles Faust in Auerbachs Keller, wo angetrunkene Studenten garstige Lieder grölen. Mephistopheles stimmt mit ein und bohrt Löcher in die Tischplatte, aus denen die von den Studenten gewünschten Weinsorten sprudeln. Als sich der Wein in Feuer verwandelt, greifen die Studenten Mephistopheles mit Messern an, aber er verwirrt ihre Sinne und entkommt mit Faust, den das ordinäre Treiben angewidert hat.
Faust: Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, / Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Nach dieser Abfuhr verlangt Faust von Mephistopheles, ihm Gretchen zuzuführen. Der zögert, weil er über ein so tugendhaftes Mädchen keine Macht hat, aber Faust droht ihm mit der Aufkündigung des Vertrags. Ich gäb was drum, wenn ich nur wüsst, / Wer heut der Herr gewesen ist! / Er sah gewiss recht wacker aus / Und ist aus einem edlen Haus; / Das konnt ich ihm an der Stirne lesen – / Er wär auch sonst nicht so keck gewesen.
Während Gretchen bei der Nachbarin Marthe Schwerdtlein ist, führt Mephistopheles Faust in ihr Zimmer, lässt ihn kurz allein und versteckt dann ein von ihm gestohlenes Schmuckkästchen in Gretchens Kleiderschrank. Nach Golde drängt, / Am Golde hängt / Doch alles. Ach wir Armen! Gretchen zeigt das Schmuckkästchen ihrer Mutter. Die ruft nach dem Pfarrer, und der nimmt es mit. [...] "So ist man recht gesinnt! / Wer überwindet, der gewinnt. / Die Kirche hat einen guten Magen, / Hat ganze Länder aufgefressen / Und doch noch nie sich übergessen; / Die Kirch allein, meine lieben Frauen, / Kann ungerechtes Gut verdauen."
Faust fordert Mephistopheles auf, Gretchen ein neues Geschenk zukommen zu lassen. Diesmal zeigt das Mädchen den Schmuck nicht der Mutter, sondern der Nachbarin. Marthe Schwerdtlein rät ihr, das Geschmeide bei ihr zu lassen und es nur bei ihr heimlich zu tragen. Meine Ruh ist hin, / Mein Herz ist schwer; / Ich finde sie nimmer / und nimmermehr. Im Garten der Nachbarin treffen Faust und Gretchen sich erneut. Das Mädchen fragt: "Nun sag, wie hast du's mit der Religion?" Darüber möchte Faust nicht reden, aber Gretchen lässt nicht locker: "Glaubst du an Gott?" Da erklärt Faust seine pantheistische Vorstellung: Erfüll davon dein Herz, so groß es ist, / Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist, / Nenn es dann, wie du willst, / Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott / Ich habe keinen Namen / Dafür! Gefühl ist alles; / Name ist Schall und Rauch, / Umnebelnd Himmelsglut.
Sein Begleiter sei ihr zuwider, sagt Gretchen. Und sie gesteht Faust, dass sie ihn gern in ihr Zimmer lassen würde. Das sei jedoch nicht möglich, weil sie mit ihrer Mutter zusammen schlafe. Daraufhin gibt Faust ihr ein Fläschchen mit einem Schlafmittel, das sie ihrer Mutter am nächsten Abend heimlich verabreichen soll. Sie fragt, ob das Mittel ihrer Mutter auch nicht schaden werde, und Faust versichert es ihr. Du fingst mit einem heimlich an / Bald kommen ihrer mehre dran, / Und wenn dich erst ein Dutzend hat, / So hat dich auch die ganze Stadt.
Als Gretchen eine Messe im Dom besucht, wird sie von Schuldgefühlen heimgesucht, denn sie hat nicht nur gegen das sechste Gebot verstoßen, sondern auch den Tod ihres Bruders auf dem Gewissen und ihre Mutter mit dem vermeintlich harmlosen Schlafmittel vergiftet. Mit den Worten "Nachbarin! Euer Fläschchen!" fällt Gretchen in Ohnmacht.
Fürwahr, es sind die Augen einer Toten, / Die eine liebende Hand nicht schloss. / Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten, / Das ist der süße Leib, den ich genoss.
Um Faust auf andere Gedanken zu bringen, führt Mephistopheles ihn auf einen Hügel, auf dem anlässlich der goldenen Hochzeit des Elfenkönigspaares Oberon und Titania ein Theaterstück aufgeführt wird. Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da, wo euch Menschen der Sinn überschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns? Faust fordert Mephistopheles auf, Gretchen zu retten, aber dieser entgegnet: "Rette sie!" – Wer war's, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?
Weil Mephistopheles behauptet, Gretchen nicht retten zu können, will Faust selbst in die Stadt zurückkehren, obwohl er wegen der Ermordung Valentins selbst mit der Todesstrafe rechnen muss, wenn er aufgegriffen wird. Mephistopheles erklärt sich immerhin bereit, den Türmer zu umnebeln und für das Vorhaben Zauberpferde bereitzustellen. Sie brechen auf. Der Mutter den besten Platz geben, / Meinen Bruder sogleich darneben, / Mich ein wenig beiseit', / Nur nicht gar zu weit! / Und das Kleine mir an die rechte Brust. Mephistopheles kommt herein und drängt zum Aufbruch.
Margarete: Dein bin ich, Vater! Rette mich! / Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen, / Lagert euch umher, mich zu bewahren! / Heinrich! Mir graut's vor dir. |
Buchbesprechung:
Am 14. Januar 1772, drei Wochen vor ihrem 26. Geburtstag, wurde die Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt in Frankfurt am Main hingerichtet. Johann Wolfgang von Goethe verarbeitete dieses Ereignis zunächst im "Urfaust". Diesen noch vor seiner Übersiedlung nach Weimar verfassten Text entdeckte Erich Schmidt 1887 im Nachlass der Weimarer Hofdame Luise von Göchhausen (1747 – 1807) und veröffentlichte ihn im selben Jahr unter dem Titel "Goethes Faust in ursprünglicher Gestalt". Literatur zu "Faust"
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Johann Georg Faust (kurze Biografie) |