Evelyn Waugh: Eine Handvoll Staub (Roman) |
Evelyn Waugh: Eine Handvoll Staub |
Inhaltsangabe:Tony Last und seine 26 Jahre alte Ehefrau Brenda Rex Last, eine Tochter von Lord und Lady St. Cloud, sind seit sieben Jahren verheiratet. Sie leben mit ihrem kleinen Sohn John Andrew und zahlreichen Dienstboten in Hetton, auf dem Landsitz der Familie Last, mit dem Tony sehr verbunden ist, während sich Brenda dort langweilt.
"Mögen Sie das Haus denn nicht?" Eines Tages wundert Brenda sich über ein Telegramm: "Ankomme 15:18 Uhr freue mich auf Besuch. Beaver". Sie fragt ihren Mann, wer das sei.
"Ein junger Mann."
John Beaver wohnt bei seiner verwitweten Mutter in London. Er ist 25 Jahre alt. Nach seinem Studium in Oxford arbeitete er bis zum Beginn der Wirtschaftskrise in einer Werbeagentur; seither ist er ohne Beschäftigung, und seine finanziellen Mittel sind entsprechend beschränkt. Deshalb hofft er jeden Tag auf Einladungen zum Essen, zumeist mit Erfolg. Der Barmann in Bratt's Club erinnert ihn an die aufgelaufene Rechnung, und die meisten Clubmitglieder wundern sich darüber, dass Beaver überhaupt aufgenommen wurde. "Lady Brenda, ist es wahr, dass Sie auf der Suche nach einer Wohnung sind? Ich glaube nämlich, dass ich genau das Richtige für Sie habe." Ein kleines Haus im Stadtteil Belgravia soll in sechs Apartments unterteilt und vermietet werden. Brenda verspricht, es sich zu überlegen. Sie lädt John Beaver zum Essen ein und besteht darauf, die Rechnung zu übernehmen. Bald schon wird in London über sie beide getuschelt. John Beaver wird erstmals in seinem Leben beachtet. Frauen unterzogen ihn einer erneuten Überprüfung und fragten sich, was sie bloß übersehen hatten; Männer behandelten ihn als ebenbürtig, ja sogar als erfolgreichen Mitstreiter um die Gunst der Frauen. In Hetton überrascht Brenda ihren Mann mit der Nachricht, ein Apartment in London gefunden zu haben. Tony vergewissert sich zunächst nur, dass sie nichts unterschrieben hat und interessiert sich nicht weiter dafür, aber Brenda erklärt ihm, sie könne nicht immer nur Marjorie zur Last fallen und rechnet ihm vor, dass die Miete günstiger sei als seine Übernachtungen im Club. Schließlich stimmt er zu, und nach nur drei Tagen in Hetton nimmt Brenda erneut den Zug nach London. Sie müsse sich um das Apartment kümmern, erklärt sie. Außerdem will sie von nun an Vorlesungen über Wirtschaftswissenschaften besuchen, bei denen Frauen zugelassen sind. "Im Augenblick habe ich eigentlich gar nichts zu tun. Es wäre absurd zu meinen, John brauchte mich noch. Das Haus läuft von selbst. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich eine Beschäftigung finde."
Nach einiger Zeit will Tony seine Frau in London mit einem Besuch in dem neuen Apartment überraschen. Er sitzt mit dem langjährigen Familienfreund Jock Grant-Menzies in Bratt's Club an der Bar, als Beaver aus dem Apartment anruft, sich aber nicht vorstellt und so tut, als habe er den Auftrag erhalten, Tony Last auszurichten, dass Lady Brenda müde sei und ihn an diesem Abend nicht empfangen könne. Brenda hört zu und meint, Tony müsse lernen, auf unabgesprochene Besuche zu verzichten. "Telefonieren kannst du doch auch von hier, oder, Daddy? Warum bist du denn bis nach London gefahren, um mit ihr zu telefonieren?" Brenda und ihre in die Affäre mit John Beavers eingeweihten Freundinnen nehmen sich vor, Tony zu verkuppeln, und zwar mit Brendas Wohnungsnachbarin Jenny Abdul Akbar, der Ehefrau eines marokkanischen Moulay, die sich in Europa als Prinzessin titulieren lässt und darauf hinweist, dass ein Moulay mehr sei als ein Prinz. Sie spricht Tony Last kurzerhand mit dem Vornamen an, und weil sie nicht aufgepasst hat, nennt sie ihn Teddy. Während Tony von ihr genervt ist, begeistert John Andrew sich für die Prinzessin.
