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Reisenotizen
Ein Ausflug
Ich habe eine Feriengeschichte geschrieben, meine Minna treibt sich zwischen Hotel und dänischen Ferienhäusern herum, und genau dieser Ort jetzt erinnert mich zäh an mein Projekt, an dem ich die letzten Jahre herumzerre, das halbgeschriebene Buch, das mich aus dem Zug getrieben hat wie der Name Bitterfeld, das Bergwerk, die Manufaktur, die Sehnsucht nach dem Wirklichen.
Auch Bitterfeld ist still, sehr still am Anfang, es dauert, bis ich merke, was mich so irritiert: die Häuser sind vom Bahnhof bis zum Markt zweistöckig, Bitterfeld liegt in der Maisonne wie eine Kleinstadt in der Normandie, halbhoch eben, unendlich überschaubar. Auch hier frage ich mich, wo die Leute sind, und sehe nur eine Nonne, die eine Kinderschar in den Hof der Caritas führt. Ach, denke ich und mache mir mein Bild zurecht, überall Jobcenterfilialen, ein Mittagstisch der Caritas, stirbt Bitterfeld?
Es stirbt offenbar nicht, es ist Markt, und die Leute sind auf dem Markt so wie sie in allen Städten auf dem Markt sind. In der Tourismuszentrale stelle ich meine dumme Frage nach dem Bitterfelder Weg, nein, da gibt es nichts, immerhin hat sich niemand über meine Frage geärgert, ich bekomme einen Stadtplan und den Tipp, mir den Bitterfelder Bogen und die Hafencity anzusehen.
Ja, Bitterfeld liegt am Meer. Ich schaffe es an diesem Tag nicht mehr bis ans Meer, das man in die großen Löcher gefüllt hat, da hinten, wo die höheren Häuser der Hafencity sind, und wohl auch die Strände und die Segelboote. Für dieses Mal habe ich genug, ich muss zum Bahnhof zurück, ich will auch zum Bahnhof zurück und nach Hause fahren und nachlesen, was ich da schon wieder nicht mitbekommen habe. Plötzlich fahren viele Bagger durch die Stadt, alte Leute auf roten Elektrorollern kurven dazwischen herum.
Das Buch aus der Auslage der Tourismuszentrale lese ich erst viel später:
„Ich hatte ein Bild im Kopf, ein schwarzes, verrußtes, rostfarbenes, dreißig Jahre altes Bild.“ (Monika Maron: Bitterfelder Bogen) Hätte ich es früher gelesen, wäre ich über das Meer nicht so erschrocken gewesen.
Die Lesereise endet im Irrealis: hätte, wäre.
Ich hätte meine Geschichte gerne auch in Bitterfeld gelesen.
Annmerkung der Redaktion: Diese Erzählung entstand im Anschluss an die Lesereise, auf die sich Susanne Neuffer begab, als sie beim MDR-Kurzgeschichten-Wettbewerb 2011 in die Endrunde kam. Sie erhielt für Minna von Barnhelm war blau den zweiten Preis.
Auch Bitterfeld ist still, sehr still am Anfang, es dauert, bis ich merke, was mich so irritiert: die Häuser sind vom Bahnhof bis zum Markt zweistöckig, Bitterfeld liegt in der Maisonne wie eine Kleinstadt in der Normandie, halbhoch eben, unendlich überschaubar. Auch hier frage ich mich, wo die Leute sind, und sehe nur eine Nonne, die eine Kinderschar in den Hof der Caritas führt. Ach, denke ich und mache mir mein Bild zurecht, überall Jobcenterfilialen, ein Mittagstisch der Caritas, stirbt Bitterfeld?
Es stirbt offenbar nicht, es ist Markt, und die Leute sind auf dem Markt so wie sie in allen Städten auf dem Markt sind. In der Tourismuszentrale stelle ich meine dumme Frage nach dem Bitterfelder Weg, nein, da gibt es nichts, immerhin hat sich niemand über meine Frage geärgert, ich bekomme einen Stadtplan und den Tipp, mir den Bitterfelder Bogen und die Hafencity anzusehen.
Ja, Bitterfeld liegt am Meer. Ich schaffe es an diesem Tag nicht mehr bis ans Meer, das man in die großen Löcher gefüllt hat, da hinten, wo die höheren Häuser der Hafencity sind, und wohl auch die Strände und die Segelboote. Für dieses Mal habe ich genug, ich muss zum Bahnhof zurück, ich will auch zum Bahnhof zurück und nach Hause fahren und nachlesen, was ich da schon wieder nicht mitbekommen habe. Plötzlich fahren viele Bagger durch die Stadt, alte Leute auf roten Elektrorollern kurven dazwischen herum.
Das Buch aus der Auslage der Tourismuszentrale lese ich erst viel später:
„Ich hatte ein Bild im Kopf, ein schwarzes, verrußtes, rostfarbenes, dreißig Jahre altes Bild.“ (Monika Maron: Bitterfelder Bogen) Hätte ich es früher gelesen, wäre ich über das Meer nicht so erschrocken gewesen.
Die Lesereise endet im Irrealis: hätte, wäre.
Ich hätte meine Geschichte gerne auch in Bitterfeld gelesen.
Annmerkung der Redaktion: Diese Erzählung entstand im Anschluss an die Lesereise, auf die sich Susanne Neuffer begab, als sie beim MDR-Kurzgeschichten-Wettbewerb 2011 in die Endrunde kam. Sie erhielt für Minna von Barnhelm war blau den zweiten Preis.