Barbara Honigmann: Bilder von A. |
Barbara Honigmann: Bilder von A. |
Inhaltsangabe:Ostberlin, Mitte der Siebzigerjahre. Ein Künstler namens Valentin arrangiert ein Treffen zwischen dem Theaterregisseur A. und der Ich-Erzählerin, denn er weiß, dass A. noch einen Dramaturgie-Assistenten bzw. eine -Assistentin für seine geplante Kleist-Inszenierung am Berliner Theater sucht und seine Bekannte sich als Studentin und später als Malerin und Dramaturgin mit Heinrich von Kleist beschäftigte. A. begleitet sie nach der Besprechung zu ihrer Dachwohnung und schläft mit ihr. Es ist der Beginn einer langjährigen Beziehung zwischen der Malerin und Dramaturgin und dem 15 Jahre älteren Regisseur, aber er bleibt nie über Nacht. Ich glaube, wir wollten beide vermeiden, uns beim Frühstück gegenüberzusitzen und zu fragen, möchtest du Käse oder Marmelade? Nur kein Alltag, sondern nur Poesie! Nur Kleist!
A. ist ein "Fluchttier". Eigentlich lebt er mit einer anderen Frau zusammen, hat jedoch eine Wohnung für sich allein. stärker, größer, schöner, leidenschaftlicher, dunkler Das solle ihr gemeinsames Motto sein, meint er. Für unser beider Leben, für unsere Liebe, für unsere Kunst. Eine Woche später nimmt der Intendant des Berliner Theaters die Erzählerin als Dramaturgie-Assistentin für das Kleistprojekt unter Vertrag. In der Inszenierung unserer Liebe waren die Rollen klar verteilt: A. gab den Meister, wenn auch mit understatement, denn ein Angeber war er wirklich nicht, das wird ihm keiner nachsagen können, und ich gab die Schülerin, die junge Geliebte und Muse. Vermählung, Offenbarung und Erlösung suchten wir beide – in der Kunst. So romantisch waren wir.
Das erste Bild, das sie von A. malt, zeigt ihn frontal als Radfahrer. Tatsächlich benutzt er in Berlin ein Fahrrad, und manchmal sitzt dabei seine Geliebte quer vor ihm. Einmal werden sie deshalb von einem Volkspolizisten angehalten, denn es ist verboten, "einen Fahrgast auf der Fahrradstange zu transportieren". ... über einen unglücklichen Dichter, der hier ganz in der Nähe gewohnt, sich aber schließlich noch jung, erfolglos und entmutigt, am Wannsee zusammen mit einer Freundin das Leben genommen hatte.
Nach der Premiere setzt der Intendant auf Weisung der Behörden alles gleich wieder ab, und der Vertrag der neuen Dramaturgie-Assistentin wird nicht verlängert. A. wechselte die Theater, er wechselte die Frauen und Adressen, aber immer teilte er mir seine neue Adresse zuverlässig und prompt mit.
Dass sie sich der jüdischen Gemeinde in Berlin anschließt und sich auf ihr Judentum besinnt, gefällt ihm gar nicht. Er hält das für Realitätsflucht.
Aber das hörte er gar nicht gern und antwortete missmutig, ja, er habe jetzt meistens Erfolge, aber das sei nur deshalb wichtig, weil er sich ja auf dem Markt behaupten müsse, und auf dem freien Markt brauche man eben den Erfolg, um seinen Marktwert hoch genug zu halten, und er, damit er genug Geld verdiene, um nicht immer inszenieren zu müssen.
1989 fällt die Berliner Mauer. A. mietet sofort eine kleine Wohnung in Ostberlin, obwohl er bei einer Frau in einer anderen Stadt wohnt. Er engagiert sich in Bürgerforen und an runden Tischen. Aber nach der Wiedervereinigung beklagt er den Rückfall in den Kapitalismus.
Wenn ich an A. denke, bin ich verletzt, beleidigt, fühle mich abgewiesen und ausgenutzt, er ist mir fern, fremd, unverständlich, und ich liebe ihn. Seine letzte Lebensgefährtin schickt ihr ihre Briefe zurück. Es sind allerdings nur die, die sie noch in der DDR geschrieben hatte. Hob er nur diese auf? Warf er die späteren Briefe weg? Sie legt die Briefe und andere Erinnerungsstücke an ihn in eine Blechkiste, die sie als "Gruft der Korrespondenz" versteht. |
Buchbesprechung:
In dem Buch "Bilder von A." von Barbara Honigmann denkt eine Ich-Erzählerin über ihre langjährige Beziehung mit einem Theaterregisseur nach und erinnert sich, wie sie sich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzte, Mitte der Achtzigerjahre ihre Ostberliner Heimat verließ, nach Frankreich zog, sich dort mehr als zuvor als Deutsche sah und zum orthodoxen Judentum konvertierte. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Barbara Honigmann (kurze Biografie) |