17. Juni 2015 · Kommentare deaktiviert für Franken · Kategorien: Kiste · Tags: , ,

(Mit breitem fränkischem Dialekt)Kabel Deutschland, Hallo?“
„Ja, Hallo, ich bekam hier ein Schreiben von Ihnen, in dem Sie mich um Rückruf bitten. Soll ich Ihnen meine Kundennummer …“
„Brauchen Sie nicht, das ist ein Rundbrief, den bekamen alle ehemaligen Vodafone-Kunden. Es ist ja so, dass Vodafone jetzt zu Kabel Deutschland gehört, und wir wollten Ihnen anbieten, sie haben ja jetzt Internet mit entweder so einem oder einem anderen Tarif, wir können Ihnen anbieten, in  Zukunft mit 10 000er-Bandbreite ins Internet zu gehen, ein Jahr lang für 19,99, dann für 29,99.“
„Aha. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meinem bisherigen Tarif.“
„Ja, aber das ist ein Vodafonetarif.“
„Und was heißt das jetzt? Ich soll mich ja bei Ihnen melden.“
„Das heißt, dass ich Ihnen diesen neuen Tarif anbiete.“
„Ich würde lieber bei meinem alten Tarif bleiben.“
„Warum das denn?“
„Weil niemand was zu verschenken hat. Ich glaube Ihnen einfach nicht, dass alles mit diesem neuen Tarif besser ist als mit dem alten und dann auch noch deutlich günstiger. Außerdem wissen Sie nicht einmal, was ich bisher für einen Vetrag hatte.“
„Weil niemand was zu verschenken … Doch, natürlich, der ist besser. Soll ich Ihnen denn jetzt den neuen Tarif freischalten?“
„Wie gesagt, ich bin ganz zufrieden mit meinem bisherigen Tarif.“
„Und jetzt?“
„Sagen Sie es mir. Wenn möglich, würde ich gerne meinen bisherigen Tarif behalten.“
„Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag!“

(Ich habe den Eindruck, bei Kabel Deutschland nimmt man die Bitte um „dringenden Rückruf“ nicht allzu ernst.)

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23. Mai 2015 · Kommentare deaktiviert für Irland · Kategorien: It's a dirty job but someone's gotta do it

Ich schreibe jetzt keinen Blogartikel über Shitstorms und Mundverbieten und Leute, die nichts lernen wollen. Ich schreibe nichts über Irland und wie sehr ich mich darüber freue, dass die Menschen wohl gar nicht so blöde sind wie ihnen immer nachgesagt wird. Und ich schreibe nichts über westfälische Provinzblättchen, die eigentlich genau das schreiben, was wir von ihnen erwarten und die wir nicht einmal mit unseren spitzen, sorgfältig manikürten Conchita-Wurst-Fingern anfassen würden. Eigentlich ist ja schon alles gesagt.

Aber eine kleine Geschichte kann ich schon noch erzählen. Wie ich als kleiner Junge in der kleinen schwäbischen Stadt keine Schwulen kannte und keine Lesben und mir auch nicht vorstellen konnte, was die miteinander machen, Gott, wie alt war ich da, sieben, acht? Jedenfalls konnte ich mir unter praktizierter Sexualität rein gar nichts vorstellen, von homo- so wenig wie von heterosexueller, wewegen auch? Im Fernsehen jedenfalls lief ein Film, in dem ein schwules Paar auftauchte, und meine Mutter versuchte mir zu erklären, was ich da sah: „Also, es gibt auch Männer, die sich nicht in Frauen verlieben, sondern in andere Männer …“ Und ich so, vollkommen desinteressiert: Ja, warum denn auch nicht? Thema erledigt, Kinder sind wahrscheinlich ziemlich pragmatisch und kapieren: Wenn zwei Leute sich gern haben, dann wird das schon in Ordnung sein.

