Carl Zuckmayer: Geschichte von einer Geburt (Erzählung) |
Carl Zuckmayer: Geschichte von einer Geburt |
Inhaltsangabe:Im Ersten Weltkrieg wird eine kleine Artillerieeinheit für eine Nacht in einem winzigen französischen Dorf dicht hinter der Front einquartiert. Weigel, einem älteren Bergmann aus dem Westerwald, Bopp, einem Bierkutscher aus Hanau und dem achtzehnjährigen Studenten Thomas wird eine Hütte am Dorfrand zugewiesen. Die öffnet, ist ein altes Weib mit dem Gesicht einer verwesten Eidechse, Händen wie starre Hühnerklauen. Aus ihrem Mund kommt ein gleichförmig röchelnder, pfeifender Laut, den man zu riechen glaubt. (Seite 17)
In einer Ecke wälzt sich etwas unruhig unter einem Lumpenhaufen. Weigel zieht beherzt ein Stück der Decke zurück und leuchtet mit der Taschenlampe hinein:
Was in der Höhle vorging, glich einem verzweifelten Kampf. Das Weib hatte längst alle Decken und Fetzen mit den furchtbaren Stößen ihres massigen Körpers heruntergeschleudert. Das Hemd aus schlechtem, gelblichem Stoff war quer überm Bauch zerrissen, nackt lag sie da, die Hügel und Berge ihres Leibes bebten, die Schenkel zogen sich hoch und streckten sich wieder, die geballten Fäuste schlugen den Bettrand, das große bleiche Gesicht mit rollenden Augen war aufwärts gedreht, der Atem ging keuchend aus ihrer Brust. (Seite 23) Dann erschlafft sie. Die Augen der Frau waren auf einmal geschlossen, das aufgewölbte Gesicht schien eingefallen, die Lippen blass und schmal, ein sonderbarer Glanz lag auf ihrer feuchten Stirn, und Thomas durchzuckte es, als sei dies der Tod, obwohl er den warmen lebendigen Druck der beiden Hände fühlte. Rasch blickte er auf und sah, wie Weigel [...] etwas Lebendiges, Rötliches in die Höhe hob – und er sank fast vornüber auf die Brust der Frau, die jetzt ruhig atmete, und es schwankte, tanzte alles um ihn her [...] und in diesem Augenblick schrie das Kind (Seite 25)
Nun steht die Alte doch auf, wäscht das Neugeborene und wickelt es behutsam in ein Tuch. Als er hereinkam, da stand das junge Weib mitten in der Stube – sie hatte eine Art Mantel umgehängt –, sie stand breitbeinig, ihr Gesicht war rot und frisch, die beiden Brüste groß und strotzend nackt, an der einen lag ihr Kind. Während Thomas sein Zeug packte, kam sie langsam heran und setzte sich dicht vor ihm auf den Tisch. Er hielt ein und betrachtete sie. Die Alte war nicht im Haus [...] (Seite 25) |
Buchbesprechung:"Geschichte von einer Geburt", das ist nicht das Werk eines Schriftstellers, der die Welt nur vom Schreibtisch aus beobachtet, sondern eine volkstümliche, deftige, expressionistische Erzählung aus dem prallen Leben. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Carl Zuckmayer (Kurzbiografie) |