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Startseite > Bücher > Paranormale Romance > Oldigor Verlag > Inka-Gabriela Schmidt > ENGELSLEID > Leseproben > Leseprobe 3

Leseprobe 3

ENGELSLEID

Inka-Gabriela Schmidt
Roman / Paranormale Romance

Oldigor Verlag

Taschenbuch, 242 Seiten
ISBN: 978-3-943697-16

Dez. 2012, 12.90 EUR
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Ein rätselhaftes Testament


Erst im Zusammenhang mit der Beerdigung wurde Laura bewusst, dass ihre Mutter kaum Freunde und so gut wie gar keine Verwandte gehabt hatte. Jedenfalls wussten sie von keinen.
Als Kind hatte sie diesen Mangel ein einziges Mal hinterfragt, nachdem eine Freundin ihr von einer großen Familienfeier mit Oma und Opa, Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen erzählt hatte. Ihre Mutter hatte ihr daraufhin erklärt, dass die Großeltern schon lange verstorben wären und sie selbst keine Geschwister hätte. Demzufolge gäbe es also auch keine Onkel oder Tanten mit Familie.
Alle Namen und Anschriften aus dem kleinen Adressbuch, das Laura beim Aufräumen gefunden hatte, die ihr persönlich oder vom Erzählen bekannt waren, hatte sie angeschrieben. Fünfzehn Leute waren zur Beerdigung gekommen, um Laura mit mehr oder weniger trauriger Miene ihr Beileid auszudrücken. Außer der Nachbarin und einer einzigen Bekannten ihrer Mutter, einer Anverwandten ihres verstorbenen Mannes, waren Laura alle Anwesenden vollkommen fremd. Es stellte sich auch niemand bei ihr in der Form vor, dass sie ins Gespräch gekommen wären. Vermutlich hatte ihre Mutter jegliche Kontakte vor langer Zeit eingestellt. Warum war ihr dies nie so richtig aufgefallen?
Obwohl Laura vom Christentum nicht allzu viel hielt, hatte sie eine kleine Andacht in der zum Friedhof gehörenden Kirche in Auftrag gegeben. Ihrer Mutter hätte das bestimmt gefallen. Bedrückt stellte sie fest, dass sie über die Vergangenheit viel zu wenig wusste, als der Pfarrer sie nach wichtigen Ereignissen im Leben der Verstorbenen fragte, die er in seine Traueransprache einbauen wollte. Dabei hatte Laura immer geglaubt, ihre Mutter recht gut zu kennen, zumal sie nach Karls Tod enger zusammengewachsen waren. Das vertraute Gefühl erhielt plötzlich einen Riss. Hatte sie sich zu wenig um Mama gekümmert und hatte sie daher von deren Geheimnissen, falls es solche gab, nichts mitbekommen?
Die schwierigste Entscheidung stellte für Laura die Wahl des Sarges dar. Als ihr Vater gestorben war, hatte ihre Mutter nicht lange überlegt, ob es eine Erd- oder Feuerbestattung werden sollte. Wenn man sich verbrennen ließe, wäre am Jüngsten Tag kein Gerippe für die Auferstehung vorhanden, argumentierte sie. Der Sarg wiederum fiel schlicht aus. Es gelang der Angestellten des Beerdigungsinstituts nicht, der Witwe ein schlechtes Gewissen einzureden und sie zu überzeugen, dass für den Toten das Beste gerade gut genug wäre. Nein, ein einfacher Sarg genügte völlig, die Gebeine bis zum Jüngsten Gericht angemessen aufzubewahren. Nur eine Verbrennung sollte es nicht sein.
Wäre der Anlass nicht so traurig gewesen, hätte Laura zu jenem Zeitpunkt lauthals gelacht. Und was war mit all den Toten, die vor Jahrtausenden gestorben und deren Gerippe längst zermalmt oder zerstreut waren? Was war mit den Toten, die es sich nicht ausgesucht hatten, und unfreiwillig zu Asche geworden waren, bei Hausbränden oder im Krieg? Gehörten sie nun zu den unglückseligen Seelen, denen keine Auferstehung widerfahren würde?
Aber egal wie sie selbst darüber dachte, es kam nichts anderes infrage, als nun auch für ihre Mutter einen Sarg zu kaufen. Obwohl die in Weiß lackierte Ausführung um einiges teurer war, als die naturbelassene, befand Laura, dass dieser ihrer Mutter zustehen würde.
Man stirbt nur einmal, Mama, dachte sie mit einem Anflug von Zynismus. Auf einen Totenschmaus hingegen hatte sie verzichtet. Warum sollte sie wildfremde Leute bewirten. Niemand hatte gefragt, wie sie sich fühle oder ob sie Hilfe bräuchte. Nicht, dass Laura diese gewollt hätte.
Das Begräbnis jedenfalls verschlang einen erschreckend großen Teil ihrer Ersparnisse und sie befürchtete, dass ihre Mutter ihr kaum Geld hinterlassen hatte. Zumindest waren auf dem Sparbuch nicht mal tausend Euro gewesen und andere Geldanlagen waren Laura nicht bekannt. Dennoch, ihr Gewissen hätte ihr nicht erlaubt, an Sarg und Dekoration zu knausern. Schließlich war dies das letzte Mal, dass sie etwas für ihre Mutter tun konnte.
Ab morgen, beschloss Laura, würde sie wieder arbeiten gehen, und versuchen, in die Normalität des Alltags zurückzufinden. Zum Glück hatte ihr Chef bisher viel Verständnis für ihre Situation gehabt. Am Abend stand ihr noch die Wohnungsübergabe an den Hausverwalter bevor. Alles war für die geforderte besenreine Übergabe vorbereitet. Die Möbel, von denen Laura bis auf den alten Ohrensessel nichts behalten wollte, hatte bereits tags zuvor ein Profi für Haushaltsauflösungen abgeholt. Nicht, dass sie diesen Sessel, der eine so tragische Bedeutung erlangt hatte, besonders mochte. Aber ihre Mutter hatte stets betont, dass er ein Familienerbstück sei – nur, wem hatte er eigentlich gehört?
Das ist es also, was bleibt, dachte Laura mit tiefem Bedauern. Ein Grabstein, auf dem bereits der Name ihres Vaters eingraviert war und auf dem der Steinmetz in den nächsten Tagen den ihrer Mutter hinzufügen würde, sowie eine Handvoll Erinnerungen an ihre Kindheit und an Ausflüge mit den Eltern. Und mehrere Aktenordner, die es noch zu durchforsten galt, bevor sie den größten Teil des Inhaltes in den Schredder befördern würde.