Zweite Anekdote. Ein breitbeiniger Mitschüler: „Die schwule Sau …“ Undichso: „Was hast du gegen Schwule?“ Er: „Nix. Aber in Ordnung ist das nicht, was die machen.“ Ich: Was ist nicht in Ordnung?“ Er: „Naja, die Natur hat das ja nicht so vorgesehen.“ Ich: „Die Natur hat auch nicht vorgesehen, dass du eine Brille auf der Nase hast. Aber mit Brille ist wahrscheinlich doch besser als ohne, oder?“

20. Mai 2015 · Kommentare deaktiviert für Running up that Hill · Kategorien: Cat Content

Edit: Dieses Blogstöckchen wurde mittlerweile auch von mehreren maskulistischen Blogs beantwortet, und die verlinken hierher. Ich lasse die Pingbacks aus Gründen der Dokumentation drin, rate aber dazu, genau zu prüfen, auf welchen Link man klickt.

And if I only could
I’d make a deal with god
and i’d get him to swap our places.
(Kate Bush, Running up that hill)

Verena hat mir ein Stöckchen zugeworfen, es geht um die Frage, was anders wäre, wäre ich eine Frau. Ich bin kein Freund des dualistischen Geschlechterkonzepts, aber vielleicht ist es als Gedankensspiel ja ganz schön? Mal gucken. (Ich soll sechs weitere Blogger_innen nominieren, aber seit dem Blödsinn mit der Icebucket Challenge finde ich sowas ein wenig übergriffig. Das Stöckchen soll sich nehmen, wer mag.)

Was wäre anders in deinem Leben, wenn du eine Frau wärst?

Was wäre anders, wenn ich nicht das Kind meiner Eltern wäre? Was wäre anders, wenn ich nicht dort aufgewachsen wäre, wo ich aufgewachsen bin? Was wäre anders, wäre ich nicht an bestimmten Punkten in meinem Leben bestimmten Leuten begegnet? Wahrscheinlich vieles.

Was tust du nur deshalb, weil du ein Mann bist?

Nichts. Glaube ich.

Welche Dinge lässt du lieber, weil du ein Mann bist?

Liebevoll mit kleinen Kindern rumtollen. Das ist doof, aber man weckt mit sowas als Mann ein gewisses Misstrauen.

Durch welches Klischee fühlst du dich persönlich beeinträchtigt?

Eigentlich durch jedes Klischee, das einen in eine bestimmte geschlechtsspezifische Rolle drängt. Männer trinken Bier, essen große Mengen Fleisch, interessieren sich primär für Autos und Fußball. Gott, wie eingeschränkt..

In welcher Situation war es von Vorteil, zur Gruppe der Männer zu gehören?

Männer verdienen mehr als Frauen, für die gleiche Arbeit. Das ist so, auch in meinem Umfeld. Da muss man dagegen ankämpfen, klar. Ich bin der Meinung, dass Frauen mehr verdienen sollen, soviel wie ich, ich bin nicht der Meinung, dass ich weniger verdienen soll, soviel wie die Frauen. Entsprechend nehme ich diesen unbezweifelbaren Vorteil einfach mal hin und protestiere nur dagegen, weil er schlicht nicht begründbar ist.

Gibt es Situationen, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt?

Ich würde erstmal behaupten: alle Situationen, in denen ich Entscheidungsmacht habe. Aber stimmt das wirklich? Trete ich anderen Menschen wirklich wertfrei gegenüber? Ich arbeite lieber mit Frauen zusammen als mit Männern, das ist einfach so. Also spielt das Geschlecht hier sehr wohl eine Rolle. Frauen berühren mich mehr, beeinflussen meine Urteile. Für die Jahresbestenliste von Theater heute muss ich jedesmal lange überlegen, wen ich wohl als „Schauspieler des Jahres“ nennen werde, bei der „Schauspielerin des Jahres“ fällt mir gleich eine Handvoll ein, die mich fasziniert hat. Ich fürchte, ich muss sagen: Es wäre schön, wenn es Situationen geben würde, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt. Aber wahrscheinlich gibt es sie nicht.

