Martin Suter: Der letzte Weynfeldt (Roman) |
Martin Suter: Der letzte Weynfeldt |
Inhaltsangabe:Luise Weynfeldt war bei der Geburt ihres einzigen Kindes Adrian Sebastian bereits vierundvierzig Jahre alt. Das war vor vierundfünfzig Jahren. Lange hatte es ausgesehen, als würde der Vater als letzter Weynfeldt sterben. Bis dann seine Frau mit bald vierundvierzig den Nachzügler Adrian gebar, ein Triumph der Gynäkologie und der Genealogie. (Seite 40)
Vor bald dreißig Jahren verliebte sich Weynfeldt in die englische Austauschstudentin Daphne, die er bei einem kunsthistorischen Seminar kennengelernt hatte. Als sie nach London zurückkehrte, begleitete er sie ungeachtet des Protests seiner Eltern und lebte ein Jahr lang mit ihr zusammen. Dann verließ sie ihn, ohne dass er den Grund verstanden hätte. Zwei Tage später kam sie bei einem Autounfall ums Leben. Jetzt war Adrian der letzte Weynfeldt. (Seite 40)
Aufgrund des geerbten Vermögens seiner Eltern bräuchte Dr. Adrian S. Weynfeldt nicht zu arbeiten, zumal er unverheiratet ist und keine Kinder hat, aber er betätigt sich als Experte für Schweizer Kunst bei Murphy's, gibt Expertisen ab, redigiert Kataloge und organisiert Auktionen. Weynfeldt leidet nicht unter seiner Einsamkeit, sondern genießt es, allein zu sein. Die Haushälterin, Frau Hauser, hat er von seiner Mutter übernommen. Im Erdgeschoss des Hauses, in dem er nach wie vor wohnt, hat sich noch zu Lebzeiten der Eltern eine Bank eingemietet. Die Filiale befindet sich im Parterre. [Weynfeldt] glaubte an die Regelmäßigkeit als lebensverlängernde Maßnahme. (Seite 16) Eines Samstags steht Weynfeldt nach dem Essen mit dem älteren der beiden Freundeskreise wie gewohnt an der Theke der Bar "La Rivière" vor seinem Martini. Statt davon zu trinken, pflegt er nur die Olive herauszunehmen und zu essen. Nur ein einziges Mal hatte der Barmann versucht, ihm einen Martini mit zwei Oliven zu servieren. Weynfeldt hatte eine davon kommentarlos auf das Tellerchen gelegt. (Seite 30) Unvermittelt wird Weynfeldt von einer Unbekannten Mitte dreißig angesprochen. Sie heißt Lorena Steiner. Vor zwei Monaten zerbrach ihre Liebesbeziehung mit Günther Walder, einem Zellforscher aus Berlin. Plötzlich stand dessen Ehefrau Ilse in der Tür und zeigte ihr Fotos der drei Kinder "Rebecca, 11, Klaus, 8, und Gabi, 3". Walder wartete neben dem geparkten Auto auf seine Frau und zuckte hilflos mit den Schultern, als er Lorena am Fenster sah.
Weynfeldt leistete Lorena vier Gin-Fizz lang Gesellschaft, während denen der Martini unberührt neben seinem Ellbogen stand. Als sie noch einen fünften wollte, bestand er daraus, sie nach Hause zu bringen, und bestellte ein Taxi. In seiner Wohnung lässt Lorena sich aufs Bett fallen, und als er nach dem Duschen in einem frischen Pyjama neben ihr unter die Decke schlüpft, murmelt sie schlaftrunken:
"Und bumsen?" [...]
