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Kurt Gerstein

1905 - 1945 / Biografie


 


Kurt Gerstein wurde am 11. August 1905 als sechstes Kind des Landgerichtspräsidenten Ludwig Gerstein und dessen Frau Klara in Münster geboren. Aufgrund mehrerer Versetzungen seines Vaters besuchte Kurt Gerstein Schulen in Saarbrücken (1911 - 1919), Halberstadt (1919 - 1921) und Neuruppin (1921 - 1925). Ab 1925 studierte er in Marburg, Aachen und Berlin und machte 1931 das Diplom als Ingenieur. Danach absolvierte er in Köln, Bonn, Herne, Recklinghausen und Dortmund die Ausbildung zum Bergreferendar.

Zusammen mit seinem Vater und seinen vier Brüdern trat Kurt Gerstein am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein, aber am 23. Juli ließ er sich in Hagen als Vertreter der mit den "Deutschen Christen" konkurrierenden Gruppe "Evangelium und Kirche" zum Gemeindeverordneten wählen, und im Jahr darauf schloss er sich der Bekennenden Kirche an.

Nach dem Examen zum Bergassessor im November 1935 fing Kurt Gerstein als Beamter bei der Saargruben AG zu arbeiten an.

Am 27. September 1936 wurde Kurt Gerstein von der Gestapo festgenommen und vorübergehend eingesperrt. Man warf ihm vor, verbotenerweise Schriften der Bekennenden Kirche verbreitet und öffentlich Kritik am NS-Regime geübt zu haben. Die NSDAP schloss ihn deshalb am 2. Oktober aus, und er verlor seinen Arbeitsplatz.

Daraufhin schrieb er sich im Februar 1937 in Tübingen als Medizinstudent ein. Er besuchte dann allerdings vor allem theologische Vorlesungen.

Nach zwei Jahren Verlobungszeit ließen sich Kurt Gerstein und Elfriede Bensch im November 1937 in Berlin von Generalsuperintendent Otto Dibelius trauen.

Am 14. Juli 1938 wurde Kurt Gerstein erneut verhaftet und einige Zeit eingesperrt.

Durch seine Fürsprache bei der Parteizentrale der NSDAP in München erreichte Landgerichtspräsident Ludwig Gerstein, dass sein Sohn ab Juli 1939 seinen Beruf wieder ausüben durfte.

Elfriede Gersteins Schwester Bertha Ebeling wurde in der Nervenheilanstalt von Hadamar im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms ("T4") getötet.

Nachdem Kurt Gerstein sich im August 1940 freiwillig zur SS gemeldet hatte, wurde er im März 1941 zur Waffen-SS einberufen. Nach der Grundausbildung in Hamburg, Arnhem und Oranienburg kam er im Juni zum Hygiene-Institut der Waffen-SS. Zu seinen Aufgaben gehörte neben der Trinkwasserbeschaffung die Entwicklung von Desinfektionsanlagen.

Im Januar 1942 wurde Kurt Gerstein Chef der Abteilung "Gesundheitstechnik".

In dieser Eigenschaft erhielt er am 8. Juni 1942 vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) den Befehl, 100 Kilogramm Zyklon B zu beschaffen und es daraufhin zu überprüfen, ob sich damit effizienter als mit Dieselabgasen Häftlinge töten ließen. Im August traf er in Lublin den SS-Gruppenführer Odilo Globocnik (1904 - 1945), der ihn über die Vernichtungslager Majdanek, Belzec, Sobibor und Treblinka unterrichtete. In Belzec beobachtete Kurt Gerstein am 18. August die Ankunft von fünfundvierzig Güterwaggons mit 6 700 Juden aus Lemberg, von denen 1 450 bereits tot waren. Die Lebenden mussten sich entkleiden und wurden nackt in mehrere kleine Hallen getrieben, in die Dieselabgase geleitet wurden.

Wie Basaltsäulen stehen die Toten aufrecht aneinander gepresst in den Kammern. Es wäre auch kein Platz hinzufallen oder auch nur sich vornüber zu neigen. Selbst im Tode noch kennt man die Familien. Sie drücken sich, im Tode verkrampft, noch die Hände, sodass man Mühe hat, sie auseinander zu reissen, um die Kammern für die nächste Charge frei zu machen. Man wirft die Leichen nass von Schweiß und Urin, kotbeschmutzt, Menstruationsblut an den Beinen, heraus. (Kurt Gerstein in seinem Bericht vom 4. Mai 1945)

Auf der Rückfahrt von Warschau lernte Kurt Gerstein im Zug zufällig Bücher von Dieter Wunderlich den schwedischen Legationssekretär Göran von Otter kennen und berichtete ihm, was er gerade erlebt hatte. Weil die schwedische Regierung daraufhin nichts unternahm, wandte Kurt Gerstein sich an Geistliche der beiden christlichen Konfessionen in Deutschland und suchte auch den Apostolischen Nuntius in Berlin auf, aber der ließ den SS-Offizier hinauswerfen, und die Kirchen schwiegen zu den Verbrechen der Nationalsozialisten.

Nachdem sich Zyklon B bei der fabrikmäßigen Vergasung in den Vernichtungslagern bewährt hatte, wurde Kurt Gerstein beauftragt, die für den Betrieb von Auschwitz erforderlichen großen Mengen des Blausäure-Giftes zu beschaffen.

Im März 1945 kehrte Kurt Gerstein von seinem Einsatzort Lublin zu seiner Frau und seinen drei Kindern (Arnold, *1939; Adelheit, *1941; Olaf, *1942) nach Tübingen zurück. Im Monat darauf stellte er sich den französischen Truppen und wurde zuerst in Rottweil, dann in Langenargen und Paris interniert. Als man ihn als Kriegsverbrecher anklagte, erhängte er sich am 25. Juli 1945 in seiner Zelle.

Literatur über Kurt Gerstein

  • Saul Friedländer: Kurt Gerstein oder die Zwiespältigkeit des Guten. 1968
  • Pierre Joffroy: Der Spion Gottes. Die Passion des Kurt Gerstein. 1972
  • Jürgen Schäfer: Kurt Gerstein. Zeuge des Holocaust.
    Ein Leben zwischen Bibelkreisen und SS. 1999
  • Bernd Hey u.a.: Kurt Gerstein (1905 - 1945). Widerstand in SS-Uniform. 2003

© Dieter Wunderlich 2005

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