07. Mai 2015 · Kommentare deaktiviert für Liebe Leser_innen. (Warum ich nur selektiv gendere.) · Kategorien: Aus der Produktion · Tags: , , , , ,

Ich bin mir dessen bewusst, dass Sprache sexistische Strukturen abbildet, nein, nicht nur Sexismus, auch Rassismus, Klassismus, überhaupt hierarchische, diskriminierende Strukturen. Das war mir schon im Studium klar, in den Seminaren zu feministischer Linguistik (das einzige, was mich an der Linguistik überhaupt interessiert hat), nach denen ich konsequent das große I in meinen Texten verwendet habe, bis ich verstanden habe, dass das große I ebenfalls ausgrenzend wirkt, weil es eine Dualität der Geschlechter behauptet, die in der Realität nicht da ist. Seither verwende ich den Unterstrich _, wohl wissend, dass auch der nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Beziehungsweise: Ich verwende ihn in Briefen, Manuals, Mails, Konzepten. Wo ich ihn nicht verwende: in Artikeln. Natürlich bin ich als Autor an die Schreibweisenkonventionen der publizierenden Medien gebunden – wo nicht gegendert wird, da gendere ich natürlich auch nicht. Andererseits kämpfe ich auch bei den nicht-gendernden Medien nicht darum, dass diese Konvention aufgehoben wird. Schlimmer noch: Selbst bei Medien, an denen es den Autoren und Autorinnen (da! schon wieder!) freigestellt ist, wie zum Beispiel bei der Nachtkritik (Georg Kasch empfahl hier ein Sternchen: *), gendere ich nicht, selbst bei Les Flâneurs, wo ich als V.i.S.d.P. fungiere und Kolleginnen wie Ninia Binias ganz selbstverständlich gendern, lasse ich es bleiben. Und frage mich natürlich: warum?

Genau deswegen.

Wegen dieser Frage: warum? Sobald man die sich stellt, ist man sich nämlich des Problems bewusst, dass sprachimmanenter Sexismus existiert. Und denkt denselben dann im besten Falle mit, man schafft also bei sich (und bei den Leserinnen und Lesern) ein Bewusstsein für das Thema. Ein nicht-gegenderter Text ist entsprechend eine schmerzende Wunde, eine Wunde, die weit stärker schmerzt als wenn die Probleme fröhlich mit Sternchen, Unterstrich, großem I oder was auch immer übertüncht werden. Zumindest in der Theorie ist das so.

Natürlich ist das in der Praxis anders. In der Praxis geht es natürlich auch darum, möglichst elegante Texte zu formulieren, und je eleganter ein Text ist, desto weniger schmerzt die Wunde. Am Ende steht dann ein Artikel, der ganz und gar nicht auf ein Problem hinweist, sondern der die rein männliche Position einfach nur reproduziert, nichts ist gewonnen, alles ist, wie es immer war. Problem.

Aber vielleicht ist genau das der Punkt: dass man sich immer wieder mit Problemen auseinandersetzt, dass man nicht einfach etwas gegeben nimmt, dass man die eigene Position immer wieder hinterfragt. Und vielleicht ist dieses Hinterfragen auch genau das, was für mich an Feminismus und Gendertheorie wichtig ist und was von Maskulinisten und Rechten einfach nicht verstanden wird – dass es hier nicht um Befehle geht, wie man sich auszudrücken hat, sondern um das Vergegenwärtigen von Problemen. Zumindest für mich. Was eine männlich zentrierte Position ist, schon klar.

12. April 2015 · Kommentare deaktiviert für Positionsbestimmung · Kategorien: Allgemein

Pro „True Detective“, pro Nature Theatre of Oklahoma, kontra Republikanische Partei.
Proamerikanisch: im Sinne von pro Ironie, pro freundliche Distanz.
Pro Islam, kontra Religion überhaupt.
Pro Israel, kontra Netanjahu, pro Iran, kontra Ahmadinedschad.
Kontra Deutschland, kontra Antideutsch.
Pro Sexualität. Kontra Sport.
Pro Redefreiheit, kontra Geschwätz.
Pro Marx, schon, kontra Dogma. Wie gesagt, kontra Religion.
Pro Heterogenität, kontra Uniform. Pro multikulturelles Durcheinander, pro pro pro.
Pro Hedonismus, kontra Egoismus.
Tanzen.

