Ephraim Kishon: Drehn Sie sich um, Frau Lot! Satiren aus Israel |
Ephraim Kishon: Drehn Sie sich um, Frau Lot!Satiren aus Israel |
Inhaltsangabe und Buchbesprechung
Der israelische Autor Ephraim Kishon (1924 – 2005) schrieb in den Fünfzigerjahren Satiren für die Zeitung Ma'ariv. Einige davon wollte er für eine Buchausgabe ins Deutsche übersetzen lassen, aber der Verleger, der bereits zwei Bühnenwerke Kishons in der Bundesrepublik veröffentlicht hatte, konnte sich nicht vorstellen, dass es dafür genügend Leserinnen und Leser gab. Als sich jedoch die englische Übersetzung in den USA als Bestseller erwies, brachte die Albert Langen Georg Müller Verlags GmbH 1961 eine deutsche Ausgabe unter dem Titel "Drehn Sie sich um, Frau Lot!" heraus. Das Buch verkaufte sich millionenfach und begründete den außergewöhnlichen Erfolg Ephraim Kishons vor allem in Deutschland.
"Komm heraus, du Stinktier!", zischte ich in Josseles Gesicht. Jossele beugte sich über den Tisch und zischte zurück: Es dauert einige Zeit, aber dann begreift der Ich-Erzähler die Feinheiten des jüdischen Pokerspiels:
"Zwanzig Pfund!" Aufwimmernd legte ich mein letztes Geld in die Hände des Schicksals [...] In der Satire "Unternehmen Babel" schreibt Ephraim Kishon:
In Israel werden mehr Sprachen gesprochen, als der menschlichen Rasse bisher bekannt waren [...]
"Professor Honig macht Karriere" ist eine Satire betitelt, in der Ephraim Kishon herausstellt, dass ein hochqualifizierter Lehrer in Israel kaum von seinem Gehalt leben kann. Dr. Dr. Imanuel Walter Honig stammt aus Frankfurt am Main und hat sich an mehreren internationalen Eliteuniversitäten einen hervorragenden Namen als Wissenschaftler gemacht.
Das war zuviel. Nicht genug, dass dieses verwahrloste Pack mich des Sonnenschutzes beraubt – jetzt wollen sie mir auch die einzige kleine Freude verderben, die ich auf Erden noch habe. Kreuzworträtsellösen ist mein einziges, geliebtes Hobby. (Seite 71) Held eines Romans von Dostojewskij, elf Buchstaben, beginnend mit einem Aleph?
"Der Tod des Handlungsreisenden?", fragte ein weibliches Bandenmitglied, wurde aber belehrt, dass dies mehr als elf Buchstaben wären. Der Ich-Erzähler erträgt es nicht länger und ruft der Horde zu: "Raskolnikow!" Dieser Name beginne aber nicht mit einem Aleph, wenden die Jugendlichen ein. Er lässt sich das Rätsel zeigen und stellt fest, dass sie als südamerikanische Hauptstadt mit vier Buchstaben fälschlicherweise "Air's" eingetragen haben. Sie meinten wohl Buenos Aires, aber das passt von der Zahl der Buchstaben nicht. Er korrigiert und schreibt "Rima", weil er ein R für "Raskolnikow" benötigt. Das sei die Hauptstadt von Peru, erklärt er den Umstehenden.
"Nicht Lima?", fragte der unverschämte Rotkopf. Er wurde von den anderen sofort niedergebrüllt, was kein geringes Vertrauensvotum für mich bedeutete. Ich konnte jetzt getrost daran gehen, die durch Rima nötig gewordenen Änderungen vorzunehmen. Als Erstes wurde das auf acht senkrecht aufscheinende "Volk" in "Publ" verwandelt [...] (Seite 72) Als der erste Supermarkt in Tel Aviv eröffnet wird, beherrschen sich der Ich-Erzähler und seine Ehefrau – "die beste Ehefrau von allen" – drei Tage lang mit eiserner Disziplin. Dann halten sie es nicht mehr aus, nehmen aber vorsichtshalber nicht ihre Brieftaschen mit, sondern nur Rafi, ihren Erstgeborenen, denn einige Nachbarn gingen an einem einzigen Einkaufsnachmittag bankrott. Zufällig hat die Ehefrau noch etwas Geld in ihrer Handtasche und legt deshalb elf Dosen Sardinen in den Einkaufswagen. Dann findet er ein Bündel Banknoten in der Hosentasche, nachdem er unlängst lange gesucht hatte. Irgendwann verwechseln sie ihren Einkaufswagen und schieben einen noch volleren weiter. Rafi ist mehrmals verschwunden. Einmal bringt er eine Pyramide aus fünfhundert Kompottkonserven zum Einsturz, dann entdecken die Eltern ihn am ehemaligen Eierverkaufsstand.
