John Updike: Gertrude und Claudius (Roman) |
John Updike: Gertrude und Claudius |
1. Teil
Der dänische König Rorik bringt seine widerstrebende siebzehnjährige Tochter Gerutha dazu, aus Staatsräson die Ehefrau des dreizehn Jahre älteren jütischen Recken Horwendil zu werden, der den feindlichen norwegischen König Knoll im Kampf tötete und danach dessen Schwester Sela schändete und erschlug. Rorik ist Witwer und hat außer Gerutha keine Kinder; seine Frau Ona, eine wendische Fürstin, die er nach der Tötung ihres Vaters als Gefangene von einem Eroberungszug mitgebracht hatte, war drei Jahre nach Geruthas Geburt gestorben. Horwendil hat einen achtzehn Monate jüngeren Bruder namens Feng, der sich als Söldner in Europa herumtreibt und auch nicht zur Vermählung Horwendils nach Dänemark kommt. 2. Teil
Der dänische König Horvendile ist erzürnt über den Thronfolger, seinen neunundzwanzigjährigen Sohn Hamblet, weil dieser in Wittenberg studiert, statt sich in Helsingør auf die Staatsgeschäfte vorzubereiten. "Ich war die Tochter meines Vaters und wurde die Frau eines unzugänglichen Ehemannes und die Mutter eines abwesenden Sohnes. Wann, sagt mir, werde ich der Person gerecht, die ich in mir trage, der Seele, der inneren Stimme, die ich unaufhörlich vernehme, die nach Ausdruck gesucht hat mit dem ersten blutigen Schrei, den ich tat, als ich aus meiner Mutter zerrissenen Lenden hervorgestoßen wurde?" (Seite 121) Unter dem Vorwand, hin und wieder ein paar Stunden allein verbringen zu wollen, lässt Geruthe sich von Corambis die Schlüssel zu dessen Landsitz geben. Dort trifft sie sich heimlich mit ihrem Schwager Fengon, der sich nicht mehr so viel in Europa herumtreibt, sondern wegen Geruthe mehr Zeit in Helsingør verbringt. Bei den ersten Verabredungen plaudern Fengon und Geruthe nur, aber dann schlafen sie miteinander. An ihres Vaters Hof war keine Dirne lüsterner gewesen, als sie es jetzt war. Geruthe stellte fest, dass sie sogar an der Täuschung Geschmack fand, am geilen Doppelspiel, zwei Männer zu haben. (Seite 166) Geruthe glaubt, sie habe ein Recht auf persönliches Glück. Zu Fengon sagt sie: "Seit den qualvollen Wehen bei Hamblets Geburt sind Leben und Königtum in meiner Schuld. Vielleicht habe ich mich jetzt entschlossen, diese Schuld einzutreiben. Mein Vater und der Mann, der mein Gemahl werden wollte, haben mich gemeinsam wie eine Hökerware behandelt, und du hast mir meinen eigentlichen Wert wiedergegeben." (Seite 176)
Das Verhältnis bleibt nicht auf Dauer ein Geheimnis: Fengons Diener Sandro verrät es dem König und erhält dafür freies Geleit in seine Heimat Kalabrien. Horvendile lässt seinen Bruder rufen und stellt ihn zur Rede. Sobald die Verhandlungen mit einer polnischen Delegation abgeschlossen sind, will der König handeln: den untreuen Oberkämmerer töten, Fengon verbannen und dessen Besitzungen konfiszieren; Geruthe wird weiter die Gemahlin des Königs und Mutter des Thronfolgers sein müssen. 3. Teil
Zum Begräbnis seines gleichnamigen Vaters kommt Prinz Hamlet kurz nach Helsingør, aber er wechselt weder mit seiner Mutter Gertrude noch mit seinem Onkel Claudius mehr als ein paar Worte und kehrt sofort wieder nach Wittenberg zurück. Claudius, der seinem verstorbenen Bruder Hamlet auf den dänischen Thron gefolgt ist, zürnt seinem Neffen deshalb. "Ich bin froh, dass der Junge nicht in Helsingør ist! Er würde mir düster ins Gewissen reden. Er würde alles tun, um mir das Gefühl zu geben, dass ich oberflächlich und dumm und böse bin." (Seite 210)
Einen Monat nach dem Tod ihres Ehemanns Hamlet heiratet Gertrude ihren Schwager Claudius. |
Buchbesprechung:
In seinem Roman "Gertrude und Claudius" erzählt John Updike gewissermaßen die Vorgeschichte der Shakespeare-Tragödie "Hamlet". Witzigerweise bestätigt John Updike die Beschuldigungen gegen Gertrude und Claudius, die Hamlet von Shakespeare in den Mund gelegt wurden. Er malt den Ehebruch und den Brudermord aus, erklärt dabei jedoch auch die Motive und sorgt dafür, dass die Leser Sympathie und Verständnis für das Liebespaar aufbringen. Im Mittelpunkt des Romans über eine Dreiecks-Beziehung steht Gertrude, eine Frau, die sich nach Selbstbestimmung und Erfüllung ihrer Sexualität sehnt. Den vertuschten Mord einmal beiseite gelassen, ist Claudius allem Anschein nach ein fähiger König, Gertrude eine edle Königin, Ophelia ein Kleinod von einem Mädchen, Polonius ein Umstandskrämer, aber kein übler Ratgeber, Laertes ein angenehmer junger Mann. Hamlet reißt sie alle in den Tod. (Seite 268)
"Gertrude und Claudius" ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil verwendet John Updike die Namen aus der lateinischsprachigen "Historiae Danorum" des dänischen Geschichtsschreibers Saxo Grammaticus (Erstausgabe: Paris 1514).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007
William Shakespeare: Hamlet |