Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl (Novelle) |
Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl |
Inhaltsangabe: Wie lange wird denn das noch dauern? Ich muss auf die Uhr schauen ... schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so passt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren ... Erst viertel auf zehn? ... Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin's halt nicht gewohnt ... Was ist es denn eigentlich? Ich muss das Programm anschauen ... Ja, richtig: Oratorium? Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche. Die Kirche hat auch das Gute, dass man jeden Augenblick fortgehen kann. -- Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt'! -- Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End'!
So beginnt die Novelle. Ja, was ist denn? Jetzt muss es doch bald aus sein? ... "Ihr, seine Engel, lobet den Herrn" ... -- Freilich, das ist der Schlusschor ... Wunderschön, da kann man gar nichts sagen. Wunderschön!
In dem Gedränge an der Garderobe ärgert sich Leutnant Gustl, weil es ihm nicht schnell genug geht. "Sie, zweihundertvierundzwanzig! Da hängt er! Na, hab'n Sie keine Augen? Da hängt er!" Ein korpulenter Herr vor ihm mahnt: "Geduld, Geduld!" Aber da kommt er bei dem schneidigen Leutnant an den Rechten: "Sie, halten Sie das Maul!" Der andere dreht sich um. Leutnant Gustl kennt ihn aus dem Kaffeehaus. Es ist der Bäckermeister Habetswallner. "Was macht denn der da? Hat sicher auch eine Tochter oder so was bei der Singakademie." Der kräftige Bäcker packt den Säbel des Offiziers und sagt leise, aber bestimmt: "Sie, Herr Leutnant, sein S' jetzt ganz stad. ... Herr Leutnant, wenn Sie das geringste Aufsehen machen, so zieh' ich den Säbel aus der Scheide, zerbrech' ihn und schick' die Stücke an Ihr Regimentskommando. Versteh'n Sie mich, Sie dummer Bub?" Dann verabschiedet sich der Bäckermeister freundlich und geht. Ich glaub', so froh bin ich in meinem ganzen Leben nicht gewesen ... Tot ist er -- tot ist er! Keiner weiß was, und nichts ist g'scheh'n! -- Und das Mordsglück, dass ich in das Kaffeehaus gegangen bin ... sonst hätt' ich mich ja ganz umsonst erschossen ...
Jetzt ist Leutnant Gustl wieder guter Dinge. Er wird jetzt gleich in die Kaserne gehen und sich von seinem Burschen kalt abreiben lassen. Dann wird exerziert. Steffi wird er schreiben, dass sie sich auf jeden Fall heute Abend für ihn frei machen soll. Am Nachmittag ist er noch mit einem Doktor der Jurisprudenz zum Duell verabredet, der zu ihm sagte: "Herr Leutnant, Sie werden mir doch zugeben, dass nicht alle Ihre Kameraden zum Militär gegangen sind, ausschließlich um das Vaterland zu verteidigen!" |
Buchbesprechung: Überhaupt, dass sie noch immer so viel' Juden zu Offizieren machen -- da pfeif' ich auf'n ganzen Antisemitismus! Neulich in der Gesellschaft, wo die G'schicht' mit dem Doktor passiert ist bei den Mannheimers ... die Mannheimer selber sollen ja auch Juden sein, getauft natürlich ... denen merkt man's aber gar nicht an -- besonders die Frau ... so blond, bildhübsch die Figur ... War sehr amüsant im ganzen. Famoses Essen, großartige Zigarren ... Na ja, wer hat's Geld?
Obwohl er bis zum Morgen glaubt, sein Tod sei unvermeidlich, ist er nicht fähig, sich ernsthaft mit seinem Leben oder kritisch mit dem Ehrenkodex auseinanderzusetzen. Deshalb wird ihm auch nicht bewusst, wie einsam er ist. Sogar bei seinen erotischen Abenteuern ist er seit jeher auf Kurtisanen angewiesen. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Arthur Schnitzler (Kurzbiografie) |