Zwei Stunden nach dem Begräbnis drückte Laura die Klingel auf dem Türschild des Notars, mit dem sie einen Termin vereinbart hatte. Es war der einzige Hinweis, den sie nach einem ersten flüchtigen Durchblättern der Aktenordner ihrer Mutter gefunden hatte. Eine Telefonnummer und der Name Dr. Brandt in einem zugeklebten Kuvert mit der Aufschrift Für Laura – im Ernstfall.
Der Notar, ein freundlicher Herr um die Fünfzig, trug einen anthrazitfarbenen Anzug, ein weißes Hemd und eine goldfarbene Krawatte. Die schütteren grau melierten Haare waren sorgfältig auf der linken Seite gescheitelt und quer über den Kopf bis zum anderen Ohr gebügelt, wie Laura solche Frisuren zu betiteln pflegte. Es war nicht zu übersehen, dass Herr Dr. Brandt unter seiner ausgedehnten Glatze litt, obwohl er mit seinem festen Händedruck und dem direkten Blickkontakt einen selbstsicheren Eindruck zu vermitteln versuchte.
Das Büro war hell, mit hohen, schalldichten Fenstern zur Hauptstraße, die den Straßenlärm draußen hielten. Das Mobiliar aus dunklem Holz schien schon recht alt zu sein. Es zeigte an Kanten und Griffen Abnutzungsspuren. Davon abgesehen jedoch war alles aufgeräumt und ordentlich. Von irgendwoher drang ein Blütenaroma ins Lauras Nase und reizte ihre Schleimhäute. Mit Mühe unterdrückte sie ein Niesen.
»Mein aufrichtiges Beileid, Frau Dennerwein. Bitte nehmen Sie Platz.«
Dr. Brandt kam schnell zur Sache. Lauras Mutter hatte bald nach dem Tod ihres Mannes beim Notar ein Kuvert für ihre Tochter hinterlegt, das er nun in versiegeltem Zustand vor sie auf den Tisch legte.
»Könnten Sie sich bitte ausweisen? Eine reine Formalität.«
»Natürlich.« Laura reichte ihm ihren Personalausweis über den Schreibtisch, den Brandt aufmerksam las, und ihr sogleich zurück gab.
»Wissen Sie, was drin steht?«, fragte Laura mit Blick auf das Kuvert.
»Jein«, erwiderte ihr Gegenüber. »Ganz bestimmt das von mir beglaubigte und somit rechtsgültige Testament. Was Ihre Mutter vielleicht zusätzlich in den Umschlag gelegt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.« Er blickte Laura über den Rand seiner schmalen randlosen Lesebrille hinweg an. »Wenn Sie Fragen zu Ihrer Erbschaft haben oder einen Rat benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.«
»Danke.« Neugierig betrachtete Laura den Umschlag, der an einer Stelle ein wenig gewölbt war. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was der Umschlag außer dem Testament enthalten sollte.
»Hier bekomme ich von Ihnen noch eine Empfangsbestätigung.« Brandts Zeigefinger deutete auf eine gepunktete Linie in der unteren Hälfte der Seite.