09. April 2015 · Kommentare deaktiviert für Anfang, Mitte Vierzig · Kategorien: Ästhetik des Scheiterns

Gutes Abi, Studium halbwegs interessiert durchgezogen, Hörner abgestoßen. Und dann ein ordentlicher Job, früh geheiratet, früh möglichst viele Kinder bekommen. Gebaut, was kleines, eher weiter draußen, im suburbanen Raum. Zwei Autos, Kombi und Kleinwagen, für die Frau. Am Wochenende dann doch Fußball, einmal die Woche Kumpels treffen. Nach und nach aufgeben: Stil und Geschmack nicht mehr als Arbeit verstehen, nicht mehr als etwas, mit dem man sich beschäftigen sollte. Die größten Hits der Achtziger, der Neunziger und das Beste von heute. Irgendwann dann untreu werden, uninteressiert. Die Augenhöhe verlassen. Die Sache jetzt durchziehen.

(Irgendwann verstanden, dass man es mit dem Lebenslauf hinbekommen hat, nicht in die typischen Fallen zu treten. Irgendwann verstanden, dass das wohl auch nicht mehr passieren wird. Irgendwann verstanden, dass das auch keine Lösung ist.)

Wir finden es spannend,
eine Geschichte dazu zu erzählen.

Wenn man selbst es doch so toll findet!
Dauernd kommt jemand rein und hat eine Flasche Sekt dabei oder bringt mir etwas zu essen oder holt den Hund ab und geht mit ihm spazieren.
Das war für mich mit ein Grund zu sagen:
ich möchte am Tagesende einfach etwas Schönes sehen.

Als Kind habe ich gar nicht fernsehen dürfen, ich hatte da irgendwie gar keinen großen Bezug.
Ich verkaufe hier Bücher. Sozusagen.

Ich möchte am Tagesende einfach etwas Schönes sehen.

Avocado, Krabbensalat, Tomate, was weiß ich.
Aber es ist natürlich alles überhaupt nicht optimal.
Ich werde mich aber nicht zwischendurch in den Zug setzen und nach Hause fahren oder so,
ich will das schon durchhalten.

Ich bin also davon ausgegangen, dass ich hier keine Zukunft habe.
Wollt Ihr das fotografieren?

Ich möchte am Tagesende einfach etwas Schönes sehen.

Ich mache auch sehr viel anderes.
Das Interesse am Lindy-Hop wächst immer noch,
seit Jahren geht es nur bergauf.

Sowas wie Augsburg oder Ulm, so Orte, wo man normalerweise nicht unbedingt hinfährt.
Erfolgreich ist was anderes, aber ich bin angekommen. Wenn auch eher unelegant.
Und das ist auch richtig so.

Ich möchte am Tagesende einfach etwas Schönes sehen.

Es ist wirklich das Extreme, das Krasse,
das kommt bei den Leuten am besten an.

Das hier ist ein Drohn. Man erkennt sie an den riesigen Augen.
Ich und ein Internetshop und mein Fahrrad.
Wir machen Paramente.
Schön ist natürlich, wenn bei jemandem alles kaputt ist, wenn also, salopp gesagt, alles vergammelt ist und schlimm aussieht,
dann kann man das komplett wiederherstellen.

Frag drei Leute, und du bekommst fünf Antworten.

Ich möchte am Tagesende einfach etwas Schönes sehen.

(Saxofonsolo)

Es war ganz schlimm.

Was kannst du, wo hast du Bock drauf?
Die Frage ist,
wie ich sie zusammenschlage.

Alter Wall, Bankenviertel.
Das muss man erstmal reinkriegen, man muss es üben.
Der Job an sich ist meistens ziemlich routiniert.
Ich bin Bibliothekarin, und ich segle.
Bloß, weil er schwarz ist.
Da waren wir am Anfang, oder auch teilweise bis heute, das einzige Männerpaar.
Hamburg, Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Freiburg und München.

