Claire Keegan: Das Abschiedsgeschenk (Erzählung) |
Claire Keegan: Das Abschiedsgeschenk |
Inhaltsangabe:Deine Mutter wollte keine große Familie. Manchmal, wenn sie die Geduld verlor, drohte sie dir damit, dich in einen Eimer zu stecken und zu ertränken.
Gegenüber den Kindern blieb es bei Drohungen, aber Hundwelpen wurden von der Mutter tatsächlich ertränkt. Wie viele Söhne und Töchter sie hat, erfahren wir nicht, aber es sind mehr als drei. Die Älteste besuchte das beste Internat Irlands und wurde dann Lehrerin.
Dein Vater zog ins andere Zimmer, doch an seinem Geburtstag gewährte deine Mutter ihm Sex. Dann ging sie in sein Zimmer, und sie hatten Sex miteinander. Es dauerte nie lange, und nie machten sie ein Geräusch dabei, aber du wusstest Bescheid. Und dann hatte es auch damit ein Ende, und stattdessen wurdest du hineingeschickt, um mit deinem Vater zu schlafen. Es geschah etwa einmal im Monat und nur, wenn Eugene nicht zu Hause war.
Seine Hand fuhrwerkte dann an ihr herum, bis er endlich aufstöhnte und sich von ihr ein Tuch geben ließ. Seit ihrer Menarche im Alter von zwölf Jahren war sie allerdings nicht mehr bei ihm im Zimmer. "Seine eigene Tochter, die jüngste von euch, und er steigt nicht mal aus dem Bett, wenn du nach Amerika gehst. Was hab ich doch für einen Hundsfott geheiratet!" Während der Fahrt zum Flughafen kündigt Eugene an, dass er auch nicht zu Hause bleiben wolle. Lieber verzichte er auf das Land. "Kannst du dir vorstellen, dass ich je eine Frau mit nach Hause bringe? Welche Frau würde das aushalten? Ich hätte kein eigenes Leben."
Seine Schwester weiß, dass er seinen Vorsatz nicht in die Tat umsetzen wird. Du drückst, und die Tür geht auf. Du läufst an hellen Handwaschbecken vorbei, an Spiegeln. jemand fragt dich, ob dir etwas fehlt – was für eine blödsinnige Frage –, aber zu weinen beginnst du erst, als du eine weitere Tür auf- und wieder zugestoßen und dich sicher in deiner Kabine eingeschlossen hast. |
Buchbesprechung:
In der Erzählung "Das Abschiedsgeschenk" lässt Claire Keegan die Protagonistin selbst zu Wort kommen, aber das irische Mädchen, von dem wir weder den Namen noch das Alter erfahren, erzählt nicht in der Ich-Form, sondern in der 2. Person Singular, spricht also gewissermaßen zu sich selbst und beobachtet sich von außen, aus einer Distanz. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Claire Keegan: Durch die blauen Felder |