Buchbesprechung:
Durch den Einsatz des eigenen Lebens gewinnt das Gute gegen das Böse. Diese triviale Idee – die der Autor noch nicht einmal als "Moral" oder "Botschaft" verstanden wissen wollte – liegt der Fantasy-Story "Der Herr der Ringe" zugrunde. Nicht um tiefschürfende Aussagen bemühte sich der in Südafrika geborene englische Philologie-Professor John Ronald Reuel Tolkien (1892 - 1973), sondern er lebte seine unglaubliche Fabulierlust aus, indem er einen Märchenkosmos mit Tausenden von Details erdachte und darin eine Geschichte spielen lässt, die er auf mehr als 1200 Seiten so farbig und spannend erzählt, dass ich beispielsweise den ersten Band "Die Gefährten" (491 Seiten) innerhalb eines Tages in einem Rutsch las. Immer wieder sorgt Tolkien für Spannung, indem er Gefahren andeutet und im aufregendsten Augenblick erst einmal den Handlungsfaden wechselt. "Der Herr der Ringe" ist eine nahezu unerschöpfliche Fantasiegeschichte mit epischen und monströsen Zügen, deren Stil trotz der liebevoll ausgemalten Details auch an Comics denken lässt.
Der Welterfolg des dreibändigen Romans begann in den Sechzigerjahren. "Der Herr der Ringe" wurde zum Kultbuch einer enttäuschten Jugend und zum Meilenstein in der Geschichte der Fantasy-Literatur. Mit schätzungsweise 50 bis 100 Millionen verkauften Exemplaren gilt "Der Herr der Ringe" als eines der meistgelesenen Bücher, und Tom A. Shippey feierte Tolkien als "Autor des Jahrhunderts" (Tom A. Shippey: J. R. R. Tolkien. Autor des Jahrhunderts. Stuttgart 2002).
Manche Kritiker werfen Tolkien eine faschistische bzw. nationalsozialistische Einstellung vor, weil er Elben als Lichtgestalten beschrieb, die Orks dagegen als hässlich und minderwertig ("lebensunwertes Leben"?).
Dagegen spricht, dass Saruman, einer der bedeutenden Bösen in dieser Geschichte, ursprünglich eine edle Gestalt hat, während die kleinen, gemütlichen Hobbits – darunter der Held Frodo – wohl kaum dem "arischen" Ideal entsprechen. Hätte ein Rassist Elrons Rat und die von Bruchsal entsandte Gruppe aus Hobbits, Elben, Zwergen und Menschen zusammengesetzt? Gandalf und Galadriel lehnen beide den von Frodo angebotenen Ring ab, obwohl ihnen dieser die absolute Macht verschafft hätte; das ist nicht gerade charakteristisch für faschistisches Denken. Der titanische Kampf als Beweis für faschistische Vorstellungen? Dann wären viele Märchen verwerflich! Übrigens kommentierte Tolkien den Vergleich seines Romans mit dem Ring der Nibelungen mit folgendem Satz: "Beide Ringe sind rund – und damit enden die Gemeinsamkeiten!"
Die Filmrechte für "Der Herr der Ringe" verkaufte J. R. R. Tolkien 1968 an den Produzenten Saul Zaentz. Eine Zeichentrick-Version fand 1977 wenig Beifall. Erst die 1999/2000 gedrehte Verfilmung durch Peter Jackson war ein Welterfolg ("Die Gefährten", 2001; "Die zwei Türme", 2002; "Die Rückkehr des Königs", 2003).
SWF und WDR produzierten 1991 eine insgesamt zwölfstündige Hörspielfassung mit über hundert Rollen, die als eine der aufwändigsten Hörspielproduktionen gilt, die jemals in Deutschland hergestellt wurden.
Lieder, Musik und ein Hör-Spiel über "Frodos Abenteuer" komponierte und veröffentlichte Christian Geißendörfer 1979 bzw. 2003.
Im März 2008 erschien die deutsche Übersetzung des Buches "The Road to Middle-Earth" von Tom Shippey ("Der Weg nach Mittelerde", Übersetzung: Helmut W. Pesch, Klett-Cotta, Stuttgart 2008, 529 Seiten, 24.50 €, ISBN 978-3-608-93601-8).
Im August 2009 bringt Klett-Cotta eine Neuausgabe von "Der Herr der Ringe" heraus (1295 Seiten, Leinen, Fadenheftung).
|