Ich möchte am Tagesende einfach etwas Schönes sehen.

Wir bieten diesen Menschen eine Plattform, auf der sie ihr Leben erzählen können.

Isabel Bogdan und Maximilian Buddenbohm geben mit ihrem wunderbaren Projekt Wasmachendieda? Menschen ein Podium für Leidenschaft und Lebensziele. Einmal, vergangenen April, übrigens auch mir.

… ist das Gatekeepertum. Sind die Fragen von Künstlern, die ich teilweise wirklich mag, menschlich, künstlerisch, die fragen, ob ich nicht was zu ihrer nächsten Ausstellung, zu ihrer nächsten Premiere schreiben würde. Ich rede nicht von Promotern, deren Bettelmails von wegen „Wir suchen regelmäßig nach niveauvollen Lifestyleblogs und wollten einen Linktausch mit deiner tollen Seite anregen“ ich mittlerweile nicht einmal ignoriere, die landen ungelesen im Spamordner, und ich gehe davon aus, dass sich die Vetreter dieses verachtenswerten Berufsstandes dessen auch bewusst sind. Nein, ich rede von den Künstlern, die mir persönliche Mails schreiben und von ihrem neuen Projekt schwärmen, und denen ich dann sagen muss, dass ich trotzdem nichts drüber schreibe. Weil es nicht ins Profil passt. Weil ich da gar keinen Einfluss drauf habe, worüber was geschrieben wird und worüber nicht. Weil ich grundsätzlich nicht über Leute schreibe, die ich persönlich kenne, also, „Kennen“ im Sinne von „mehr als mal Hallo sagen und auf Facebook befreundet sein“. Weil ich es nicht berichtenswert finde, das auch.

Ich habe meinen Beruf immer als einen beschreibenden verstanden, als: Ich schreibe auf, was ist. Seit einiger Zeit wird mir klar, dass das nicht funktioniert, ich beschreibe nicht, was ist, ich treffe eine ziemlich harte Auswahl, was ich überhaupt besuche, und dann mache ich nochmal eine Auswahl, über was ich dann schreibe. Das ist nicht immer fair, das ist mir auch klar.

Mittlerweile schreiben mir Künstler per Post. An meine private Adresse, wenn man tief genug in der Bandschublade nach dem Impressum sucht, dann findet man die. Ich möchte das nicht. Ich möchte keine Kataloge von irgendwelchen Malern ungefragt zugeschickt bekommen, mit der Aufforderung, sie zu besprechen. Es vergrößert die Chancen auf eine Besprechung nicht, wenn man möglichst penetrant agiert.

Und dann die Enttäuschung. Und dann die Wut, die auf die Enttäuschung folgt. Der Kollege Till Briegleb bekam sie zu spüren, als er auf Deutschlandradio Kultur sagte, dass zum Theatertreffen immer nur die großen Bühnen aus Wien, Berlin, Hamburg eingeladen würden, weil dort eben das „bemerkenswerte“ Theater produziert würde, dort, nicht in Kassel, Augsburg, Magdeburg. Falls Briegleb demnächst in Kassel, Augsburg, Magdeburg vorbeischauen sollte, dann wird er wahrscheinlich von beleidigten Dramaturgen gelyncht, aber in Wahrheit sagte er nur, was eigentlich klar ist: Man kann sich nicht alles anschauen. Man ist ein Gatekeeper, zwangsweise, und vor einem stehen noch weitere Gatekeeper: Die FAZ hat was über die Kunsthalle Emden geschrieben, also schau’ ich mir die auch mal an. Falk Schreiber hat was übers Theater Oldenburg geschrieben, also fahr’ ich mal nach Oldenburg.

Mir gefällt das nicht. Eine Lösung habe ich nicht.