[Brenda:] "Tony, was machst du denn hier ganz allein? Wir dachten, du wärst mit Jenny unterwegs. Was ist denn mit ihr?"
Besser als Jenny Abdul Akbar gefällt dem Hausherrn Jock Grant-Menzies' Freundin Mrs Rattery, eine geborene Amerikanerin Anfang 30, die mit dem eigenen Flugzeug landet und hin und wieder Morphium nimmt. "Ich kann hier nicht bleiben. Es ist vorbei, verstehst du das nicht, unser Leben hier draußen." Sie fährt zu einer Gesellschaft bei ihrer Freundin Veronica, zu der auch John Beaver eingeladen ist. Brenda macht ihm eine Liebeserklärung und schreibt dann ihrem Mann, dass sie nicht mehr nach Hetton kommen werde. Ihre Sachen sollen in das Apartment in London gebracht werden. "Ich liebe John Beaver und möchte mich scheiden lassen, um ihn zu heiraten. Wäre John Andrew nicht gestorben, wäre vielleicht alles anders gekommen."
Niemand außer Brenda glaubt, dass ihre Beziehung mit John Beaver von Dauer sein könnte. Tony ist zwar tief verletzt, willigt jedoch nicht nur in die Scheidung ein, sondern ist auch gegen den Rat seiner Anwälte bereit, die Schuld auf sich zu nehmen und Brenda die Zahlung eines großzügigen jährlichen Geldbetrags zuzusichern.
"Haben Sie schon gefrühstückt?" Tony weckt Milly, bestellt Frühstück aufs Zimmer, schlüpft in seinen Morgenmantel und legt sich zu ihr ins Bett. Sobald der Kellner das Frühstück gebracht hat, steht er auf und zieht sich wieder an. Während Milly weiterschläft, gibt Winnie keine Ruhe, bis Tony mit ihr zum Strand geht. Sie will schwimmen, weil aber die Wellen zu hoch sind, achtet der Strandwächter darauf, dass keine Kinder ins Wasser gehen. Vergeblich weist Tony ihn auf den Wunsch des Kindes hin.
"Was für eine verrückte Idee", bemerkten ein paar Umstehende. "Ob er das Kind umbringen will?" [...] Wegen der Trennung ihrer Tochter von Tony Last beruft Lady St. Cloud den Familienrat ein. Brendas acht Jahre älterer Bruder Reggie, der in Tunesien Hobby-Ausgrabungen durchführt, muss eigens anreisen, denn seit dem Tod seines Vaters ist er das Familienoberhaupt. Nachdem er sich mit seinen Angehörigen beraten hat, spricht er mit Tony unter vier Augen.
"Natürlich hat Brenda im Moment die fixe Idee, in ihn verliebt zu sein. Aber das wird nicht lange dauern. Mit einem Burschen wie Beaver ist das unmöglich. In einem Jahr wird sie zu dir zurückkommen wollen, wart's nur ab." [...] Reggie St. Cloud verlangt die vierfache Summe. Tony stöhnt und erklärt, so viel könne er nicht erübrigen, ohne Hetton zu verkaufen. Als Reggie merkt, dass er Tony nicht umstimmen kann, droht er damit, dass Brenda die Forderung von ihm als Ehebrecher einklagen werde. Tony reißt der Geduldsfaden: "Brenda wird ihre Scheidung nicht bekommen. Die Beweise, die ich in Brighton erbracht habe, sind wertlos. Zufälligerweise war die ganze Zeit ein Kind dabei. Es hat in beiden Nächten in dem Zimmer geschlafen, in dem eigentlich ich hätte sein sollen. Wenn ihr euch wirklich die Mühe machen wollt, mich zu verklagen, werde ich mich verteidigen und den Prozess gewinnen; doch ich glaube, dass ihr euren Plan aufgeben werdet, sobald ihr mein Beweismaterial seht. Ich werde für etwa sechs Monate verreisen. Wenn ich zurückkomme und Brenda es dann immer noch will, werde ich in eine Scheidung einwilligen, allerdings ohne irgendwelche Zahlungsverpflichtungen."
Als Jenny Abdul Akbar hört, dass Tony Last seiner Frau die Scheidung verweigert, meint sie: "Typisch Brenda, sie ist viel zu vertrauensselig." Und die anderen Freundinnen pflichten ihr bei. "Wir müssen es mit den Mäusen versuchen. Eigentlich wollte ich sie behalten, bis wir bei den Pie-Wie sind. Schade. Aber bei den Mäusen werden sie schwach, warten sie nur. Ich weiß, wie Indios denken."