"Wem gehört dieser Wechselbalg?", schnaubte der Obereierverkäufer, gelb vor Wut und Eidotter. "Wer ist für dieses Monstrum verantwortlich?!" Der Ich-Erzähler und seine Ehefrau staunen über die Geschicklichkeit, mit der die Angestellten an der Kasse alles in braune Papiersäcke verpacken. Als sie gezahlt haben, vermissen sie Rafi erneut. "Einen blonden Buben?", fragt der Verkäufer und zieht Rafi aus einem der Papiersäcke. Sie kriegen noch 2700 Pfund zurück. Der Kassierer hatte angenommen, sie hätten den Jungen hier gekauft. In "Verirrt in Jerusalem" kritisiert Ephraim Kishon, dass man sich in den Straßen und Gassen der Stadt nur schwer zurechtfindet. Sehr viele Dinge können in Israel sehr leicht gefunden werden, aber die Straßen sind nicht darunter. Es gibt Straßen, die überhaupt keinen Namen haben, und wenn sie einen haben, dann gibt es keine Tafel, die ihn nennt. (Seite 103) Auch auf die jüdischen Feiertage kommt Ephraim Kishon zu sprechen:
Der fröhlichste jüdische Feiertag heißt Purim und gilt der Erinnerung an den Triumph der Königin Esther über den bösen Haman. Es war das einzige Mal in unserer Geschichte, dass ein Antisemit aufgehängt wurde, noch ehe der Pogrom stattgefunden hatte. Dieses einmalige Ereignis wird von unseren Kindern durch ungeheure Lärmentfaltung gefeiert, die sich direkt gegen das Trommelfell der Eltern richtet. Mit der Bauwut der Israeli beschäftigt Ephraim Kishon sich in "Der Blaumilch-Kanal": Den Einwohnern Israels ist eine gefährliche Manie gemeinsam: sie wollen unbedingt das Land aufbauen. Aber da die Juden bekanntlich ein arbeitsscheues Volk sind, bauen sie zum Beispiel in drei Tagen ein Haus fertig, um den Rest der Woche faulenzen zu können. Sollte sich ein Leser auf Grund der Lektüre dieses Buchs zu einem Besuch des Staates Israel entschließen, so wird er dort mit eigenen Augen sehen, dass wir an einem chronischen unheilbaren Baufieber leiden. Niemand wundert sich, wenn irgendein Narr sich's in den Kopf setzt, mitten in der Wüste eine Stadt zu errichten. Wir haben sogar eine ganz hübsche Anzahl solcher Narren. Und folglich eine ganz hübsche Anzahl von Städten mitten in der Wüste. (Seite 136) In Israel leben Menschen, die aus den verschiedensten Ländern der Erde gekommen sind. Auf eine der Folgen weist Ephraim Kishon in "Der Blaumilch-Kanal" hin:
In Bath Jam befindet sich eine Irrenanstalt, und es ist keine geringe Leistung, dort Aufnahme zu finden. Wenn anderswo ein Mensch plötzlich zu gackern beginnt, nimmt man an, dass er den Verstand verloren hat. In Israel nimmt man an, dass er ein Neueinwanderer aus der südlichen Mandschurei ist, der sich in seiner Muttersprache verständlich zu machen sucht. Und wenn er sich Spinat ins Gesicht schmiert, darf man die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es sich hier um eine alte bolivianische Volkssitte handelt. Ein Wahnsinniger muss schon etwas wirklich Erstklassiges bieten, um in Israel aufzufallen. (Seite 136) |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Ephraim Kishon (Kurzbiografie) |