In einem nahe gelegenen Café suchte Laura sich einen Sitzplatz im hintersten Winkel, von wo aus sie den Raum überblicken und ungestört den Inhalt des Kuverts prüfen konnte. Die Wände waren in warmem Apricot gestrichen, der Übergang zur Decke von einer breiten Leiste unterbrochen, hinter der sich eine indirekte Beleuchtung verbarg. Zwischen den Tischen sorgten voluminöse Topfpflanzen für eine gemütliche Atmosphäre. Aus den Lautsprechern klang in verträglicher Lautstärke aktuelle Popmusik.
Das Café war etwa zur Hälfte gefüllt, die meisten Leute waren ein wenig älter als Laura, überwiegend Frauen, nur wenige Paare. Ganz gegen ihre Gewohnheit bestellte Laura sich zum Cappuccino einen Cognac. Nervös klopfte sie mit dem Zeigefinger der linken Hand auf den Umschlag, der vor ihr lag, während sie langsam den Cognac trank. Allmählich wich die innere Kälte, die sie während des Notarbesuchs erfasst hatte. Ihr Herz klopfte aufgeregt, als sie das Siegel brach und das Kuvert vorsichtig öffnete. Selbst mit viel Fantasie fiel es ihr schwer zu verstehen, warum ihre Mutter es für nötig befunden hatte, ein notarielles Testament zu erstellen. Laura war ihre einzige Tochter. Es gab sonst niemanden, der Anspruch auf das Erbe erheben könnte. Oder doch?
Das Testament trug den Briefkopf des Notariats und war auf etwas festerem, schneeweißem Papier mit Wasserzeichen gedruckt. Eingebunden war es in eine Mappe aus strukturiertem Halbkarton. Eine blau-silberne Kordel mit Siegel verlieh dem Ganzen offizielles und bedeutungsvolles Aussehen. Sachliche Formalitäten leiteten den Text des Testaments ein. Wie erwartet, wurde Laura darin formell zur Alleinerbin erklärt. Dafür so viel Aufwand? Laura schüttelte den restlichen Inhalt aus dem Umschlag. Zum Vorschein kamen ein normales Briefkuvert ohne Fenster und zwei sehr kleine Schlüssel, die Ursache für die Wölbung des Umschlags. Diesmal siegte Lauras Ungeduld, und sie riss das Kuvert grob mit dem Fingernagel auf. Sofort erkannte sie die gleichmäßige Handschrift ihrer Mutter. Was sie ihr darin mitteilte, verwirrte Laura zusehends und warf neue Fragen auf: Was meint sie damit? Warum hat sie nie mit mir darüber gesprochen?
Unschlüssig drehte Laura die Schlüssel zwischen den Fingern hin und her und warf einen Blick auf die Uhr. Um heute noch herauszufinden, welches Geheimnis diese Schlüssel hüteten, war es leider bereits zu spät. Möglicherweise hatte es mit dem Tod ihrer Mutter zu tun. Laura schluckte. Fantasierte sie sich etwas zusammen? Da weder Geld noch Gegenstände gestohlen worden waren, der Täter jedoch die gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt hatte, ohne dass es nach purem Vandalismus aussah, so wäre es doch denkbar, dass der Täter diese Schlüssel gesucht hatte. Oder mehr noch: das, was sie wegsperrten. Laura konnte es kaum erwarten, herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Allerdings würde sie sich bis zum nächsten Mittag gedulden müssen, hatte sie doch Theo, ihrem Chef, eine SMS geschrieben, dass sie morgen früh wieder arbeiten würde. Prompt hatte dieser daraufhin eine Redaktionssitzung mit allen Mitarbeitern anberaumt. Sie wollte ihn nicht enttäuschen.

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