Doch am anderen Morgen steht Lorena in BH und Slip auf der Außenseite des Balkongitters und droht, das Geländer loszulassen. Weynfeldt weiß nicht, was er sagen soll, und plötzlich fängt er zu schluchzen an. Das beeindruckt Lorena: Sie klettert auf den Balkon zurück. Nachdem sie sich angekleidet hat, bringt er sie mit dem Lift hinunter und gibt ihr zum Abschied seine Karte. "Ach, Liebling", sagte sie etwas blasiert, "kannst du nicht so schnell wie möglich ins Spotlight kommen und ein peinliches Missverständnis aufklären? Das wäre total lieb, die halten mich hier nämlich für eine – Ladendiebin." Bei "Ladendiebin" lachte sie auf, und an diesem Lachen erkannte er sie: Lorena! (Seite 70)
Lorena versuchte ein Designerkleid zu stehlen und wurde von der Geschäftsinhaberin Melanie Gabel dabei ertappt. Auch dem achtunddreißigjährigen Verkäufer Theo L. Pedroni entging der Diebstahl nicht, aber er sagte nichts. Stattdessen beobachtet er, was weiter geschieht. Er hatte früher selbst zwei Boutiquen besessen, mit denen er jedoch in Konkurs gegangen war, einmal betrügerisch, und weil er auch noch mit Kokain gehandelt hatte, war er zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er sieht, wie Weynfeldt wenige Minuten nach dem Anruf hereinkommt und die Ladendiebin ihn auf den Mund küsst. Der bekannte Kunstexperte bezahlt nicht nur das Kleid, das Lorena stehlen wollte, sondern auch noch drei andere: 12 000 Franken lässt er von seiner Kreditkarte abbuchen, bevor er mit Lorena zusammen das Geschäft verlässt und ihr die Pakete trägt. "Du weißt gar nicht, was für eine Befreiung es ist, dir nicht mehr ständig dankbar sein zu müssen." (Seite 116)
Woher hat Strasser das Geld? Durch Zufall erfährt Weynfeldt von Fernanda Almeida, Baiers portugiesischer Haushälterin, dass Strasser eine Zeitlang jeden Tag zum Malen kam. Kann es sein, dass er eine Kopie von "Femme nue devant une salamandre" anfertigte? Weynfeldt schaut sich das Gemälde genauer an und entdeckt als erstes, dass in der Signatur "F. Vallotton 1900" der Punkt fehlt, den Félix Valloton zwischen den Familiennamen und die Jahreszahl zu setzen pflegte. Nach und nach stößt der Kunstexperte auf weitere Indizien dafür, dass es sich um eine Fälschung handelt. In Frau Hauser lebte die Hoffnung seiner Mutter fort, dass Adrian nicht der letzte Weynfeldt bleiben würde. (Seite 174)
Die Tür seines Arbeitszimmers steht offen. Lorena spricht ihn auf die beiden gleich aussehenden Gemälde an, und er verrät ihr, dass eines davon eine Kopie ist. Ein Bekannter brauche Geld und dränge ihn, die Fälschung zu versteigern, aber das lasse seine Ehre nicht zu. Lorena wirft ihm vor, überkorrekt zu sein. Ohne mit ihm geschlafen zu haben, verabschiedet sie sich. "Stimmt es, dass Sie ihr fünftausend Franken leihen, wenn sie Sie darum bittet?" (Seite 220)
Weynfeldt holt 5000 Franken aus dem Geldautomaten, den der Anrufer nannte. Ein Auto nähert sich. Lorena sitzt im Fond. Als der Fahrer das Geld eingesteckt hat, löst er die Kindersicherung und lässt Lorena aussteigen. Weynfeldt nimmt sie mit nach Hause, und dieses Mal schläft sie mit ihm. Beim Frühstück gesteht sie ihm, dass sie dem Geldeintreiber noch 120 000 Franken schulde. "Jemand wollte Adrian eine Fälschung des Bildes unterjubeln, aber das ging in die Hosen. Sie war zu plump." (Seite 248) Daraufhin deutet der gekränkte Maler höhnisch an, dass der Kunstexperte sich wohl täuschen ließ.
[Lorena:] "Du meinst … Du meinst – du? Du hast ihn gefälscht?"
Sie fragt Weynfeldt, ob er nun doch die Kopie versteigern wolle, aber er drückt sich um die Antwort. Erst als er sie küssen möchte und sie "Nur, wenn du es zugibst!" sagt, bestätigt er ihre Vermutung.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Am Abend bittet Herr Hartmann, der Filialleiter der Bank im Parterre, den Hauseigentümer, kurz herunterzukommen. Auch der Chef des Sicherheitsdienstes, Herr Schwartz, ist da. Die Herren zeigen Weynfeldt eine Aufnahme von der über dem Eingang angebrachten Überwachungskamera von dem Abend, an dem Lorena bei ihm zu Besuch war. Sie kommt ins Bild. Dann taucht ein Mann auf, von dem Herr Schwartz behauptet, es handele sich um einen vorbestraften Betrüger namens Pedroni, und in dem Weynfeldt den Erpresser erkennt. Lorena packt ihren Begleiter bei der Krawattte und küsst ihn auf den Mund, bevor sie bei Weynfeldt klingelt. Rolf Strasser fiel kein pietätvollerer Kommentar ein als "Scheiße!" (Seite 304)
Pedroni wird am nächsten Morgen aus dem Bett heraus verhaftet. Die 1,2 Millionen sind noch in dem Koffer, bis auf 6000 Franken, die Pedroni inzwischen in einem Nachtklub ausgab. Wütend zeigt der Festgenommene einen Fall von schwerem Kunstbetrug an. |
Buchbesprechung:
Das geregelte Leben eines ebenso reichen wie kultivierten Einzelgängers Mitte fünfzig gerät plötzlich durch eine zwanzig Jahre jüngere, etwas unsolide Frau aus der Bahn. Das Personal des in der Schweiz spielenden Romans "Der letzte Weynfeldt" besteht einerseits aus älteren Herrschaften, die über beträchtliche Vermögen verfügen, wenn sie sich nicht gerade verspekuliert haben, und aus besitzlosen Leuten Mitte dreißig, die (vergeblich) von einem Erfolg als Kunstmaler oder Filmemacher träumen oder sich als Betrüger versuchen. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Alain Gsponer: Der letzte Weynfeldt |