Dr. Messinger zieht eine der aus Deutschland stammenden Spielzeugmäuse auf und setzt sie auf den harten Lehmboden. Die Wirkung ist unglaublich: Die Macushi fliehen Hals über Kopf und tauchen auch nicht mehr auf. Erst nachts, als die beiden Weißen schlafen, schleichen sie sich ins Lager, holen unbemerkt ihre Sachen und kehren dann in ihr Dorf zurück.
"Mr Last hat Ihnen doch umfassende Vollmachten übertragen, nicht wahr?" Brenda fehlt es nicht nur an Geld, sondern auch an Gesellschaft. John Beaver ist mit seiner Mutter nach Amerika gereist. Und Jock Grant-Menzies war wie jedes Jahr zu seinem älteren Bruder nach Schottland gefahren. Marjorie und Allan hatten es in letzter Sekunde auf die Jacht von Lord Monomark geschafft, segelten entspannt die spanische Küste entlang und besuchten Stierkämpfe (sie hatten sie sogar gebeten, auf Djinn aufzupassen). Ihre Mutter war in dem Chalet, das Lady Anchorage ihr wie immer am Genfersee überlassen hatte. Polly war überall und nirgends. Selbst Jenny Abdul Akbar machte eine Kreuzfahrt auf der Ostsee. Tony schleppt sich weiter und wird von Pie-Wie entdeckt, die Mr Todd verständigen, den hier vor fast 60 Jahren geborenen Sohn einer Pie-Wie und eines weißen Missionars aus Barbados. Er besaß ein rundes Dutzend schwächlicher Rinder, die in der Savanne grasten, eine Maniok-Plantage, ein paar Bananen- und Mangobäume, einen Hund und – einzigartig in der Umgebung – einen einläufigen Hinterlader. Mr Todd flößt dem Schwerkranken, der im Fieberwahn Brenda zu sehen glaubt, einen Kräutersud aus einer Kalebasse ein. Allmählich erholt Tony sich. Sein Lebensretter erklärt ihm, dass die meisten Männer und Frauen, die in dieser Savanne leben, seine Kinder seien. Deshalb habe er hier auch das Sagen. Obwohl er nicht lesen kann, besitzt er alle Werke von Charles Dickens bis auf zwei, die von Ameisen vernichtet wurden. Tony soll ihm daraus vorlesen. "Es dauert lange, bis man sie alle gelesen hat – mehr als zwei Jahre."
Mr Todd weiß das, weil er sich die Bücher früher von einem Schwarzen namens Barnabas Washington vorlesen ließ, der inzwischen längst tot ist. Tony hat nicht vor, zwei Jahre lang in der Wildnis zu bleiben. Aber er sieht auch keine Chance, wegzukommen.
"Unsinn! Das kann nicht sein." Richard Last aus Princes Risborough, ein entfernter Verwandter, erbt Hetton und zieht mit seiner Frau und den Kindern Teddy, Molly und Agnes auf den Landsitz. Peter, der andere Sohn, studiert in Oxford. Sie stellen ein Denkmal auf. Die Inschrift lautet:
ANTHONY LAST AUS HETTON Brenda ist zur Enthüllung eingeladen, sagt jedoch ab, weil Jock Grant-Menzies, ihr zweiter Ehemann, in London unabkömmlich ist. |
Buchbesprechung:
Thema und Handlung des 1934 von dem englischen Schriftsteller Evelyn Waugh veröffentlichen Romans "Eine Handvoll Staub" betreffen eine Gesellschaft, wie wir sie heute nicht mehr kennen, aber die Lektüre amüsiert dennoch. Eine Handvoll Staub – Originaltitel: A Handful of Dust – Regie: Charles Sturridge – Drehbuch: Tim Sullivan, Derek Granger, Charles Sturridge, nach dem Roman "Eine Handvoll Staub" von Evelyn Waugh – Kamera: Peter Hannan – Schnitt: Peter Coulson – Musik: George Fenton – Darsteller: James Wilby, Kristin Scott Thomas, Rupert Graves, Anjelica Huston, Judi Dench, Alec Guinness, Christopher Godwin u.a. – 1988; 115 Minuten |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Evelyn Waugh: Wiedersehen mit Brideshead (Verfilmung) |