23. Januar 2015 · Kommentare deaktiviert für Verzeiht mir. Sieben Sünden · Kategorien: Ästhetik des Scheiterns · Tags: , , , ,

Ninia La Grande bat mich zur Beichte. Erst dachte ich: Beichten, och nö, ich bin ja ehemaliger Katholik, ich habe Erfahrungen mit dieser Praxis gemacht, die möchte ich niemandem zumuten. Dann dachte ich: Ach, warum nicht, kann ja Spaß machen, so stöckchenlike. Also schrieb ich eine erste Beichte: Ich esse gerne Saures. Saures Obst, saure Gummibärchen, dazu trinke ich einen trockenen Weißwein. Das schrieb ich, und dann dachte ich: Ist das blöde! Das interessiert doch keinen! Ein bisschen mehr ans Eingemachte darf es schon gehen! Nun gut: sieben Sünden.

Ungeduld Ich bin ungeduldig. Mit Menschen, die mir etwas bedeuten. Die beobachte ich, dann sehe ich bestimmte soziale Muster, und die werfe ich ihnen dann subtil vor. Das gefällt mir nicht an mir, das ist wahrscheinlich meine schlechteste Charaktereigenschaft überhaupt, da muss ich an mir arbeiten.

Unkeusche Gedanken Habe ich. Also, nicht, dass das was Schlimmes wäre, aber manchmal sind da Gedanken dabei, die meinem Selbstbild als linker, emanzipatorischer Mann entgegenstehen. Andererseits: Sexualität ist ein Spiel, und im Spielerischen ist da sehr viel erlaubt. Nö, da stehe ich durchaus zu.

Kunst Ich mag die Musik von Death in June, manchmal. Ja, Death in June sind Nazis, aber es sind Nazis, die leider sehr gute Musik machen. Und jetzt? Es wäre einfacher, wären es Frei.Wild oder Onkelz, da fiele es leicht zu sagen: Den Schrott höre ich jetzt nicht mehr. Aber so? In der Kunst gefällt mir übrigens Neo Rauch, in der Literatur Ernst Jünger, in der Architektur Sachen aus der Schublade Einschüchterungsarchitektur, Brutalismus, sozialistischer Klassizismus. Ich komme da nicht raus.

Essen Ich esse Fleisch. Ich weiß, dass Massentierhaltung moralisch, ökonomisch, gesundheitlich ein Problem ist, ich weiß, dass das Töten eines Lebewesens durch nichts zu rechtfertigen ist. Und ich mache es trotzdem.

Diskussionsverhalten Ich mag nicht so wirken, aber ich bin in Diskussionen ein Macho. Ich lasse mein Gegenüber oft nicht ausreden, ich setze Körpersignale der Überlegenheit ein, ich verstehe eine Diskussion weniger als Austausch von Argumenten denn als Durchsetzen meiner Position. Auch hier sollte ich an mir arbeiten.

Loslassen Ich kann oft nicht richtig genießen, ich kann mich oft nicht fallenlassen. Ich bekomme den Gedanken nur schwer aus dem Kopf: Was könnte jetzt alles Schlimmes passieren? Der Leidtragende dessen bin nicht nur ich selbst, sondern auch meine Umgebung, das tut mir leid.

Tratschen Seit es das Internet gibt, schreibe ich da Persönliches rein. Ich bin eine Tratschtante geworden, und weil ich über mein Leben tratsche, tratsche ich auch über die Menschen, die in meinem Leben auftauchen. Das geht gar nicht.

Ich gebe den Auftrag zur Beichte nicht weiter. Wer mitteilungsbedürftig ist, möge den Beichtstuhl betreten, gefordert sind sieben Sünden. Aber: Sündigen ist alles, was wir noch haben, das sollten wir nicht so leichtfertig aufgeben.

2014 war das Jahr, in dem ein paar Halbstarke sich die Worte „Sharia-Police“ auf die hässlichen Jacken schrieben, so durch Wuppertal zogen und Betrunkene, unverschleierte Frauen und andere unislamisch aussehende Menschen anpöbelten. 2014 war das Jahr, in dem die Medien das zum Anlass nahmen, über die angebliche Islamisierung in bergischen Provinzstädten zu berichten. 2014 war das Jahr, in dem weit weniger prominent berichtet wurde, dass sich alle Islamverbände in deutlichen Worten von dem Geschehen distanzierten. 2014 war das Jahr, in dem niemand auf die Idee kam, zu erwähnen, dass Halbstarke schon immer Leute anpöbelten, das ist nicht schön, aber anscheinend hat es was mit dem Alter zu tun.
2014 war das Jahr, in dem Lann Hornscheidt an der Berliner Humboldt-Uni über Gender als soziale Konstruktion forschte, zu dem Schluss kam, dass Kategorien wie männlich oder weiblich IN DIESEM PERSÖNLICHEN FALL untauglich seien und darum BAT, künftig nicht mehr als Professor oder Professorin sondern als Professx Hornscheidt angesprochen zu werden. Woraufhin sich ein Shitstorm über Hornscheidt ergoss, von Leuten, die die Prinzipien „Bitte“ und „Vorschlag“ nicht verstanden haben und behaupteten, ihnen werde verboten „Professor“ zu sagen.
2014 war das Jahr, in dem sich Matthias Matussek in der Welt als homophob outen durfte. 2014 war das Jahr, in dem Homophobie, Überheblichkeit und Menschenverachtung als legitime Stimmen im Konzert der Meinungen rehabilitiert wurden und nicht mehr als das, was sie jahrzehntelang zu Recht waren: verachtenswerte Dummheit.
2014 war das Jahr, in dem Linke wie Dieter Dehm und Sarah Wagenknecht auf angeblichen Friedensdemos und Montagsmahnwachen neben Rechtsradikalen wie Jürgen Elsässer und Ken Jebsen standen. Eine Querfront unter dem Banner der Solidarität mit Putins Russland.
2014 war das Jahr, in dem in Berlin angeblich der Weihnachtsmarkt verboten wurde, weil „die Muslime“ das so verlangt hätten. 2014 war das Jahr, in dem das dumme Deutschland nicht hören wollte, dass „die Muslime“ rein gar nichts verlangt hatten, sondern dass der Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain schlicht keine religiösen Veranstaltungen mehr ausrichten wollte, namentlich kein offizielles Fastenbrechen.
2014 war das Jahr, in dem der alles in allem eher unlustige (was hier aber nicht das Thema sein soll) Kabarettist Dieter Nuhr von einem Osnabrücker Fitnessstudiobetreiber wegen „Beleidigung des Islams“ verklagt wurde, was Nuhr Gelegenheit gab, einen Angriff auf die Kunstfreiheit zu behaupten. Was Nuhr nicht sagte: dass das Angezeigtwerden zum täglichen Job eines guten Kabarettisten gehört (aber von gutem Kabarett weiß Nuhr ja ohnehin wenig, schon klar). Was Nuhr auch nicht sagte: dass das zuständige Gericht das einzig richtige machte und die Anzeige als offensichtlich unbegründet zurückwieß.
2014 war das Jahr, in dem in Sachsen und anderswo das wohlgesittete Bürgertum die zivilisierte Maske fallen ließ und sich als das entpuppte, was es schon immer war: hässlicher, dumpfer, ressentimentgeladener Faschismus, Hass auf alles, was anders ist, Hass auf Schwule, Muslime, Intellektuelle, Künstler, Hass auf Berlin, auf Ironie, auf Vielschichtigkeit und Uneindeutigkeit. 2014 war das Jahr, in dem SPD-Chef Siegmar Gabriel sagte, man müsse den Dialog suchen, man müsse die Ängste ernstnehmen, die Ängste der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, man müsse, kurz gesagt, Pegida auf Augenhöhe begegnen.

2014 war, um ehrlich zu sein, ein Jahr, bei dem ich froh bin, wenn es endlich vorbei ist. Wobei, es gibt eigentlich keinen Grund zur Annahme, dass 2015 besser wird.